Hartmut Geisler
Wir fallen niemals tiefer als in Gottes gütige Hände ...

Sonntag Septuagesima

Mit diesem Sonntag treten wir in den zweiten Festkreis des Kirchenjahres und beginnen die Vorfeier des heiligen Osterfestes. Septuagesima heißt siebzig: dieser Name erinnert daran, dass ehemals die Fastenzeit siebzig Tage dauerte. Als die Christen lauer wurden, wurde die Vorbereitungszeit auf sechzig Tage (Sexagesima), dann auf fünfzig Tage (Quinquagesima), endlich auf vierzig Tage (Quadragesima) herabgesetzt. Papst Gregor der Große machte im 6. Jahrhundert das Fasten von Aschermittwoch an zu einem allgemeinen Kirchengebot. Die Erinnerung an die siebzigtägige Vorbereitung hat die Kirche in ihrem Gottesdienst bewahrt; von diesem Sonntage an läßt sie alle Freudengesänge, das Alleluja, das Tedeum, das Gloria verstummen (sofern nicht ein besonderes Fest eintritt) und kleidet die Priester in violette Bußgewänder.
Um uns das große Elend, in das wir durch die Sünde geraten sind, recht vor Augen zu stellen und dadurch zur Buße zu bewegen, ruft die Kirche zum Eingang der Messe im Namen des ganzen menschlichen Geschlechtes mit den Worten Davids:

Es haben mich umrungen die Ängsten des Todes, die Schmerzen der Hölle umgaben mich. In meiner Trübsal rief ich zum Herrn, und er erhörte meine Stimme aus seinem heiligen Tempel. Dich will ich lieben, o Herr! meine Stärke, mein Fels, meine Zuflucht, mein Erlöser! (Ps 17)

Gebet der Kirche. Wir bitten dich, o Herr, erhöre gnädig das Gebet deines Volkes, damit wir, die wir unserer Sünden wegen gerechte Strafen leiden, um der Ehre deines Namens willen barmherzig errettet werden, durch unseren Herrn...

Lektion aus der Epistel an die Korinther IX, 24-29 und X, 1-5

Brüder! wisset ihr nicht, dass die. so in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt? Laufet so, dass ihr ihn erlanget! Und jeder, der sich zum Wettkampfe übet, übt Enthaltsamkeit in allem; und diese tun es, um eine vergängliche Krone zu gewinnen, wir aber, um eine unvergängliche zu gewinnen. Ich laufe nun so, nicht wie auf etwas Ungewisses; ich kämpfe so, nicht um Luftstreiche zu tun; sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit, damit ich nicht etwa, nachdem ich andern gepredigt habe, selbst verworfen werde. Denn, Brüder, ich will euch nicht vorenthalten, dass unsere Väter zwar alle die Wolke zur Führerin hatten, und alle durch das Meer gingen, und alle durch Moses in der Wolke und im Meere getauft wurden, und alle dieselbe geistige Speise aßen und alle denselben geistigen Trank tranken, - sie tranken nämlich aus dem geistigen Fels, der ihnen folgte, der Fels aber war Christus - aber an den meisten von ihnen hatte Gott kein Wohlgefallen.

Erklärung

Die Kirche möchte uns in dieser Zeit die Kämpfe und Leiden vor Augen führen, die der Erlöser zu unserer Rettung übernommen hat. Wir sollen Anteil daran nehmen nicht nur in dankbarer Erinnerung, sondern durch unsere eigenen Leiden und Kämpfe für die Krone des Lebens.
Der Apostel erinnert an die Wettkämpfe, die damals ein Volksvergnügen waren. Die sich daran beteiligten, mußten sich der strengen Enthaltsamkeit und den schwersten Strapazen unterziehen; und sie taten es gern der Ehre oder eines armseligen Siegespreises wegen. Sollte der Christ weniger tun, um die Himmelskrone zu gewinnen? Selbst der Apostel hielt sich derselben nicht würdig und sicher ohne beständige Abtötung; wer darf sich also einbilden, er habe Selbstzucht und Abtötung nicht nötig? Die von Leiden, Kämpfen und Selbstverleugnung nichts wissen wollen, dagegen ihrer Sinnlichkeit freies Spiel lassen und ein möglichst genußsüchtiges Leben führen, werden nicht zu den Siegern gehören.
Dass wir Christen sind, kann uns nichts nutzen ohne den treuen Kampf eines christlichen Lebens und Tugendstrebens; ebensowenig wie es die Mehrzahl der Juden retten konnte, dass sie zum auserwählten Volke gehörten. Die großen Wunder, die Gott für sie getan hatte, die Gnade, die er ihnen zugewendet hatte, waren nur Vorbilder dessen, was uns zuteil geworden ist. Wir verdienen also die Verwerfung noch mehr wie sie, wenn wir uns unserer Auserwählung nicht würdig machen.

Gebet. O Jesus! ich bereue von ganzem Herzen meine große Scheu vor aller Überwindung dir zuliebe und meine so große Trägheit im Guten. Verleihe mir doch standhaften Eifer, mich aus allen Kräften zu bemühen, um die unvergängliche Krone des Himmels!

Evangelium Matthäus XX, 1-16

In der Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern dieses Gleichnis:
Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am frühen Morgen ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg zu bringen. Als er nun mit den Arbeitern um einen Zehner für den Tag übereingekommen war, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde, sah andere auf dem Markte müßig stehen und sprach zu ihnen: Gehet auch ihr in meinen Weinberg, und ich werde euch geben, was recht ist. Sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und neunte Stunde und machte es ebenso. Als er aber um die elfte Stunde ausging, fand er andere stehen und sprach zu ihnen: Warum stehet ihr hier den ganzen Tag müßig? Sie antworteten ihm: Es hat uns niemand gedungen. Da sprach er zu ihnen: So gehet auch ihr in meinen Weinberg.
Als es nun Abend geworden war, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Rufe die Arbeiter und gib ihnen den Lohn, von den letzten angefangen bis zu den ersten. Da nun diejenigen kamen, die um die elfte Stunde eingetreten waren, empfing ein jeder einen Zehner. Als aber auch die ersten kamen, meinten sie, mehr zu empfangen, doch auch von ihnen erhielt jeder einen Zehner. Da murrten sie wider den Hausvater und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt, die wir die Last und Hitze des Tages getragen haben.
Er aber antwortete einem aus ihnen und sprach: Freund, ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht um einen Zehner mit mir übereingekommen? Nimm, was dein ist, und gehe. Ich will aber diesem Letzten auch geben wie dir. Oder ist es mir nicht erlaubt, (mit meinem Eigentum) zu tun, was ich will? Ist dein Auge darum schalkhaft, weil ich gütig bin? Also werden die Letzen die Ersten und die Ersten die Letzten sein; denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.

Wie ist dieses Gleichnis zu verstehen?

Der Hausvater ist Gott; der Marktplatz, auf dem er Arbeiter dingt, ist die Welt; die Arbeiter sind wir Menschen. Die erste Stunde, in der Gott ausging, Arbeiter zu dingen, war im großen und allgemeinen die Zeit von Adam bis auf Noe, die dritte Stunde von Noe bis auf Abraham und die anderen Patriarchen, die sechste Stunde von Abraham bis auf Moses und die anderen Propheten, die neunte Stunde von Moses bis auf Christus und seine Apostel, und von Christus bis an das Ende der Welt ist die elfte und letzte Stunde. Die Morgenländer rechen nämlich von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends. -
Im kleinen und besonderen sind diese Stunden die verschiedenen Lebensalter des Menschen, in denen Gott ihn zu seinem Dienste ruft.
Der große Weinberg ist das Reich Gottes auf Erden, das mit Adam begonnen hat und bis an das Ende der Zeiten sich erstreckt, und in dem jeder Mensch auf seinem Platze nach Gottes Willen und zu dessen Ehre wirken und beitragen soll zur Erfüllung der weisen und heiligen Absichten Gottes.
Ein Stück dieses großen göttlichen Weinberges ist auch jeder Mensch, der sein Herz, seine Seele zu bebauen, zu bepflanzen und zu pflegen hat, das Unkraut der Sünde darin auszurotten, damit er Früchte hervorbringe für das ewige Leben.
Der Zehner aber, den die Arbeiter zum Lohne erhalten, ist das Himmelreich.

Welche Menschen sind müßig?

Diejenigen, die nicht für Gott und ihr Seelenheil arbeiten, mögen sie auch sonst noch so geschäftig sein. Auf dreierlei Weise kann man müßig stehen:
1. wenn man Böses oder gar nichts tut;
2. wenn man zwar mancherlei, auch Gutes tut, aber gerade das versäumt, was die Standespflichten fordern;
3. wenn man das, was uns oder dem Nächsten nützlich ist, nicht in der rechten Absicht, Gott zuliebe verrichtet.
Gott hat uns die Kräfte der Seele und des Leibes gegeben zur Arbeit, uns also schon bei unserer Erschaffung um den Lohn der ewigen Seligkeit dazu gedangen, dass wir zu unserm und des Nächsten Wohle seinem Dienste uns widmen. Er beruft auch die Müßigen stets aufs neue durch die Stimme des Gewissens, der Seelsorger, Eltern, durch gute Schriften usw.

Warum bekommen die letzten so viel wie die ersten?

Der Lohn ist für alle treuen Arbeiter im Weinberge des Herrn in der Hauptsache der nämliche, das Himmelreich. Wer in der letzten Stunde seines Lebens dem Rufe Gotte gefolgt ist und sich bekehrt hat, bekommt von seiner grundlosen Barmherzigkeit ebensowohl die ewige Seligkeit, wie der, der von Jugend auf ein treues, christliches Leben führte. Freilich ist die Glorie und Glückseligkeit im Himmel außerordentlich verschieden; aber dieser Unterschied richtet sich nicht nach der Länge der Zeit, sondern nach dem Eifer in der Arbeit. Mancher sammelt so in ganz kurzer Zeit ebensoviele Verdienste für den Himmel wie andere in vielen Jahren.

Was lehrt uns die Antwort, welche die Murrenden erhielten?

Dass wir uns hüten müssen, den Nächsten um der göttlichen Gnade willen zu beneiden. Das ist eine Sünde wider den Heiligen Geist. "Durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt gekommen" (Weis 2). Wir müssen also, wenn wir an anderen etwas Löbliches bemerken, jede Regung der Mißgunst sofort unterdrücken, im Gegenteil uns freuen über Gottes Güte und Ehre.

Was heißt: "Die Letzten werden die Ersten und die Ersten werden die Letzten sein"?

Das gilt vor allem von den Juden. Diese waren zuerst zum Christentum berufen, nahmen es aber nicht an, und werden erst am Ende der Zeiten zur Kirche eingehen. Die Heidenvölker dagegen, die von den Juden so verachtet wurden, nahmen das Evangelium willig an, und kamen so dem auserwählten Volke zuvor. Dann gilt jenes Wort auch von vielen einzelnen Menschen. Solche, die in den Augen der Welt gering waren, werden vielfach im Himmelreiche denen vorgehen, die hier großes Ansehen hatten; denn Gott urteilt nicht nach dem Ansehen der Person, sondern nach dem Eifer und der Lauterkeit der Absicht.

Was heißt: "Viele sind berufen, aber wenige auserwählt"?

"Gott will, dass alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen " (1Timoth 2). Die Mehrzahl folgt jedoch dem Rufe Gottes nicht und gehört darum nicht zu der Zahl der Auserwählten.


Betrachtung über die Notwendigkeit, unsere Seele zu retten

1. Das Geschäft unseres Seelenheils ist so wichtig, dass es keine Entschuldigung zuläßt. Hast du irgend ein Geschäft, woran nicht viel gelegen ist, so kannst du es leicht unterlassen aus geringfügigen Ursachen. Je wichtiger und notwendiger ein Geschäft ist, desto weniger ist es erlaubt, es zu versäumen, desto schwerer kann die Vernachlässigung entschuldigt werden. Es ist z.B. jemand vor Gericht geladen in höchst wichtigen Angelegenheiten, in einem Prozeß, wo es sich um Tausende handelt; wenn er den Termin versäumte wegen einer Vergnügungsfahrt, wäre er da zu entschuldigen? Wenn derselbe aber z.B. krank wäre, so würde der Richter diesen Grund gelten lassen und den Termin verschieben. Kein irdisches Geschäft ist so wichtig, so notwendig, dass wir es in keinem Falle unterlassen dürften, dass es keine Entschuldigung davon gäbe. Das Geschäft unseres Seelenheiles aber ist so wichtig, so notwendig, dass wir es in keinem Falle unterlassen dürfen, uns in keiner Weise entschuldigen können, wenn wir es versäumen; es ist das Allerwichtigstes, Allernotwendigste, ja eigentlich einzige Notwendige, das wir in dieser Welt zu besorgen haben. Denn es hängt davon ab mehr als Geld und Gut, als Freiheit und Leben als die ganze Welt. Was hängt davon ab?

2. Wenn wir dieses Geschäft recht verrichten, also Gott treu dienen und unsere Seele retten, was gewinnen wir? Schon für dieses Leben mehr als alle Schätze der Welt. Zunächst wendet uns Gott seine Liebe und Gnade zu. Will das nicht viel sagen? Was tut man nicht, um die Gunst und Liebe schwacher Menschen zu gewinnen, wie freut und rühmt sich der Günstling eines Fürsten; wie viel höher sollte uns dünken die Ehre und Freude, Kinder Gottes zu sein und geliebt zu werden von dem, gegen den alle irdische Herrlichkeit und Macht armselig ist. Und wenn wir das Hauptgeschäft treu besorgen, wozu er uns in die Welt gesandt hat, nämlich sorgen für das Heil unserer Seele, so sorgt er treu und väterlich für uns, und alle unsere Sorge dürfen wir werfen auf ihn. In tausend Gefahren hält er seine Hand über uns, und ohne seinen Willen fällt kein Haar von unserem Haupte. Er verschont uns zwar nicht mit Leiden, allein diese sind nur ein neuer Beweis seiner Liebe, kostbare Partikeln von dem Kreuze seines geliebten Sohnes, himmlische Ordenskreuze, womit er uns geschmückt hat. Er gießt einen Frieden und eine Freude in unser Herz, welche die Welt nicht kennt, und die süßer sind als alle Lüste der Welt. - Der Hauptgewinn, den wir durch treue Arbeit im Weinberge der Seele machen, wird uns erst ausbezahlt nach dem Tode. Und das ist ein Gewinn, dessen Größe und Herrlichkeit sich nicht beschreiben läßt. Das unbegreifliche, unaussprechliche Glück des Himmels, das ist der versprochene Zehner, der als Lohn ausbezahlt wird, wenn der Feierabend kommt und wir treue Arbeiter im Dienste Gottes gewesen sind. Vorüber sind dann alle Leiden, vorüber alle Plagen und Ängsten, wir sind gerettet für ewig! Was liegt daran, ob wir auf Erden gering und armselig waren vor den Menschen, viele Prüfungen und Bitterkeiten durchgemacht haben! Wären wir arm gewesen wie Lazarus, krank und geplagt wie Job, das alles ist vorbei und vermehrt jetzt unseren Lohn, unsere Freude und Seligkeit.

3. Ein unschätzbarer Gewinn hängt ab von der Arbeit, die Gott uns aufgetragen hat. Wenn wir aber dies notwendige Geschäft unseres Seelenheiles nicht besorgen, sondern vernachlässigen, statt Gott zu dienen unsere Gelüste befriedigen, in schweren Sünden leben und sterben, so verfolgt uns nicht nur in diesem Leben der Unsegen, der Fluch Gottes, die Qual des bösen Gewissens; es erwartet uns nach dem Tode das Urteil der ewigen Verdammnis, der schauerliche Kerker der Hölle. Der böse und träge Knecht wird gebunden und hinausgeworfen in die Finsternis, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird, verstoßen und verflucht von dem unendlich herrlichen und liebreichen Gott, ausgeschlossen von allem, was Licht und Leben, Luft und Freude, Liebe und Seligkeit heißt, preisgegeben dem Wurme, der nicht stirbt, den marternden Vorwürfen und Qualen des bösen Gewissens, gepeinigt, aber nie verzehrt von unauslöschlichem Feuer, gequält von so entsetzlichen Peinen, dass alle Leiden, die je ein Menschenkind erlitten hat, dagegen nur Kinderspiel sind. Und bei alledem niemals eine Linderung, nie eine ruhige Stunde, kein Tropfen Trost und in alle Ewigkeit keine Erlösung. Das lehrt uns der Glaube. Kann es also ein wichtigeres, notwendigeres Geschäft geben als die Arbeit am Heile unserer Seele, von der für uns abhängt eine Ewigkeit von Freude oder Qualen? Kann es eine größere Torheit und Verblendung geben, einen wahnsinnigeren Frevel, als wegen irdischer Geschäfte, wegen eines erbärmlichen Gewinnes, eines elenden Vergnügens, die wie Rauch schwinden und vergehen, dieses Notwendige versäumen und sich um die ganze Seligkeit bringen? Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele?

4. Nun denken aber viele: nein, das will ich nicht; ich will für meine Seele sorgen, aber nur jetzt nicht, jetzt habe ich keine Zeit und Lust. Später, wenn ich dieses oder jenes erst besorgt, genossen, mir ein Vermögen gesammelt habe, dann kann ich noch genug für meine Seele sorgen. Was ist von solchen zu halten? Ihre Torheit ist nicht viel geringer als jene der völlig Lauen, Gleichgültigen und Ungläubigen. Denn diese Arbeit ist nicht nur unser wichtigstes Geschäft, das keine Entschuldigung zuläßt; es ist auch unser dringendstes Geschäft, es duldet keinen Aufschub.
Keinen Aufschub leidet ein Geschäft, das nicht nur wichtig ist, sondern auch bald geschehen muß. Da ist z.B. ein Verwalter oder Kassenbeamter, der eine bedeutende Kasse zu verwalten hat und weiß, dass dieselbe nicht in Ordnung ist. Natürlich ist jetzt sein Hauptanliegen, dieselbe in Ordnung zu bringen; denn wenn der Revisor kommt und visitiert die Kasse, und es stimmt alles, so hat er Aussicht, eine Auszeichnung, vielleicht einen einträglicheren Posten zu bekommen; wird aber seine Unordnung, seine Untreue entdeckt, so verliert er seine Stelle, kommt in Schimpf und Schande, gar ins Zuchthaus. Die Sache ist also wichtig. Wenn er gewiß wüßte, der Revisor ist schon unterweg, er kann jeden Tag, ja jeden Augenblick bei mir eintreffen, wehe mir, wenn er meine Unordnung entdeckt; dann würde er ohne Zweigel dieses Geschäft nicht nur für wichtig, sondern auch für dringend und unaufschiebbar halten, denn morgen wäre es leicht zu spät. Ähnlich verhält es sich mit dem Geschäfte unseres Seelenheiles. Gott hat uns als Verwalter angestellt für dieses Leben, die Kasse ist unsere Seele, das Kapital, das er uns anvertraute, sind die Kräfte des Leibes und der Seele sowie die Taufgnade, die er uns verlieh. Das Geld, das wir einnehmen, sind alle die unzähligen Gnaden, die er uns schenkt, Zeit und Gelegenheit zum Guten. Rechte Ausgaben machen wir, wenn wir unsere Zeit nach Gottes Willen verwenden, seine Gnade benutzen, seine Gebote halten, unsere Christen- und Standespflichten treu üben. Sooft wir aber eine Sünde tun, machen wir immer unberechtigte Eingriffe in die Kasse Gottes, verwenden Zeit und Gnade und Kräfte, die Gott uns schenkt, gegen seinen Willen; tun wir schwere Sünde, so veruntreuen wir das ganze Kapital. Beim Tode kommt Gott selbst und revidiert unsere Kasse; ist dann alles in Ordnung in unserer Seele, so spricht er: "Komm her, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen bist, will ich dich über vieles setzen, gehe ein in die Freude deines Herrn." Findet er kleine Unordnungen, so müssen sie gutgemacht werden im Fegfeuer, wo niemand herauskommt, bis er den letzten Heller bezahlt hat; haben wir das Kapital selbst veruntreut durch schwere Sünden, dann lautet der Urteilsspruch: "Ergreifet den ungetreuen Knecht und werfet ihn in die äußerste Finsternis."

5. Noch ist zu bemerken: ehe die Abrechnung kommt, können wir noch alle Untreue in Ordnung bringen. Sofern wir im Bußgericht die Veruntreuung bekennen, wird sie uns verziehen, und wir erhalten aus dem Verdienstschatze Christi aufs neue das Kapital, die heiligmachende Gnade. Aber mit dem Augenblicke des Todes hört die Möglichkeit auf, und vor dem Tode und der nachfolgenden Abrechnung sind wir keinen Augenblick sicher. Der Richter ruft uns warnend zu: "Seid allezeit bereit, denn zu einer Stunde, wo ihr es nicht vermutet, wird der Menschensohn kommen!" - Und wie du es dann verdienst, bekommst du es: ewige Freuden oder ewiges Leiden.

Was ist also das eine wirklich Notwendige und Unaufschiebbare? Ist es nicht die Ordnung des Gewissens und die stündliche Bereitschaft zur großen Abrechnung? Sind nicht alle sonstigen Geschäfte und Sorgen hiergegen ohne Belang? Wie wichtig ist also die Warnung der Schrift: "Säume nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschiebe es nicht von einem Tag zum andern; denn plötzlich kommt sein Zorn und wird zur Zeit der Rache dich verderben" (Sir. 5). Wie steht´s mit dir? Erforsche ernstlich, wie du es bisher hiermit gehalten hast. Bist du nicht bereit, so bringe dein Gewissen schleunigst in Ordnung. Und für alle Zukunft mache den Wahlspruch des hl. Franz Xaver zu dem deinigen und wiederhole ihn dir öfter - beim Morgen- und Abendgebet, in der Versuchung: ich will, ich muß meine Seele retten für den Himmel! (N. Schmitt)

Gebet. Barmherziger und gütiger Gott, der du uns, deine unwürdigen Diener, ohne unser Verdienst, aus lauter Gnade, in deinen Weinberg, d.h. zum wahren Glauben berufen und darin zu arbeiten befohlen hast, wir bitten dich, verleihe uns deinen Beistand, dass wir niemals müßig seien, sondern als getreue Arbeiter uns stets bemühen, deinem heiligen Willen nachzukommen. Was wir bisher versäumt haben, wollen wir in Zukunft durch größeren Eifer mit deiner Gnade zu ersetzen suchen. Amen.


Unterricht für den Dienstag nach dem Sonntag Septuagesima

Fest des Gebetes unseres Heilandes am Ölberge

Schon in der Vorfastenzeit möchte die Kirche unsere Blicke auf das Leiden Christi lenken. Deshalb läßt sie uns heute schon in einem eigenen Feste sein Gebet verehren, womit er sein ganzes Opferleben, besonders aber sein bitteres Leiden, geheiligt hat. Weil vornehmlich das Gebet Christi im Ölgarten in Auge gefaßt wird, beginnt die Messe mit den Worten des Propheten:

Mein Herz ist geängstigt in mir, und die Furcht des Todes ist auf mich gefallen; Furcht und Zittern ist über mich gekommen. Mache mich heil, o Herr, denn die Wasser und Trübsal sind bis in meine Seele gedrungen.

Gebet. O Herr Jesu Christe, der du im Garten mit Wort und Beispiel uns gelehrt hast, die Gefahren der Anfechtungen zu überwinden, verleihe gnädig, dass wir, allezeit dem Gebete ergeben, dessen reichliche Frucht zu erlangen verdienen mögen. Der du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Lektion aus der Epistel an die Hebräer IV, 5-10

Christus hat sich nicht selbst verherrlicht, Hoherpriester zu werden, sondern der zu ihm geredet hat: "Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt"; wie er auch an einer anderen Stelle spricht: "Du bist Priester auf ewig nach der Weise Melchisedechs." Er hat in den Tagen seines Fleisches Gebet und Flehen unter starkem Geschrei und Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tode retten konnte, und er ist erhört worden wegen seiner Ehrerbietigkeit. Obgleich er Sohn Gottes war, hat er aus dem, was er erlitten hat, Gehorsam gelernt und ist, also zur Vollendung gebracht, allen, die ihm gehorsam sind, Urheber der ewigen Seligkeit geworden, genannt von Gott Hoherpiester nach der Weise Melchisedechs.

Erklärung

Als Mensch unterwarf sich Christus dem Vater im Gehorsam, indem er nach Gottes Willen sein hohepriesterliches Amt ausübte und während seines ganzen Lebens, besonders aber bei seinem Tode, sich für die sündige Menschheit zum Opfer brachte. Der Vater ersparte ihm selbst den Tod nicht; dann aber führte er ihn aus des Todes Schrecken zum Triumphe der Auferstehung und erhob ihn auch der Menschheit nach über alles. - Der Apostel hebt bei der hohenpriesterlichen Tätigkeit Jesu besonders sein Gebet hervor; denn die Opfer waren stets begleitet vom Gebet.

Vielmal sprechen die heiligen Schriften vom Gebete Jesu. Kaum geboren läßt er seine Engel für sich ein herrliches Danklied singen; und im Geiste wiederholt er die Worte des Propheten: "Schlachtopfer und Gaben verlangst du nicht; einen Leib hast du mir bereitet... Ich komme, o Gott, deinen Willen zu vollbringen" (Ps 39). Die ersten dreißig Jahre seines Lebens, wo er noch nicht zu den Menschen redet, was tut er da anders, als sich in Gebet und Betrachtung mit Gott unterhalten? Mit dem Leibe bei den häuslichen Beschäftigungen, ist er mit dem Geiste "in dem, was seines Vaters ist". Er gehorcht seinen irdischen Eltern, und er betet zu seinem himmlischen Vater: diese beiden scheinbar so geringen, doch so unermeßlich großen Handlungen füllen den ganzen Raum dieser ersten 30 Jahre aus. "O hätte ich Zeuge sein können, wie seine Lippen voll Anmut seine ersten kindlichen Gebete lallten, hätte ich sehen können, wie er an jedem Morgen zuerst seine kindlichen Augen gen Himmel erhob, hätte ich die süßen Worte hören können, in denen er täglich, ja, täglich unzähligemal die Anliegen der ganzen Menschheit seinem göttlichen Vater empfahl."

Als der Herr an die Öffentlichkeit trat, um die Menschen den himmlischen Vater kennen zu lehren, ging seine Predigt wohl in Gebet über, womit er z.B. den Vater preiste, dass er dieses den Geringen offenbaret, den Weisen aber verborgen habe. Wohl mangelte ihm nun öfters die Zeit zum gewohnten Gebete. Er nahm dann die Nacht zu Hilfe. Das war seine liebste Erquickung, nachdem er sich müde gearbeitet hatte. Da er die zwölf Apostel auswählen will, bringt er vorher die ganze Nacht im Gebete zu. Da er die hungrige Volksschar wunderbar sättigen will, betet er zuvor und blickt dankend zum Vater empor. Er betet, wenn er Kranke heilt, wenn er seine Macht über den Tod zeigen will, wie bei Lazarus.

"Über den letzten Teil seines Lebens, über sein bitteres Leiden, sehe ich den heiligen Gebetsstrom seiner Seele in ganzer Fülle und Macht ergossen; nicht als ob in diesem Gebetsstrom früher jemals eine Ebbe eingetreten wäre, sondern weil das Evangelium des Schleier seiner betenden und ganz in Gebet eingetauchten Seele gegen seines Lebens und zur Zeit seines bitteren Leidens uns mehr gelüstet hat. Es verhält sich mit seinem Gebete wie mit seiner Liebe..., die er ebenfalls am rührendsten am Ende seines Lebens offenbarte. - Kaum hat er, seinem Leiden und Tode entgegengehend, seinen feierlichen Einzug in Jerusalem gehalten, so betet er, von einer zahlreichen Volksmenge umgeben: Meine Seele ist jetzt betrübt, und was soll ich sagen? Vater, rette mich von dieser Stunde. Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen, Vater, verherrliche deinen Namen. Darauf erscholl eine Stimme vom Himmel: "Ich habe verherrlicht und werde ferner verherrlichen."

Immer mächtiger ergießt sich der Gebetsstrom aus deiner heiligen Seele, je näher er dem Ende kommt. Betend bereitet er sich zur Feier des Liebesmahles; unter dem herrlichen hohenpriesterlichen Gebete geht er mit den Seinigen aus der Stadt dem Ölberge zu; betend beginnt er dort die Vergießung seines kostbaren Blutes; und da er diese am Kreuze vollendet, sind seine sieben Worte ebenso viele Flammengebete, die hervorschießen aus der Feuersglut der Opferpein. Sein Opferleben ist stets durchflutet vom Weihrauch des Gebetes.

O erhabener, göttlicher Beter und ewiger Hoherpriester, der du mit dem kostbaren Blute deines Leibes, gleichsam als das Blut deiner heiligsten Seele, das heißeste Gebet und Flehen unter starkem Geschrei und Tränen für mich und die ganze Menschheit Gott, deinem himmlischen Vater, dargebracht und dadurch das Werk der Erlösung der Welt vollbracht hast; welchen Dank schulde ich dir vor allem auch für dieses dein hohepriesterliches Gebet! Dich hat der himmlische Vater immer erhört; und welche Gnaden mir und der ganzen Menschheit immer zuteil werden, und wenn wir der Zahl der Auserwählten eingereiht sind, wir verdanken alles nebst deinem Opfer dem hohenpriesterlichen Gebete, womit du dieses Opfer begleitet und es dem Vater dargebracht hast. Welcher Dank ist daher groß genug, womit ich deine unendliche Liebe dir vergelten kann!" (Martin, "Leidensoffizien".)

Evangelium Lukas XX, 39-44

In jener Zeit ging Jesus nach seiner Gewohnheit hinaus an den Ölberg; es folgtem ihm aber auch die Jünger dahin nach. Und als er an den Ort gekommen war, sprach er zu ihnen: "Betet, dass ihr nicht Versuchung fallet." Und er entfernte sich von ihnen eine Steinwurf weit, kniete nieder und betete und sprach: "Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir, doch nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe." Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und als ihn Todesangst befiel, betete er länger. Und sein Schweiß ward wie Tropfen Blutes, das auf die Erde fiel.


Betrachtung über die Todesangst Jesu im Ölgarten

Die Jünger, die soeben mit ihm getrunken haben aus dem Kelche der Liebe, sollen bald auch trinken aus dem Kelche der Leiden. Große Prüfungen standen ihnen bevor; daher warnt der Herr sie und mahnt zur Wachsamkeit und zum Gebete. In Wachen und Gebet erwartet er selbst sein Leiden. An den Ort, wo dasselbe beginnen soll, , nimmt er nur die drei Apostel mit, die Zeugen seiner Verklärung auf Tabor gewesen sind. Sie werden am ersten es ertragen können, ihn in der ganzen Schwachheit seiner menschlichen Natur zu sehen. Doch entfernt er sich auch von ihnen; er weiß, dass im Ansturm der schwersten Leiden menschlicher Trost versagt und einzig bei Gott im Gebete Trost und Stärke zu finden ist. Er zaget, er klaget in schwerer Seelenangst; doch wendet er sich stets wieder zum Gebete, um zu zeigen, wie wir in Geduld und Liebe leiden können.

Nichts, sagt St. Augsutinus, kann uns größere Ursache geben, die göttliche Liebe unseres Heilandes zu bewundern, als diese Traurigkeit, diese Angst. Ihm genügte nicht, meine Natur anzunehmen, er nahm auch meine Empfindungen an. Er legte von sich ab die Wonne ewiger Gottheit und ließ sich anfechten vom Schmerz über meine Schwachheit. - Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Sobald er also sprach, war jede Freudigkeit aus seinem Herzen verschwunden, alles in ihm finstere Nacht. Trauer und Angst stürmten so gewaltig auf ihn ein, dass ihm der Angstschweiß ausbrach, das Merkmal eines tödlichen Kampfes; und so allmächtig ward auch sein heiliger, zarter Leib erschüttert, dass selbst Blut hervordrang, wie die Kelter den Wein preßt aus den gebrochenen Trauben. Ihn im prophetischen Bild schauend, redete dann Isaias ihn schon an: Warum ist dein Kleid so rot und ein Gewand wie das eines Keltertreters? Ich trat die Kelter allein, und von den Völkern stand mir niemand bei (Is 63). Sankt Bernhard nennt dieses Angstschweiß blutige Tränen, die nicht mehr bloß aus den Augen erquollen, sondern aus dem ganzen Leibe. Ein kostbarer Morgentau, der herniederrann auf die fluchbeladene Erde, ihr wieder den Segen zu bringen.

Dreimal wiederholte Jesus dasselbe Gebet, nicht allein seinetwegen, sondern auch uns zum Beispiel, dass wir nicht wanken dürfen im Vertrauen und nicht nachlassen im Gebete, wenn sich auch nicht sogleich Erhörung zeigt. Anlaß zu der dreimaligen Todesangst mochte eine dreifache Reihe von Bildern sein, die vor seiner Seele vorüberzogen und auf sie einstürmten.

1. Es stiegen vor ihm auf die Sünden der ganzen Welt, von den sinnlichen Gelüsten und dem undankbaren Ungehorsam des ersten Menschen bis zu dem Frevel des letzten, den der Gerichtsstag überraschen wird. Er sieht, wie unrecht die Menschen handeln gegen die ewige Gerechtigkeit, wie undankbar gegen die unergründliche Liebe, wie hartnäckig boshaft gegen die unbegreifliche Barmherzigkeit und Langmut. Er sieht allen Dingen auf den Grund und darum auch das innerste Wesen einer jeden Sünde; wie abscheulich, unaussprechlich boshaft sie ist, welchen Greuel sie anrichtet in der Seele und im Leben. Gott hasset unaussprechlich jedes Unrecht; allein es kann ihm nichts anhaben, seine Glückseligkeit keinen Augenblick trüben. Jesus sieht mit göttlichen Augen alle Abscheulichkeiten, die jemals die finstere Nacht ausgebrütet hat; sie dringen auf ihn ein gleich Schreckensgestalten und erfüllen ihn mit Entsetzen.

Noch mehr. Alle diese Sündengreuel soll er auf sich nehmen, weil er sich ja erboten hat, das Opferlamm für die Sünden der Welt zu sein. "Unser aller Frevel hat der Herr auf ihn gelegt; unsere Missetaten hat er gertragen" (Is 52). Wenn eine einzige Sünde den Kain dermaßen in Angst versetzte, dass er nirgends Ruhe fand; wenn den unseligen Verräter Judas die innere Qual zum Selbstmord trieb; was wird erst der Herr in Gethsemane ausgestanden haben, da er Millionen und aber Millionen Sünden der ganzen Welt auf seine Schultern nehmen sollte!

2. Es steigen vor seiner Seele auf die Bilder seines bitteren Leidens, das ihm so nahe bevorsteht. Es ist vorgekommen, dass Menschen aus Furcht gestorben sind, und der Tod aus Furcht soll ganz besonders schmerzvoll sein. Wenn etwas unvermutet kommt, so ist das viel weniger hart, als wenn man es langsam heranrücken sieht. Wie dankbar müssen wir Gott sein, dass er die Zukunft, z.B. die Todesstunde, vor uns verborgen hat. Vor den Augen Jesu ziehen schon die Bilder seines Leidensweges vorüber. Die Marterwerkzeuge, die blutgierigen Feinde, die grausamen Henker, die Backenstreiche, der Schandpfahl, alles peinigt ihn schon im voraus. Hier verkostet er im Geiste auf einmal, was dort nach und nach über ihn kommt. Die Gerechtigkeit des Vaters wälzt den ganzen Berg der Sünden auf ihn; und er sieht sich verlassen vom Vater, als den Auswurf der Menschheit mit den Strafen aller Verbrecher beladen; den ganzen Kelch innerer und äußerer Leiden muß er nun auf einmal trinken, so sehr ihn davor schaudert. In seinem Herzen wogt ein Meer von Bitterkeit.

3. Es tritt vor seine Seele der breite Weg, der zum Verderben führt, auf dem so viele wandeln und wandeln werden, für die er ebenfalls sein Blut vergoß, und die er trotzdem nicht retten kann. Auch sie, die verlorenen Seelen, liebt er mehr als eine Mutter ihr einziges Kind; sie aber treten sein Blut mit Füßen, kehren ihm den Rücken und verachten seine Erlöserliebe. Er wird für jeden von ihnen den Kelch der Leiden bis zur Hefe austrinken, aber vergebens.

Und nun besinne dich einmal: Wie standest du damals in der Schmerzensnacht vor dem geistigen Auge deines Erlösers? Auch deine Sünden sah er schon vor sich, von der geringsten bis zur schwersten, alle, auch die du längst vergessen hast, die du noch begehen wirst; er erblickte sie, und es erfaßte ihn Todesschrecken. Dich läßt das Gedächtnis deiner Sünden kalt, weil du blind und stumpf bist, ihre wahre Natur zu begreifen. Dir jagt die Sündengefahr keinen Schrecken ein, du stürzest dich so oft mutwillig in die Gelegenheit und bringst das Gewissen zum Schweigen. Schau auf den Schmerzensmann, der in Gethsemane auf seinem Angesichte liegt und für dich betet, der mit seinem Blutschweiß die Erde netzt aus Angst wegen deiner Sünden, wegen der Gefahr deiner unsterblichen Seele! Betrachte ihn, wenn du Reue erwecken willst; schau auf ihn, wenn dich die Versuchung reizt. Es kommt ein Tag, an dem auch dir die Sinne vergehen, der kalte Angstschweiß auf der Stirn lagert, die Sünden deines Lebens noch einmal, zum letztenmal, an deiner Seele vorüberziehen und du vor Not und Elend verzagen möchtest. Denke schon jetzt machmal an diese deine letzte Stunde, und bete aus der Tiefe des Herzens:
"Durch deine Todesangst in Gethsemane hilf uns, o Herr, in unserer Todesangst! Dann erbarme dich unser, o Jesus! der du für uns Blut geschwitzet hast."


Unterricht für den Sonntag Sexagesima

Zum Eingange der heiligen Messe lehrt uns die Kirche zu Gott um Hilfe und Beistand rufen:
Erhebe dich; warum verweilest du, o Herr? Erhebe dich, und verwirf uns nicht auf immer! Warum wendest du ab dein Angesicht und vergissest unserer Trübsal? An der Erde klebt unser Körper. Erhebe dich, Herr! hilf uns und erlöse uns. - Gott, mit unsern Ohren haben wir´s gehört, unsere Väter haben es uns erzählt, das Werk, das du getan in ihren Tagen (Psalm 43,2; 23-26). Ehre sei dem Vater usw.

Gebet der Kirche. O Gott! der du siehst, dass wir auf keine von unsern Handlungen vertrauen: verleihe gnädig, dass wir durch den Schutz des Völkerlehrers Paulus wider alle Übel bewahrt werden.

Lektion aus dem zweiten Brief an die Korinther XI,19 - XII,9

Brüder! ihr ertraget ja gerne die Törichten, da ihr selbst verständig seid. Denn ihr ertraget es, wenn einer euch unterjochst, wenn einer euch aufzehrt, wenn einer euch abnimmt, wenn einer sich überhebt, wenn einer euch ins Angesicht schlägt.
Zur Unehre sag ich es, als ob wir darin schwach gewesen wären: (doch) worauf einer pocht, darauf (ich rede in Torheit), poche auch ich. Sie sind Hebräer, ich auch; sie sind Israeliten, ich auch; sie sind Nachkommen Abrahams, ich auch; sie sind Diner Christi (ich rede wie ein Törichter), ich noch mehr; mehr Mühseligkeiten habe ich erduldet, mehr Gefängnisse, Mißhandlungen über die Maßen, Todesgefahren häufig. Von den Juden habe ich fünfmal vierzig Streiche weniger einen bekommen. Dreimal bin ich mit Ruten gestrichen, einmal gesteinigt worden, dreimal habe ich Schiffbruch gelitten, einen Tag und eine Nacht bin ich in der Meerestiefe gewesen; oft war ich auf Reisen, in Gefahren auf Flüssen, in Gefahren vor Räubern, in Gefahren vor meinem Volke, in Gefahren von den Heiden, in Gefahren in Städten, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meere, in Gefahren von falschen Brüdern, in Mühseligkeit und Elend, in vielfältigen Nachtwachen, in Hunger und Durst, in vielem Fasten, in Kälte und Blöße: ohne jenes, was (noch) von außen kommt, der tägliche Andrang zu mir, die Sorge für alle Gemeinden. Wer wird schwach, ohne dass ich schwach werde? Wer wird geärgert, ohne dass ich leide? Wenn es gerühmt werden soll, will ich nur meiner Schwachheit mich rühmen.
Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, gepriesen in Ewigkeit, weiß, dass ich nicht lüge! Zu Damaskus ließ der Landpfleger des Königs Aretas die Stadt der Damaszener bewachen, um mich zu ergreifen, und aus einem Fenster wurde ich in einem Korbe die Mauer herabgelassen und entkam so seinen Händen.
Wenn es gerühmt sein soll (es nützt zwar nicht), will ich auf die Gesichte und Offenbarungen des Herrn kommen. Ich kenne einen Menschen in Christo; 1) vor vierzehn Jahren, ob mit dem Leibe, ich weiß es nicht, ob außer dem Leibe, ich weiß es nicht, Gott weiß es, war derselbe entrückt bis in den dritten Himmel: ich weiß, dass dieser Mensch (ob mit dem Leibe oder außer dem Leibe, ich weiß es nicht, Gott weiß es) in das Paradies entrückt war und geheime Worte hörte, die ein Mensch nicht aussprechen darf.
Dessen will ich mich rühmen, meiner aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheiten.
Wenn ich mich aber auch rühmen wollte, so wäre ich nicht töricht; denn ich würde die Wahrheit sagen: ich enthalte mich aber dessen, damit niemand mehr von mir halte, als er an mir sieht oder von mir hört. Und damit ich mich nicht der hohen Offenbarungen wegen erhebe, wurde mir ein Stachel in mein Fleisch gegeben, ein Engel des Satans, der mir Faustschläge gebe. Um deswillen habe ich dreimal den Herrn gebeten, dass er von mir weiche; er aber sprach zu mir: Es genügt dir meine Gnade, denn die Kraft wird in der Schwachheit vollkommen. Gerne will ich darum meiner Schwachheiten mich rühmen, damit in mir wohne die Kraft Christi.

1) Das ist, einen Christen. Dies war der hl. Paulus selbst, der sich aber aus Bescheidenheit nicht nennt, obwohl er sich gezwungenerweise rühmen muß.

Erklärung

Von törichten Schwätzern ließen sich die Korinther viel gefallen und dazu aufwiegeln gegen den Apostel. Darum sieht er sich genötigt, ihnen entgegenzutreten und das hervorzuheben, was er sonst am liebsten verbarg. Vor allem erinnert er an die Erfüllung der Voraussagen des Herrn bei seiner Bekehrung: Ich will ihm zeigen, was er um meines Namens willen leiden soll.

Das Siegel des Leidens, das Zeichen des Gekreuzigten ist allen ohne Ausnahme aufgedrückt, die Großes wirken zur Ehre Gottes und zum Heile der Menschen. Selig, wer sich daran nicht ärgert.

Nur mit Widerstreben redet er weiter von den Erscheinungen und Offenbarungen, deren Gott ihn gewürdigt hatte. Er mag jene meinen, von denen die Apostelgeschichte erzählt. Die erste hatte stattgefunden bei seiner Bekehrung. Da offenbarte sich Gott ihm auf besondere Weise, die er nicht erklären konnte. Das andere Gesicht hatte er im Tempel.

In der Lebensgeschichte der Heiligen finden sich öfters solche außerordentlichen Gnadenerweisungen Gottes, wie Entzückungen und Offenbarungen. Menschen, die in heldenmütigem Tugendstreben dieser Welt abgestorben sind, sind dadurch fähig, schon im Leibesleben in die andere Welt entrückt zu werden, ja bis in den dritten Himmel, den Ort der Anschauung Gottes und des vertrauten Verkehrs mit ihm.

Außer ordentliche Gnaden haben aber auch außerordentliche Gefahren. Die größte Gefahr droht im geistlichen Hochmut. Davor sollte Paulus durch den Stachel im Fleische und die Plagen des Satans bewahrt werden. Verschiedenes kann darunter verstanden werden. Vielleicht war es die Krankheit, die er dämonischen Kräften zuschrieb. Jeder Dünkel bricht, wenn die körperliche Kraft zusammenbricht. Die Krankheiten haben eine große Mission zum Heile der Seele. Gewöhnlich denkt man bei jenen Worten des Apostels an fleischliche Anfechtungen. Und solche sind für heilige Seelen allerdings noch demütigender wie Leibesgebrechen. Dass Menschen, die in langjährigen Kämpfen und Abtötungen so oft die herrlichsten Siege über sich selbst und den Satan errungen haben, dennoch solchen Anfechtungen unterworfen sind, das zeigt die ganze Armseligkeit der menschlichen Natur und warnt eindringlicher als alles andere vor vermessenem Selbstvertrauen und falscher Sicherheit. Wenn ergraute Heilige sich auf diesem schlüpfrigen Gebiete nicht sicher wußten, was hat dann die leichtsinnige Jugend zu erwarten, die sich ohne Gottesfurcht blindlings in solche Versuchungen hineinstürzt.

Anderseits ist ein solches Bekenntnis des Apostel allen Angefochtenen ein Trost. Der getreue Gott läßt nicht zu, dass wir über unsere Kräfte versucht werden. Halten wir uns an ihn in vertrauensvollem, beharrlichen Gebete und tun wir zugleich das Unsrige, so ist der Sieg unser. Und je grimmiger die Anfälle des Bösen, desto herrlicher der Sieg. Gerade in unserer größten Schwachheit soll sich so die Kraft Christi herrlich erweisen.

Gebet. Gib mir, o Gott, die Gnade, dass ich mich in diesen bösen Tagen standhaft an die Lehre deines heiligen Evangeliums halte und mich durch die Reize der Welt, noch durch ihren Tadel von der Befolgung desselben abwendig machen lasse!

Evangelium Lukas VIII, 4-15

Zu der Zeit, da sehr viel Volk zusammengekommen und aus den Städten zu Jesus herbeigeeilt war, sprach er gleichnisweise: Ein Säemann ging aus, seinen Samen zu säen; und da er säete, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten; und die Vögel des Himmels fraßen es. Ein anderes fiel auf felsigen Grund, und da es aufgegangen war, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Ein anderes fiel unter die Dornen, und die Dornen, die mit aufwuchsen, erstickten es. Ein anderes fiel auf gute Erde und ging auf und gab hundertfältige Frucht. Als er dieses gesagt hatte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Es fragten ihn aber seine Jünger, was dieses Gleichnis bedeute. Und er sprach zu ihnen: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen; den übrigen aber werden die Gleichnisse gegeben, damit sie sehen und doch nicht sehen, hören und nicht verstehen.
Das Gleichnis aber bedeutet dieses: Der Same ist das Wort Gottes. Die am Wege, das sind die, welche es hören; dann kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die auf dem felsigen Grunde, das sind die, welche das Wort mit Freuden aufnehmen, wenn sie es hören; aber sie haben keine Wurzel; sie glauben eine Zeitlang, und zur Zeit der Versuchung fallen sie ab. Das, was unter die Dornen fiel, das sind die, welche gehört haben, aber dann hingehen und in den Sorgen, Reichtümern und Wollüsten des Lebens erstickten und keine Frucht bringen. Was aber auf gute Erde fiel, das sind die, welche das Wort hören und in guten, ja bestem Herzen behalten und Frucht bringen in der Geduld.

Warum wird das Wort Gottes mit dem Samen verglichen?

Weil, gleichwie aus dem guten Samen gute Früchte erwachsen, also auch aus dem göttlichen Worte die Früchte der guten Werke entstehen. So wie es nun unmöglich ist, dass ein unbesäeter Acker gute Früchte bringe; ebenso ist es auch, dass der Mensch die Früchte des Geistes ohne den Samen des göttlichen Wortes hervorbringe. Darum sagt der hl. Augustinus, dass dem Menschen das Wort Gottes so notwendig sei, wie selbst der Leib Christi, und dass der ebenso strafbar sei, der das Wort Gottes nachlässig anhört, als derjenige, der den Leib Christi auf die Erde fallen läßt.

Warum hat Christus bei seinen Gleichnissen gerufen: "Wer Ohren hat, zu hören, der höre"?

Um die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Lehre, die er durch dieses Gleichnis geben wollte, anzuzeigen, und seine Zuhörer zur Aufmerksamkeit zu ermuntern. Denn es ist zur Seligkeit unumgänglich notwendig, das Wort Gottes ehrerbietig und aufmerksam anzuhören; weil wir ohne das Wort Gottes, ohne Unterricht in unserer heiligen Religion nicht wissen können, was wir tun und meiden sollen, um gut und selig zu werden (Röm 10,14).

Haben nur die Ungelehrten die Predigt nötig?

Manche entschulden ihre Trägheit im Predigthören mit dem Vorgeben: ich kenne meine Pflichten und weiß alles, was da gesagt wird, von selbst. Selbst wenn dem so wäre, hätten sie die Predigt nötig zur steten Erinnerung und Aufmunterung. Manche wissen wohl, dass Neid, Feindschaft, Ungerechtigkeit, Unkeuschheit usw. Sünden sind; aber gerade deises mag der tiefste Grund ihrer Predigtscheu sein, weil sie ihr Gewissen nicht aus dem Sündenschlafe auferwecken lassen wollen. So ging es dem römischen Statthalter Felix nebst seiner Frau Drusilla. Beide hörten dem Apostel Paulus gerne zu. Als er aber eines Tages anfing, von der Gerechtigkeit zu predigen, und von der Keuschheit und dem Gerichte, da wurde er ihnen lästig, und Felix sagte zu ihm: Geh jetzt nur, auf ein andermal will ich dich rufen lassen.

Welche Kraft hat das göttliche Wort?

Das Wort Gottes ist gleich einem Hammer, der die härtesten Felsen zersprengt, gleich einem Feuer, das die Sümpfe der Laster austrocknet und die tief eingewurzelten bösen Gewohnheiten zerstört (Jerem 23,29). Es ist wie ein Donnerkeil, der alles niederschlägt und zittern macht wie ein Sturmwind, der die Zedern des Libanon, das ist die hochmütigen und unbeugsamen Gemüter, zerschmettert (Psal 28,3.5). Es ist ein Licht, das die Finsternisse der Unwissenheit zerstreut (Psalm 118,105); ein Schwert, das Leib und Seele voneinander scheidet, das ist, die fleischlichen Gelüste von dem Geiste vertreibt (Hebr 4,12); ein Spiegel, in dem der Mensch seine Makel und Flecken sieht und sich davon reinigen lernen kann (Jak 1,23). Es ist ein kostbarer Tau oder Regen, der das Erdreich der Seele befeuchtet und fruchtbar macht (Isaias 55, 10.11). Es ist endlich jener göttliche Same, der, wenn er in eine gute und wohlbereitete Erde kommt, hundertfältige Früchte bringt (Luk 8,8). Es hat sozusagen ein einziges Körnlein dieses göttliche Samens bei so manchen Heiligen die wunderbarsten Früchte der Heiligkeit hervorgebracht. Augustinus ist durch die Worte bekehrt worden: "Wie am Tage laßt uns ehrbar wandeln; nicht in Schwelgerei und Trunkenheit, nicht in Unzucht und Unreinheit" (Röm 13,13). Antonius, der Einsiedler, ist durch die Worte: "Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und komm und folge mir nach" (Matth 19,21) zur Vollkommenheit bewogen worden; und Nikolaus von Tentin durch die Worte: "Habet nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist" (1 Joh 2,15).

Wie muß man beschaffen sein, um einen Nutzen von dem Worte Gottes zu haben?

Man muß eine gute, wohlbereitete Erde sein, das ist, manmuß ein die Wahrheit liebendes, lernbegieriges, demütiges und sein Heil aufrichtig suchendes Herz haben, die Predigten oder die Lesung des göttlichen Wortes mit gehöriger Vorbereitung und Aufmerksamkeit anhören, die gehörten göttlichen Wahrheiten im Herzen bewahren und in seinem Leben befolgen.


Betrachtung über die Hindernisse des göttlichen Wortes

1. Der Landmann lockert vorerst den Boden und deckt dann den Samen zu; wenn solcher auf den Weg fällt, geht er zugrunde. So ist es mit dem Samen des göttlichen Wortes, wenn er auf die Straße fällt, d.h. in ein Herz, das hart ist wie ein vielbetretener Weg, hart und gefühllos, für alles Höhere erstorben. Solche verknöcherte Menschen hören zuweilen Gottes Wort, aber es macht keine Eindruck, weil sie ihr Herz nicht öffnen wollen.
Dem vielbetretenen Wege gleichen ferner jene, die ihr Herz all den tausenderlei Dingen auftun, die jeden Augenblick an ihnen vorüberziehen. Die Neuigkeiten, was die Nachbar treiben, wie sie essen und trinken und sich kleiden, das schwirrt ihnen unaufhörlich durch den Sinn, und da ist´s kein Wunder, wenn ihr Herz zu einer Landstraße wird, auf der das Gesindel eitler und sündhafter Gedanken in einemfort auf- und niederzieht. Die ganze Woche kommen in solche Herzen bloß solche Vorstellungen und Begierden, wie sie Fleisch und Blut eingibt. Wie kann da der Sinn für Gott und Gottes Wort wachsen? Solche mögen die Predigt hören, erfassen sie aber nicht, da Kopf und Herz von anderen Dingen gänzlich eingenommen sind.
Die Vögel nehmen die offen daliegenden Körner: der Teufel und seine Helfershelfer nehmen das göttliche Wort weg, das unbeschützt ist und nicht im Innerstern des Herzens aufgenommen und verborgen wird. So tut er bei jenen, die morgens in die Predigt, abends in schlechte, gefährliche Gesellschaft gehen. Da freut sich der Teufel und seine Höllenvögel; jedes gute Körnlein nehmen sie da eiligst weg. Mache dein Herz nicht zur offenen Landstraße! Liebe die Einsamkeit, Gebet und Betrachtung, meide überflüssige Zerstreuung, lockere Gesellschaft, gefährlichen Umgang!

2. Bei welchen Menschen fällt das göttliche Wort auf steinigen Grund? Die von Natur gutmütig und willig, jedem guten Eindruck zugänglich sind, aber sich ebenso rasch wieder für das Böse gewinnen lassen. Die Wurzeln können sich nicht herabsenken, sie finden keine Nahrung. Solche kommen gern zur Predigt, hören willig zu, weinen Tränen der Rührung, fassen die besten Vorsätze; aber wenn es heißt, Hand angelegt, die bisherige Neigung und Gewohnheit zum Opfer gebracht, dann geht es nicht; es ging nicht tief genug, unter der dünnen Erdschicht liegt Felsengrund. - Wie mancher versprach gestern, seinen Feinden zu verzeihen, und fängt heute wieder an zu schmähen und zu verleumden; wie mancher versprach, schlimmen Umgang aufzugeben, und die nächste Versuchung reißt ihn wieder mit fort. Wo fehlt es da? Es muß der Felsengrund vertieft, gesprengt, aufgetragen werden. Der gute Wille ist zu stärken, zu üben. Wer mit ganzer Seele will, der kann auch; es heißt nur immer wieder anfangen und niemals nachlassen, sich Gewalt antun und beständig üben. Dazu beten; Gott gibt das Wollen und das Vollbringen des Guten.

3. Ein weiteres Hindernis gedeihlichen Wachstum sind die Dornen. Diese bedeuten die Reichtümer, Wollüste und Sorgen des Lebens. Sie ersticken das göttliche Wort, dass nichts davon reifen und Frucht bringen kann.
Der Reiche sagt: ich habe Geld, brauche niemand, aber viele brauchen mich. Wenn Gottes Wort ihm sagt, dass alles vergänglich und trügerisch ist, dass er über alles, was ihm verliehen wurde, Rechenschaft geben muß, dass er mit seinem Überfluß andern Gutes tun soll, so läßt er solche unbehagliche Wahrheiten nicht aufkommen, der Besitz und Genuß ist zu schmeichelhaft und süß. Darum das Wehe des Herrn über die Reichen und Satten.
Anderes Dornengestrüpp sind die Wollüste. Je mehr sich der Mensch ihnen hingibt, desto mehr wird er fleischlich und töricht gesinnt. Der fleischlich Gesinnte aber begreift nicht, was des Geistes Gottes ist. Der Wille wird immer mehr gelähmt, zuletzt vermag er sich gar nicht mehr emporzuraffen. Eine Jungfrau liebt zuerst die Demut und Herzensreinheit. Allein die Dornen der Eitelkeit und Vergnügungssucht wachsen allmählich. Sie sucht leichtfertige Gesellschaft, Schmeicheleien, gefährliche Vergnügungen. Immer üppiger wachsen die Dornen. Wenn noch bisweilen eine Mahnung zur Zucht und Schamhaftigkeit dazwischenfällt, so ersticken sie dieselbe. - Ebenso geht es mit den übermäßigen Sorgen um das Zeitliche, die aus Habgier oder Mißtrauen gegen Gottes Vorsehung erwachsen. Dieses ewige Kümmern und Sorgen um das Irdische erfüllt das Herz mit Furcht, Unruhe, Mühe und Arbeit wie mit einem festverwachsenen Dornengestrüpp, das alle guten Regungen niederhält, jedes gute Körnlein erstickt.

Das sind die Hindernisse des göttlichen Wortes: die festgetretene, lebhafte Landstraße, der Felsengrund mit etwas gutem Grunde darauf, das Dornengestrüpp. Frage dich selbst: Gleicht mein Herz wohl einem dieser schlechten Grundstücke, und welchem? Was war bisher der Grund, weshalb der Same des Gotteswortes keine Wurzel schlug oder keine Frucht brachte? Was habe ich zu ändern und zu beseitigen, damit solches in Zukunft geschehen könne? Auf Gärten und Felder gibt man wohl acht, damit Auslage und Arbeit daran nicht verschwendet seien: die Beschaffenheit des Herzensfeldes macht gewöhnlich wenig Sorge. Und doch hängt davon unsere Ewigkeit ab, wie wir es mit dem göttlichen Worte halten. Wohl uns, wenn unser himmlischer Herr dereinst kommt und findet, dass wir sein Wort mit gutem Herzen aufgenommen, es bewahrt und damit Frucht des ewigen Lebens gebracht haben in Geduld!

Gebet. O mein Gott! wie schäme ich mich, dass der Same deines göttlichen Wortes, den du so reichlich in mein Herz ausstreutest, bisher noch so wenig Früchte gebracht hat! Erbarme dich meiner und ändere mein Herz, damit es eine gute Erde werde, in der dein Wort wurzeln, ungehindert wachsen und Früchte des Heils bringen möge. Amen


Unterricht für den Dienstag nach dem Sonntag Sexagesima

(Fest des Gedächtnisses des Leidens Christi)

Der Eingang der heiligen Messe gedenkt der Erniedrigung und der Erhöhung unseres göttlichen Heilandes:

Der Herr Jesus Christus hat sich selbst erniedrigt bis zum Tode, ja, bis zum Tode des Kreuzes; deshalb hat ihn Gott auch erhöhet und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist (Phil 2). Die Erbarmungen des Herrn will ich in Ewigkeit besingen von Geschlecht zu Geschlecht (Ps 88).

Gebet. Allmächtiger, ewiger Gott, der du dem menschlichen Geschlechte zur Nachahmung des Bespiels der Demut unsern Erlöser Fleisch annehmen und das Kreuz auf sich nehmen ließsest, verleihe gnädig, dass, wie wir das feierliche Gedächtnis seines Leidens begehen, so auch die Lehren seiner Geduld bewahren und die Teilnahme seiner Auferstehung verdienen mögen.

Lektion aus dem Propheten Zacharias XII, 10-11 und XII, 6-7

So spricht der Herr: Ich will ausgießen über das Haus Davids und über die Einwohner Jerusalems den Geist der Gnade und des Gebetes; und sie werden schauen auf mich, den sie durchbohrt haben, und sie werden ihn beklagen, wie man den einzigen Sohn beklagt, und weinen über ihn, wie man über den Tod des Erstgeborenen zu weinen pflegt. An jenem Tage wird groß die Klage zu jerusalem sein, und man wird sprechen: Was sind das für Wunden mitten in deinen Händen? Und er wird sagen: So ward ich verwundet im Hauser derer, die mich liebten. Auf, Schwert, wider meinen Hirten und wider den Mann, der mein Wächter ist, spricht der Herr der Heerscharen. Schlage den Hirten, so werden sich die Schafe zerstreuen, spricht der Herr der Heerscharen.

Erklärung

Der Heilige Geist ward auch über uns ausgegossen in der Taufe. Da goß er uns ein die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und Liebe, die uns das bittere Leiden unseres Erlösers verehren lehren. Seine Wunden suchen wir als unsere Zufluchtsstätte, als die Quelle des kostbaren Blutes, das unsere Seele reinigt; erinnern uns dabei stets wieder, dass wir, um Christo nachzufolgen, den Kreuzweg nicht scheuen dürfen, uns selbst beständig verleugnen und unser Kreuz täglich auf uns nehmen müssen. Daher entsetze dich nicht über das Schwert, das auch dich trifft, und ängstige dich nicht über die Trübsale dieser Zeit; wer mit Christus leidet, wird mit ihm triumphieren.

Evangelium Joh XIX, 28-35

In jener Zeit, da Jesus wußte, dass alles vollbracht sei, sprach er, damit die Schrift erfüllt werde: Mich dürstet. Es stand aber ein Gefäß voll Essig da. Und sie füllten einen Schwamm mit Essig, steckten ihn auf einen Ysopstengel und brachten ihn an seinen Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und er neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf. Die Juden aber, damit die Körper nicht am Kreuze blieben, weil es der Rüsttag war, baten den Pilatus, dass ihre Gebeine gebrochen und sie abgenommen werden möchten. Da kamen die Soldaten und zerbrachen die Beine des ersten und des ander, die mit ihm gekreuzigt worden waren. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben sei, zerbrachen sie seine Beine nicht, sondern einer von den Soldaten öffnete seine Seite mit einem Speere, und sogleich kam Blut und Wasser heraus. Und der dies gesehen hat, legt Zeugnis dafür ab, und sein Zeugnis ist wahrhaftig.


Betrachtung über das Leiden Christi

Einen doppelten Zweck hat die Betrachtung des bittern Leidens im allgemeinen: sie soll uns die Größe der göttlichen Liebe lehren und die Pflicht dankbarer Gegenliebe.

1. Je höher eine Person gestellt ist, desto höher haben wir anzuschlagen, was sie für uns tut. Christus ist wahrer Gott; er kam vom Himmel entäußerte sich seiner Herrlichkeit, nahm Knechtsgestalt an und wurde im Äußern ganz wie einer unsersleichen; er erniedrigte sich bis zum Tode am Kreuze. Wäre er bloßer Mensch, so müßte schon alles, was er für uns tat und litt, mit Staunen und Bewunderung erfüllen. Nun aber ist es der majestätische Gott selbst, den ich in Angst und Traurigkeit niedergebeugt, schlimmer als einen Missetäter mißhandelt, am Kreuzesgalgen zwischen Himmel und Erde schweben sehe. Der Urheber des Lebens stirbt unter namenlosen Schmerzen. Die Natur sogar entsetzt sich darüber. - Und was bewog ihn, sich in solche Erniedrigung, so unbegreifliche Leiden hinzugeben? Er sagt es selbst durch den Mund des Propheten: Mit ewiger Liebe liebte ich dich und schrieb dich in meine Hände. Es ist eine göttliche Liebe, die ihn in Todesschmerzen und in den schmählichsten Tod selber brachte. Kein Mensch, kein Engelsverstand wird solche Liebe je begreifen, sie ist eben göttlich.
Der Größe seiner Liebe entspricht die Größe seines Leidens. Er kann mit dem Propheten sagen: O ihr alle, die ihr vorübergeht, seht, ob ein Schmerz sei gleich meinem Schmerz!" - Er leidet an allen seinen Gütern. Seine Seele leidet Angst, Trauer, die äußerste Verlassenheit. Es ist die heiligste Seele, die Wonne der Engel, das Wohlgefallen des ewigen Vater, und sie fühlt sich belastet mit den Sünden der ganzen Welt. Wir müßten ihre ganze Heiligkeit und die ganze Bosheit der Sünden begreifen können, wollten wir ihr Leiden begreifen. Die Seelennot aller heiligen Büßer, die Gewissensqualen aller Verbrecher verschwinden dagegen. Er leidet Unsägliches an allen Gliedern und Kräften seines Leibes; dieses zarten, jungfräulichen Leibes, den der Heilige Geist so wunderbar gebildet hat. Wer könnte diese Qualen sich vorstellen? Seine Augen werden gequält durch den Anblick der Henkerrotte, der giftigen, blutdürstigen Feinde, der mitleidenden Mutter und Getreuen. Es wird gepeinigt sein Gehör durch die vielen Lästerungen und den giftigen Spott, sein Geschmack durch Galle und Essig, womit er seinen quälenden Durst löschen soll, sein Geruch durch die Verbrechergebeine der Schädelstätte. Je zarter, empfindlicher seine Leibesbeschaffenheit, desto grimmiger die Schmerzen seiner Wunden an Haupt, Schultern, Knien, Händen und Füßen, ja, am ganzen Leib, an dem keine gesunde Stelle zu finden ist. - Er leidet an sämtlichen übrigen Gütern. An seiner Ehre; einem Mörder nachgesetzt, wird er verschmäht und verhöhnt wie ein Auswurf der Menschheit. An seiner Habe;wenn auch ärmer als die Tiere des Feldes, hat er doch Kleider und ein Gewand; auch diese werden ihm entrissen und vor seinen Augen verteilt. Alle Arten von Menschen bereiten ihm Leiden: Vornehme und Geringe, Juden und Heiden, Feinde und Freunde. Welche Marter, so von allen bitter gekränkt und boshaft mißhandelt oder feige und treulos verlassen zu sein! Verlassen sieht er sich selbst vom himmlischen Vater. Sonst wird das Schwerste durch inneren Trost versüßt. Besonders ist ein guten Gewissen, der Gedanke, dass Gott uns liebt und unsern Kämpfen zuschaut, eine Quelle reichen Trostes. Jesus verzichtete auch hierauf; er will selbst die Qualen des Sünders durchkosten, der von Gott verlassen und verstoßen ist.
Es ist ein freiwilliges Opfer für meine und der ganzen Welt Sünden, das der Herr in seinen Leiden darbringt. "Er wird geopfert, weil er selbst wollte" (Is 53). Sein menschlicher Wille unterwarf sich dem göttlichen Willen in Gehorsam, zugleich aber in freier Liebe. Siehe, sprach er zu den Seinigen, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird hier alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben worden ist (Luk 18). Er hatte Macht, sein Leben hinzugeben und wiederzunehmen. Auf dem göttlichen Opferlamm ruhen meine und der ganzen Welt Sünden. "In Wahrheit, er trägt unser Leiden, unsere Schmerzen hat er auf sich genommen; durchbohrt ist er um unserer Sünden willen, zerschlagen wegen unserer Missetat; unsere Strafe liegt auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt" (Is 52). "Siehe, statt des Gottlosen wird die Heiligkeit gegeißelt, statt des Toren wird die Weisheit verhöhnt, statt des Lügners wird die Wahrhaftigkeit getötet, die Gerechtigkeit wird verurteilt statt des Ungerechten, die Barmherzigkeit wird mißhandelt statt des Grausamen; statt des elenden Sünders wird der lauteren Unbescholtenheit der Essig dargereicht; er, der die Süßigkeit selbst ist, wird mit bitterer Galle getränkt, die Unschuld wird statt des Schuldigen der Strafe überliefert, statt des geistig Gestorbenen stirbt das Leben selbst" (St. Augustinus).

2. Das Myrrhenbüschlein des bitteren Leidens sollen wir immerdar am Herzen tragen, mahnen die kirchlichen Tagzeiten. Ob wir wahrhaft Christen sind, hängt von unserer Liebe zu Jesus ab; diese aber hängt wieder von der Erkenntnis seiner Liebe ab, wie sich sich besonders im bitteren Leiden offenbart. Also recht viel daran denken! Erinnerungen daran sind jedes Kreuzzeichen, das ich mache, jedes Kruzifix, das ich erblicke, jedes Meßopfer, dem ich beiwohne, jeder Freitag und so viele andere Gelegenheiten. Schändlicher Undank wäre es, wenn ich sie gar nicht beachten wollte. Allein nicht mit einer oberflächlichen Erinnerung darf ich mich begnügen; ich muß dabei auch die Gefühle der Dankbarkeit und Verehrung erwecken, sie manchmal mit einem Liebesseufzer aussprechen und dabei betrachtend verweilen. Der Prophet sagt: In der Betrachtung entbrannte mein Herz. Im bitteren Leiden aber sind alle großen christlichen Wahrheiten eingeschlossen.
Das Leiden Christi beherzigen ist nicht schwer. Dazu leitet an, wie gesagt, die heilige Messe, die unblutige Erneuerung des Kreuzestodes; die Andacht des schmerzhaften Rosenkranzes, des Kreuzweges. Man hat nur den Heiland in Gedanken auf den einzelnen Stationen zu begleiten und sich zu fragen: wer ist es, der da leidet, was leidet er an Leib und Seele, von verschieden Menschen, für wen, und endlich, mit welcher Trostlosigkeit und doch mit welcher Geduld und Sanftmut, mit welcher überwinden Liebe leidet er?
Die Anwendung, gelichsam die Frucht solcher Betrachtung, gibt der hl. Augustinus mit den Worten: Agnosce homo, quantum valeas et quantum debeas - erkenne, o Mensch, wie viel du wert bist, und wie viel du schuldig bist! Was muß deine Seele wert sein, um die Gottes Sohn sich solchen Leiden unterzog, die er so teuer erkaufte! Welch schmählicher Undank, wenn du diese edle Seele wieder um ein Linsengericht an den Teufel verkaufst und durch schwere Sünden Christi Blut mit Füßen trittst, wenn du seine Wunden gleichsam wieder aufreißest, ihn aufs neue kreuzigest und zum Gespötte hast! Blicke im Augenblicke der Versuchung auf zum Kreuze und hin zum Schmerzensmanne, das wird dich schrecken und stärken. Die Betrachtung des bitteren Leidens fordert eindringlich zur Nachahmung auf. Das ist nicht nur ein Opferaltar, sondern zugleich eine Kanzel. Jeder Umstand dabei verkündet eine besondere Lehre. Wenn Jesus sich gefangennehmen läßt, um mich von den Banden Satans zu befreien, wie kann ich mich aufs neue in des Satans Gewalt begeben? Wenn Jeus um meiner Sünden willen vor Angst Blut schwitzt, wie kann ich mich in der Sünde einer falschen Ruhe, einer gottlosen Gleichgültigkeit überlassen? Wenn Jesu sein heiligstes, jungfräuliches Fleisch geißeln und sein Haupt mit Dornen krönen läßt, wie kann ich mich an Bildern der Wollust erfreuen? Wenn Jesus nackt ans Kreuz geschlagen und seiner letzten Habe beraubt wird, wie kann ich mit ganzer Seele an meinen Besitztümern hängen? Wenn Jesus seine Hände und Füße ans Kreuz nageln läßt, wie können meine Füße die Wege des Verderbens wandeln, meine Hände die Werke der Sünde und Bosheit verrichten? Wenn Jesus wegen der Unmäßigkeitssünde sich mit Galle und Essig tränken läßt, wie kann ich den Baum zum Abgotte machen? Wenn Jesus mit ausgespannten Armen am Kreuze hängt, in Liebe gleichsam die Welt umspannend, wie darf ich meine Hände fremder Not engherzig verschließen? Wenn Jesus für seine boshaften Feinde am Kreuze, sie entschuldigend, betet, wie darf ich sagen: meine Feinde sind zu boshaft, sie habens´s mir zu arg gemacht? Wenn Jesus die schwersten Leiden mit solch standhafter Geduld erträgt, ohne zu murren und zu klagen, wie darf ich in meinen geringen Prüfungen kleinmütig verzagen und ungeduldig murren, zumal da ich verschuldet habe, was ich leide? Jesus sehnte sich nach dem Kreuz, und ich wollte ein weichliches Glied an seinem gemarterten Leibe, leidensscheu und nicht wenigstens willig sein, dasjenige in Ergebung zu tragen, was er mir aus Liebe zum Heile meiner Seele auflegt? Wie könnte ich sagen, ich liebe ihn, ich verehre sein Leiden, wenn ich es gar nicht nachahmen will! Die innige, öftere Betrachtung seines Leidens soll mir verhelfen zur Bußfertigkeit, zum Hasse gegen die Sünde, zur Liebe und Geduld. Wenn ich so teilnehme am Leiden Christi, werde ich auch Anteil haben an seiner Glorie.

Gebet. O mein Heliand, der du durch dein Leiden und Sterben mich und die ganze Menschheit erlöset hast, ich bete dich an, ich danke dir von ganzem Herzen und bitte dich, lasse mich teilnehmen an deinen Leiden, damit ich würdig werde, dereinst teilzunehmen an deinem Triumphe. Amen.


Unterricht für den Sonntag Quinquagesima

Der Eingang der heiligen Messe ist ein Seufzer eines bedrängten und auf Gott vertrauenden Menschen:

Sei mir ein beschirmender Gott und ein Haus der Zuflucht, dass du mir helfest! Denn meine Stärke und Zuflucht bist du; und um deines Namens willen wirst du mich führen und ernähren. - Auf dich, Herr! hoffe ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden; nach deiner Gerechtigkeit erlöse mich! (Psalm 30, 2-4). Ehre sei dem Vater usw.

Gebet der Kirche. O Herr! erhöre gnädig unser Gebet; und nachdem du uns von den Banden unserer Sünden befreit hast, beschütze uns auch vor aller Widerwärtigkeit, durch unsern Herrn Jesum Christum usw.

Lektion aus dem ersten Briefe an die Korinther XIII,1-13

Brüder! wenn ich die Sprachen der Menschen und Engel redete, aber die Liebe nicht hätte, so wäre ich wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich die Gabe der Weissagung hätte und wüßte alle Geheimnisse und besäße alle Wissenschaft, und wenn ich alle Glaubenskraft hätte, so dass ich Berge versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Güter zur Speisung der Armen austeilte, und wenn ich meinen Leib zum Verbrennen hingäbe, hätte aber die Liebe nicht, so nützte es mir nichts. Die Liebe ist geduldig, ist gütig; die Liebe beneidet nicht, sie handelt nicht unbescheiden, sie ist nicht aufgeblasen, sie ist nicht ehrgeizig, ist nicht selbstsüchtig, sie läßt sich nicht erbittern, sie denkt nichts Arges, erfreut sich nicht der Ungerechtigkeit, hat aber Freude an der Wahrheit; sie erträgt alle, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört nie auf, wenn auch die Weissagungen aufhören, wenn die Sprachengaben ein Ende nehmen und die Wissenschaft vergeht. Denn Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk unser Weissagen. Wenn aber das Vollkommene kommt, dann wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, hatte Einsicht wie ein Kind, dachte wie ein Kind; als ich aber Mann war, legte ich, was kindisch war, ab. Jetzt sehen wir durch einen Spiegel rätselhaft; alsdann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt bin. Jetzt aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber das größte unter diesen ist die Liebe.

Erklärung

Der Glaube ohne die Liebe ist wie ein Leib ohne Seele. Wie kann also der Glaube allein selig machen? Auf innerliches Christentum dringt darum die Kirche. Sie warnt vor äußerlichem Scheinchristentum; mit einem geistlosen Formelwesen und rein äußerer Werkheiligkeit ist sie keineswegs zufrieden, wie die Gegner ihr so oft vorwerfen. An ihr liegt es nicht, wenn das innerliche Christentum ihr viel zu wünschen übrig läßt. Die Schuld liegt an denen, die ihre Wirksamkeit hindern, sowie an der Schwäche der menschlichen Natur, der es so schwer fällt, die angeborene Selbstsucht zu überwinden. Solche, die sich als eifrige Katholiken gebärden, sich dabei aber im Grunde von Eitelkeit und Selbstsucht leiten lassen, haben der Sache der Religion schon unberechenbaren Schaden zugefügt. Wohl dürfen wir Gutes tun um des Lohnes willen. Aber der Gottessohn, der für jedes gute Werk verheißen ist, soll uns antreiben, dass wir den Eigennutz überwinden und durch eifrige Übung guter Werke die liebevolle Gesinnung gegen Gott und seine Menschenkinder nähren.

Die rechte Nächstenliebe ist die sicherste Probe der Gottesliebe. Deshalb gibt der Apostel ihre Kennzeichen an. Sie ist geduldig, erträgt die Gebrechen des Nächsten; gütig, jedem ohne Ausnahme wohlgesinnt; beneidet nicht, sondern sieht fremdes Glück als eigenes an; sie ist nicht unbescheiden oder gar aufgeblasen, da Anmaßung andere kränkt; nicht ehrgeizig, was ja Selbstvergötterung wäre; läßt sich nicht erbittern wie der Selbstsüchtige, der in seinem eigensüchtigen Streben überall Widerstand findet. Dass die Liebe nichts Arges denkt, hat einen doppelten Grund. Ein wohlwollendes Gemüt mag nicht gern Schlimmes von anderen denken ohne triftigen Grund. Dann duldet es keine arge, rachsüchtige Gedanken. Sie ist auch nicht parteiisch wie der Selbstling, der sich nur da über den Sieg der Wahrheit und Gerechtigkeit freut, wo er ihm Vorteil bringt. Mag sie auch noch so trübe Erfahrungen machen, sie verliert doch nie das Vertrauen auf den Sieg des Wahren und Guten, läßt daher nie den Mut sinken, sondern glaubt, hofft, duldet alles.

Die Liebe ist das vorzüglichste Gnadengeschenk Gottes. Alles, was er uns sonst noch verleihen mag, wird uns früher oder später wieder genommen, nur die Liebe kann uns nie genommen werden, so lange wir selbst nicht wollen. Alles andere ist hienieden unvollkommen, nur die Liebe kann schon vollkommen sein. Die höchsten Gaben und Tugenden außer ihr sind Glaube und Hoffnung. Unsere Glaubensbegriffe vom Göttlichen sind jedoch unbestimmt, unklar; was wir davon sagen, ist wie das Stammeln eines Kindes. Im Jenseits soll der Glaube übergehen in das Schauen, die Hoffnung in Besitz; die Liebe aber wird sich da mächtig entzünden am höchsten Gut, das die Liebe selbst ist.

Wir beten so oft: der in uns die Liebe entzünden wolle. Möge es uns damit aber auch ernst sein. Die Liebe ist das größte Gebot, die Erfüllung aller andern Gebote; sie ist die größte Tugend, die Seele aller andern Tugenden. Der Geist Gottes hat sie uns schon bei der Taufe eingegossen, seine Gnade muß uns immerfort helfen, dass wir durch tägliche Übung sie groß und stark werden lassen, um alles, was ihr zuwider ist, zu überwinden.

Gebet. O Gott der Liebe: gieße in mein Herz den Geist deiner göttlichen Liebe, damit ich immer in deiner Gnade wandle, und damit alle meine Werke dir wohlgefällig und mir verdienstlich werden!

Evangelium Lukas XVIII, 31-43

In derselben Zeit nahm Jesus die Zwölf zu sich und sprach zu ihnen: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben worden ist. Denn er wird den Heiden überliefert, mißhandelt, gegeißelt und angespien werden; und nachdem sie ihn werden gegeißelt haben, werden sie ihn töten, und am dritten Tage wird er wieder auferstehen. Sie aber verstanden nicht von diesen Dingen; es war diese Rede vor ihnen verborgen, und sie begriffen nicht, was damit gesagt ward. Und es geschah, als er sich Jericho näherte, saß ein Blinder an dem Wege und bettelte. Und da er das Volk vorbeiziehen hörte, fragte er, was da wäre? Sie aber sagten ihm, dass Jesus von Nazareth vorbeikomme. Da rief er und sprach: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und die vorangingen, fuhren ihn an, dass er schweigen sollte. Er aber schrie noch viel mehr: Sohn Davids! erbarme dich meiner! Da blieb Jesus stehen und befahl, ihn zu sich zu führen. Und als er sich genähert hatte, fragte er ihn und sprach: Was willst du, dass ich dir tun soll? Er aber sprach: Herr, dass ich sehend werde! Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend, dein Glaube hat dir geholfen! Und sogleich ward er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.

Warum hat Christus sein Leiden so oft vorhergesagt?

1. Damit er zeigte, wie inbrünstig er für uns zu leiden verlangte; 
2. damit die Jünger, wenn sie sehen würden, dass er gleicheinem Übeltäter behandelt und gekreuzigt würde, nichts Arges von ihm dächten und etwa zum Zweifel an seiner Gottheit und an der Wahrheit seiner Lehre, oder gar zum Abfall verleitet würden; sondern sich erinnerten, dass er ihnen alles umständlich vorhergesagt habe, dass es folglich nach seinem eigenen Willen geschehe und sie auf seine Auferstehung sicher hoffen dürften.

Verstanden denn die Jünger gar nicht, was er ihnen von seinen Leiden vorhergesagt hat?

Sie mögen zwar wohl verstanden haben, dass er leiden würde; es wollte ihn ja der hl. Petrus davon abhalten (Matth 16,22); allein sie hingen noch fest an dem jüdischen Vorurteile von einem irdischen Reiche des Messias, und begriffen nicht, warum er leiden, oder wie er wieder auferstehen würde; alles dieses wurde ihnen erst, nachdem es geschehn war, durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes begreiflich (Joh 14.26), ohne welche man die noch so klar vorgetragene Glaubenswahrheiten niemals begreift und die gefaßten Vorurteile nicht ablegt.

Warum nennt sich Christus hier und sonst so oft den Menschensohn?

Dieser Ausdruck erinnert an folgende Prophezeiung Daniels (7,13-14): "Es kam einer in den Wolken des Himmels wie ein Menschensohn und kam bis zu dem Alten der Tage und ward vor sein Angesicht gebracht. Und der gab ihm Gewalt und Ehre und das Reich, dass alle Völker, Geschlechter und Zungen ihm dienten. Seine Gewalt ist eine ewige Gewalt, die nicht genommen, und sein Reich ein Reich, das nicht zerstört wird." - Diese Bezeichnung deutet also zugleich seine Erniedrigung und seine Erhöhung an.

Warum nennt der Blinde Christum einen Sohn Davids?

Weil er an ihn als den Messias glaubte, der den Juden aus dem Stamme Davids war versprochen worden (Psalm 131,11).

Warum frage Christus den Blinden: "Was willst du, dass ich dir tun soll?"

Dies tat er nicht, als wäre ihm unbekannt, was der Blinde verlangte, sondern 1. um dessen Glauben und Vertrauen auf seine Macht und Güte zu beleben und zu stärken; und
2. um uns zu lehren, wie sehr er wünsche, uns Gutes zu tun, und wie angenehm es ihm sei, wenn wir ihm unsere Nöten vertraulich vortragen.

Von diesem Blinden, der sich von den Vorübergehenden in seinem anhaltenden Bitten nicht stören ließ, sollen wir lernen, dass wir in dem angefangenen Guten und im Gebete fortfahren, und uns weder durch die bösen Beispiele, noch durch die Verachtung und Spöttereien der Weltmenschen darin irremachen lassen. Ferner, dass wir Gott danken und ihm getreu dienen sollen, wenn er uns einmal die Augen der Seele geöffnet und von der geistlichen Blindheit, in die uns die Sünde stürzte, durch seine Gnade befreit hat; denn nicht ist schädlicher, als wenn man Gott, sich selbst, und das, was zu unserm Heile oder Schaden ist, sowie auch die Strafen der Sünden nicht erkennt.

Warum wird dieses Evangelium am heutigen Sonntage gelesen?

Die katholische Kirche will uns dadurch an das schmerzlichen Leiden und Sterben Christi erinnern und von den heidnischen und ärgerlichen Lustbarkeiten abhalten, die in diesen Tagen allenthalben stattfinden. Allein viele Christen sind hierin weit ungelehriger als die Jünger Christi, und blinder als der Blinde im Evangelium, indem sie von allem dem , was ihnen die Kirche von dem schmerzlichen Leiden ihres Bräutigams sagt, nichts verstehen, von ihm keine Erleuchtung annehmen und noch weniger ihm zuliebe ihr Fleisch kreuzigen wollen. Ach, wie viele Blinde führen einander in diesen Tagen, wie viele blinde Eltern helfen zur Verblendung ihrer Kinder! Wie viele, die sich Christen nennen, bringen nach altem heidnischem Gebrauche diese Tage in aller Ausgelassenheit, Schwelgerei und Unzucht hin! Sind dies aber wohl Christen? Muß ein solches Betragen nicht den Fluch und die Strafe Gottes bringen? "Die entsetzlichen Torheiten bei euren Unterhaltungen und Faschingslustbarkeiten (sprach einst der hl. Karl Borromäus zu Volke in Mailand) trugen nicht wenig dazu bei, dass Gott die Pestgeißel über uns schwang, und wenn ihr diese und ähnliche, frommen Christen nicht geziemende Dinge nicht unterlasen werdet, wo ist zu befürchten, dass uns der Herr noch weit mehr strafe. - Verbannt seien von nun an auf immer jene Masken, durch die, wie es scheint, einige nicht nur eine andere Gestalt annehmen, sondern auch das Bild Gottes, das unserer Seele eingeprägt ist, verwischen wollen; ja, einige gehen in ihrer wilden Torheit so weit, dass sie sich in Tiere umgestalten. Verflucht und verwünscht seien die Masken, die verabscheuungswerten Masken, unter denen man sich allerlei unanständige Reden und Gebärden erlaubt. Die gottlosen Masken! sie streiten gegen die Ehrbarkeit; sie sind Feinde der Tugend und bringen den Christen um seine Wachsamkeit, die er für seine Seele innerlich und äußerlich tragen soll. - Ferne seien jene abscheulichen und gefährlichen Bälle und Tanzunterhaltungen, die der Reinheit der christlichen Sitten so sehr zuwiderlaufen, die Sonntage entheiligen und die Ursachen so vieler Zänkerein, so vielen Hasses, so vieler Beleidigungen und wahre Pflanzschulen der Unkeuschheit sind!" So dachte und urteilte der hl. Karl Borromäus.
Laß dich, o Christ, durch seine Worte bestimmen, in den Tagen des Faschings ja nicht an den Werken der Finsternis Anteil zu nehmen. Bringe diese Tage vielmehr in aller Gottesfurcht zu, und laß dich von den bösen Grundsätzen und Beispielen der Welt nicht verführen! Um aber dem christlichen Volke besondere Gelegenheit zur Andacht zu gewähren, findet in vielen Kirchen während dieser Tage das sogenannte Vierzigstündige Gebet statt, und wird den Gläubigen Gelegenheit geboten, die heiligen Sakramente der Buße und des Altares zu empfangen. Papst Klemes XIII: hat diese Andacht durch Verleihung eines vollkommenen Ablasses besonders ausgezeichnet.


Betrachtung über die Geißelung

1. Der heidnische Landpfleger Pilatus ließ dem aufgehetzten Volke die Wahl zwischen Jesus und Barabbas. Das Volk schrie: Gib uns den Barabbas los. Dieser Mörder wurde so ein Vorbild für uns. Das unschuldige Gotteslamm ging in den Tod, damit wir todeswürdige Verbrecher erlöset würden. - Den offenbar Schuldlosen wollte Pilatus doch nicht der Volkswut opfern; andererseits auch den Juden nicht entgegen sein. Er suchte einen anderen Ausweg; um ihren Blutdurst zu stillen, sprach er: So will ich ihn denn züchtigen lassen und dann freigeben.
Die Geißelung war eine der härtesten Strafen, welche die grausamen Heiden erfunden hatten für die größten Verbrecher. Ein römischer Bürger durfte nicht gegeißelt werden; nur Sklaven, die man für wenig besser als Tiere achtete, wurden wohl hierzu verurteilt. Jesus, Gottes Sohn, der kam, um uns frei zu machen, wird wie ein Sklave behandelt. Es ist ja kein römischer Bürger, und sein Volk hat ihn verworfen, er findet nirgends Schutz und Recht. Zur bloßen Belustigung eines blutgierigen Pöbels muß er die Strafe entlaufener Sklaven leiden.

2. Kaum haben die Schergen den Befehl vernommen, so ziehen sie dem Herrn die Kleider aus, um das furchtbare Werk zu beginnen. So zogen die Brüder dem ägyptischen Joseph den bunten Rock aus, das war der Anfang ihres Verbrechens. Wie groß mußte der Schmerz des Herrn sein, als ihm seine Kleider ausgezogen wurden, und er nackt und bloß vor jener wilden Schar stand. Welche Beschämung für den Sohn Gottes, welcher der Urquell aller Heiligkeit, die unbefleckte Lilie der Reinheit, der reinste, ungetrübte Spiegel der Schamhaftigkeit, so vor jener Rotte stehen zu müssen, die weder Scham noch Mitleid kannte und ihren grausamen Spott mit ihm trieb.

Diese Entblößung des Herrn enthält ein tiefes Geheimnis der Weisheit, Erbarmung und Liebe des Herrn zu uns Sündern. Denn unsertwegen ließ er es geschehen. Wohl hätte er die schamlose Rotte mit Blindheit schlagen können, wie er es den Sodomitern machte, welche die Gäste des Lot mißhandeln wollten. Aber unser Herr mußte diese Beschämung leiden, weil unsere Stammeltern das Kleid der Gnade verloren hatten durch die Sünde;  er mußte dieses leiden, weil von so vielen Christen die Worte der Schrift gelten: Du sprichst, ich bin reich und bedarf nicht; aber siehe, du weißt nicht, dass du (in Gottes und seiner Engel Augen) elend und nackt bist - das hochzeitliche Kleid der Gnade verloren hast; er mußte dieses leiden, weil er ja jene abscheulichen Sünden der Finsternis, die Sünden der Schamlosigkeit sühnen wollte, in welchen so viele Christen das Kleid der Unschuld verlieren. Also unser Herr schämte sich unsertwegen; er bedeckte sich bald mit einem Purpurkleide, da sein heiliges Blut den Körper überströmte. Können wir nicht mehr mit dem Kleide der Unschuld vor seinem Angesichte erscheinen, dann ist es nötig, dass wir uns bedecken mit einem anderen, dem Trauerkleide der Buße. Und dies müssen wir anlegen mit vollem Ernste und Beharrlichkeit, während der Fastenzeit vor allem.

3. Nun wird der Herr gebunden. Nach einer Sage liefen die Juden herbei und reichten Stricke dazu her, mit denen er kurz vorher die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel getrieben hatte. Damit fesselte man seine Hände an einen Ring an der niedrigen Geißelsäule. Wie Abraham seinen Sohn auf den Opferaltar band, so wurde auch Christus nicht sowohl von den Schergen gebunden, als von seinem himmlischen Vater. Gott hat seinen Sohn gebunden (sagt Rupertus) nicht durch Schwäche und Ohnmacht, sondern durch das Band der Liebe und des Gehorsams, damit er den Leidenskelch nicht von sich weise. Er, der rechte, starke Samson, hätte mit einer Bewegung seiner Hand alle Stricke zerreißen können.

4. Der Herr hat mit seinen Armen voll Inbrunst die Säule umfaßt, ehe er darangebunden wurde, und im Herzen dann die Worte des Propheten wiederholt: O Gott, ich bin zu den Geißeln bereit. - Ich habe mich zum Bürgen gestellt für meine Brüder, die Menschen; vollstrecke deine Gerechtigkeit an mir.

Die Henkersknechte rüsten sich und stellen sich auf. Es waren nach Hieronymus sechs, die paarweise sich ablösen sollten. Die beiden ersten führten starke Stöcke. Sie schwingen voll grausamer Wut die Stäbe, fügen Schlag auf Schlag; es zieht sich Schwiele auf Schwiele, Striemen an Striemen und Wunde an Wunde. Bald sind Schultern und Rücken und Arme damit ganz bedeckt. Der Sohn Gottes leidet und schweigt und betet zum himmlischen Vater: Erbarme dich nicht über mich, sondern über die Sünder, die durch ihre träge Ruhe, durch ihre Weichlichkeit, durch ihre sündhafte Pflege des Fleisches deine strenge Strafe herausgefordert haben; du sagtest ja in der Pophezeiung von mir: Wegen der Sünden meines Volkes schlug ich ihn. - Die Henker werden müde, nicht aber das Lamm Gottes, er hat noch für andere zu büßen. Es treten zwei andere heran; sie tragen starke Ruten voll spitzer Dornen. Sie beginnen ihr blutiges Werk. Sie verwandeln die Striemen in ebensoviele Wunden; das heilige Blut strömt, benetzt ihre Flieder, rieselt am ganzen Leibe des Erlösers herab; es netzt und färbt den Boden. Voll des rasendsten Schmerzes krümmt der Herr sich unter den Streichen: "Ich bin ein Wurm und kein Mensch", spricht er mit dem Propheten; aber noch mehr, o Vater, züchtige mich, nur schone die Sünder, die ihren Leib mißbrauen zu schändlicher Sündelust. Die Greuel der Unzucht will ich büßen; darum ist es noch nicht genug, verdoppele meine Pein.

Es naht das dritte Paar. Sie tragen harte, kantige Riemen, die mit schaften, eisernen Haken versehen sind. Das grausamste Marterwerkzeug, das sich denken läßt. Jeder Schlag ist eine tiefe Wunde; von kräftigen Fäusten geschwungen, schneiden sie tief in das Fleisch ein, reißen den heiligen Leib auf, der ganze Körper ist eine Wunde, keine gesunde Stelle mehr an ihm. Der Herr liegt da im Purpurmantel seines Blutes ganz eingehüllt, das Fleisch ist so zerrissen, dass die Gebeine offen liegen: "Sie haben alle meine Gebeine gezählt." "Weil er uns liebte, so hat er wahrhaft unsere Schmerzen in solcher Weise getragen, dass wir ihn für einen Aussätzigen halten, für einen, den Gott geschlagen und gedemütigt hat. Er ist um unserer Missetaten willen verwundet, die Geißel unsers Frieden liegt auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt" (1Petr 2).

"Siehe", ruft St. Chysostomus aus, "wie dein Herr und Gott, dein Erretter und Erlöser geschlagen wird, siehe, wie seine Wunden klaffen, wie seine Gebeine offen liegen, sein Blut die Erde rötet, wie er zuckt und jammert unter der gewaltigen Pein; lies in den Wunden seine unendliche Barmherzigkeit, die er gegen dich elenden Sünder trägt, siehe und lies in seinem Blute, das die Erde rötet, die barbarische Grausamkeit der Sünde, für die es vergossen wird; siehe und lies in dem süßesten Herzen deines leidenden Erlösers die ganze Glut seiner Liebe, in der er die Unglücklichen umfaßt und ihre Schmerzen trägt an seinem Leibe!" O, wie gut läßt sich herzliche Reue erwecken über die Sünde der Fleischeslust, wenn man hinschaut auf das zerrissene, blutende Gotteslamm an der Geißelsäule; wie drängt sich da der Vorsatz auf: Nein, du darfst und sollst hinfort kein weichliches Glied an dem gemarterten Leibe deines Erlösers sein!

Gebet. O gütigster Jesu! der du ein so großes Verlangen für uns zu leiden hattest: verleihe uns die Gnade, dass auch wir gerne leiden, die Wollüste hassen, uns selbst verleugnen und dich immer eifriger lieben!


Mit dem nächsten Mittwoch beginnt die heilige Fastenzeit. Die Kirche streut uns an diesem Tage Asche auf das Haupt, die von geweihten Palmen gebrannt und noch besonders geweiht ist - oder vielmehr sie bezeichnet die Stirn mit einem Aschenkreuz, wobei der Priester spricht: "Gedenke, o Mensch, dass du Staub bist und wieder Staub werden wirst." Dieses geschieht, um uns eindringlich zur Buße zu ermahnen. Die Asche war stets ein Zeichen der Buße bei den Juden und selbst bei den Heiden; die Niniviten bestreuten z.B. auf die Bußpredigt des Jonas ihre Häupter mit Asche. Von den Palmen des Palmsonntags wird die Asche gebrannt, um zu erinnern an die Vergänglichkeit aller irdischen Freude und Herrlichkeit. - In den ersten Jahrhunderten wurden die öffentlichen Büßer mit Asche bezeichnet, wenn sie von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen wurden. Der hl. Isidor schreibt: "Die Büßer werden mit Asche bestreut, damit sie eingedenk seien, dass sie Staub und Asche, und weil sie Staub, gottlos geworden sind. Auch erinnert die Asche an das Todesurteil, dem wir durch die Sünde verfallen." Darauf wurden sie aus der Kirche verwiesen, "wie Adam aus dem Paradiese vertrieben wurde." Der Bischof ermahnte sie aber, nicht an der Gnade Gottes zu verzweifeln, sondern sich durch Fasten, Gebet, Wallfahrte, Almosen und andere gute Werke würdig zu machen, am Gründonnerstage wieder in die Kirche aufgenommen zu werden. - Im 11. Jahrhundert wurde dieser Gebrauch für alle Gläubigen vorgeschrieben. - Wir sollen die Asche empfangen in der Meinung, Gott möge die Absichten erfüllen, worin sie gesegnet wurde, besonders uns ein demütiges und bußfertiges Herz verleihen.


Unterricht für den Freitag nach dem Aschermittwoch (Fest der Dornenkrone Christi)

Zum Eingang der heiligen Messe gebraucht die Kirche die Worte des Hohenliedes (3), die zunächst von Salomons Herrlichkeit reden, aber prophetischen Bezug auf den Heiland haben:

Gehet heraus, ihr Töchter Sions, und schauet den König Salomon in der Krone, womit ihn seine Mutter gekrönt hat, da sie ihrem Heilande das Kreuz bereitete.

Gebet. Verleihe uns, wir bitten dich, allmächtiger Gott, dass wie wir im Gedächtnisse des Leidens unsers Herrn Jesu Christi seine Dornenkrone auf Erden verehren, so auch von ihm im Himmel mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt zu werden verdienen mögen. Der mit dir lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Lektion aus dem Hohenliede III,4

Um das Ruhebett Salomons stehen sechzig Starke von den Stärksten Israels. Alle haben Schwerter und sind der Kriege sehr kundig, ein jeder hat sein Schwert an seiner Hüfte um der nächtlichen Schrecken willen. Eine Sänfte machte sich der König aus dem Holze vom Libanon: ihre Säule machte er von Silber, die Lehne von Gold, den Antritt von Purpur, das Innere belegte er mit der Liebe um der Töchter Jerusalems willen. Gehet heraus, ihr Töchter Sions, und schauet den König Salomon mit der Krone, womit ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage der Vermählung und am Tage der Freude seines Herzens. Wie schön bist du, meine Freundin, wie schön bist du! Deine Augen sind Taubenaugen, ohne das, was inwendig verborgen ist. Komm vom Libanon, meine Braut, komm vom Libanon, du wirst gekrönt werden.

Erklärung

Gegenüber der Erniedrigung der Schmach der Dornenkrönung zeigt uns die Kirche in diesem prophetischen Bilde den Herrn in seiner himmlischen Herrlichkeit, die er sich durch seine freiwillige Selbsterniedrigung verdient hat; sie will uns damit ermuntern, dem Herrn auf seinem Leidenswege zu folgen, damit auch unsere Seele, die seine Braut in Liebe und Treue sein soll, mit ihm die himmlische Krönung verdiene.

Evangelium Johannes XIX, 1-5

In derselben Zeit ließ Pilatus Jesus nehmen und geißeln. Und die Soldaten flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt, legtem ihm einen Purpurmantel um und traten zu ihm und sprachen: Sei gegrüßt, König der Juden! Und sie gaben ihm Backenstreiche. Da ging Pilatus wieder hinaus und sprach: Seht, ich führe ihn hinaus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde. Jesus also ging hinaus und trug die Dornenkrone und den Purpurmantel.


Betrachtung über die Dornenkrönung

1. Nach der Geißelung wird der Herr losgebunden, die Kleider werden ihm wieder übergeworfen, und er muß sehen, wohin er seinen todkranken Leib betten mag. Da nun die verordnete Strafe vollzogen war, will die Rotte ihn zur eigenen Belustigung mißhandeln. Kannst du dich darüber wundern, dass der gemeinste Pöbel mit anfangen zu können glaubt, was er will, wenn du bedenkst, dass auch von keiner Seite der Herr weder Gerechtigkeit findet, noch Mitleid, das doch dem ärgsten Verbrecher nicht fehlt? - Er wollte ein König sein, hatten die Schergen sagen hören; und nun kommen sie auf den Einfall, ihn als Spottkönig zu verhöhnen. Einige sind schon hingelaufen, eine Krone zu holen. Aus starken und spitzen Dornen ist sie geflochten. Lärmend bringt die Rotte sie herbei, zerrt den Herrn zu einem Steine nieder und drückt ihm den Dornenkranz auf sein heiliges Haupt. Ihre mit Handschuhen bedeckten Fäuste drücken das grausame Geflecht tief hinein, mit starken Stücken schlagen sie darauf, dass mit aller Gewalt das Haupt in diesen fürchterlichen Kranz gepreßt wird. Eine unerträgliche Pein, zunächst wegen der langen, spitzen Dornen, die das Haupt, Schädel und Schläfen bis zum Gehirn durchbohren; dann wegen des äußerst peinvollen Zusammenpressens des Hauptes. St. Bonaventura sagt, dass durch die große Gewalt, mit der die Krone auf sein Haupt gepreßt wurde, alle Nerven, Arterien und Adern verletzt und zerrissen wurden, so dass aus Ohren, Nase und Augen eine große Menge Blutes entströmte; und es strömte aus seinen Augen, damit er für unsere Sünden blutige Tränen vergieße!

2. Zu dem Schmerze fügen die Schergen den Spott, und dieser traf seine zarte Seele noch grausamer, als die Dornen den Leib. Zuerst wird aus einem Winkel der Henkerskammer ein roter, zerrissener Soldatenmantel hervorgesucht; und nachdem ihm seine Kleider, die mittlerweile in den Wunden festgeklebt waren, wieder heruntergerissen, wirft man ihm den Spottmantel um die Schultern. Zur Vervollständigung sucht man ein Zepter, wie es Könige bei feierlichen Anlässen als Abzeichen ihrer Würde tragen; ein Moosrohr aus einem nahen Sumpfe muß dazu dienen; es wir ihm in die gefesselten Hände gedrückt. Und nun sucht die elende Rotte sich zu überbieten in Schmach und grausamen Spott, den sie ihm antun. Einige beugen höhnisch die Knie und sprechen: Sei gegrüßt, König; andere verbinden ihm die Augen mit einem Lappen, schlagen ihm ins Angesicht und fragen: Prophezeie, wer hat dich geschlagen? Dann schlagen sie ihn wieder auf die Krone, speien ihm ins Angesicht und besudeln mit ihrem eklen Auswurf dieses edle Antlitz, in das die Engel zu schauen gelüstet. Auch sonst treiben sie jeden erdenklichen Mutwillen mit dem Herrn. Endlich wird er wieder zu Pilatus geführt. Diesen Heiden ergreift Entsetzen ob dieses Anblickes. Er stellt die Jammergestalt dem harrenden Volke vor uns spricht: Ecce homo - seht, welch ein Mensch! Doch ihre Herzen sind härter denn Stein; voll teuflischer Wut schreien sie: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz!

3. Die schmerz- und schmachvolle Dornenkrönung hat eine tiefe Bedeutung. Der Herr hat ja gar nichts gelitten, was nicht ein Geheimnis enthielte. Warum war seine Liebe nicht mit dem Schmerze und der Schmach der Geißelung zufrieden? St. Chrysostomus antwortet: Er wollte auch diese Marter tragen, o Christ, damit kein Teil seines heiligen Leibes übrig bleibe, an dem er nicht für dich litte. - Warum ließ er sich mit Dornen martern? St. Hieronymus antwortete: Er wollte das, damit er die Erde von dem Fluche, der sie getroffen hatte, erlöse, und damit er dich mit Barmherzigkeit und Ehren kröne! Gottes Gerechtigkeit hatte die Erde verflucht nach der Sünde Adams, Dornen und Disteln soll sie tragen als Sinnbild des Fluches über das ganze Menschengeschlecht. Der Gottessohn und Menschensohn, der all unsere Strafe und unser Unglück auf sich nehmen wollte, nahm auch die Dornen, welche die Erde zur Strafe trägt, ihr ab, setzte sie auf sein Haupt, um sie in seinem Blute zu heiligen, damit von nun an der Schweiß der Menschen, der auf sie fällt, geheiligt sei. Siehe da seine Liebe! Was man aussäet, wird man ernten. "Wer Schmerzen aussäet, wird sie auch ernten" (Job 4). So hatten die Menschen, so wir es gemacht. Unsere Aussaat besteht in unzähligen Sünden aller Art; ihr Sold ist ihr Tod, ihre Frucht der Schmerz; die Dornen der Leiden sind uns daraus gewachsen und wachsen noch täglich daraus. Die schlimmsten Dornen hat er sich in seine Krone flechten lassen, diese hat er weggenommen. Es bleiben wohl noch Schmerzen und Plagen an Leib und Seele, als bittere Sündenfrucht, genug uns übrig. Aber diese zu tragen in der rechten Meinung und in heiligender Weise, das lehrt er uns. In der ganzen Leidensgeschichte zeigt er uns, wie er uns liebt; so will er unsere Gegenliebe gewinnen. Er erscheint aber mit dieser schmerzvollen Krone, damit wir auch diese gleicherzeit liebgewinnen, d.h. Liebe zur Abtötung will er uns einflößen, zur Buße, zum freiwillen oder wenigstens geduldigen Leiden um Gottes willen. Das Leiden kann er uns nicht völlig ersparen; ohne dies kann er uns nicht retten. Der Weg zum Himmel ist allerdings ein Dornenweg, die Dornen darf man nicht scheuen, nur durch die Leiden kann die verdorbene wieder so edel und heilig werden, dass wir in Gottes Himmelreich passen. Es ist wie in der Parabel des Abimelech von dem Dornenstrauch, den die Bäume sich zum König wählen. Ähnlich spricht der Dornengekrönte: wenn du mich lieb hast und mich zu dem Könige deines Herzens erwählst, so komm, unter meinem Schatten zu ruhen; wenn du aber dessen dich weigerst, so soll Feuer aus dem Dornbusch herausfahren und die hohen Zedernbäume des Libanon verzehren!
Die hohen Zedern sind wir, wenn wir uns groß dünken und erheben und aus Hochmut nicht beugen wollen vor Gott und den Menschen. Die Gedankensünden vor allem sind es, für die der Herr die Marter der Krönung geduldet hat; die Gedankensünden jeder Art, besonders jene der Eitelkeit und des Hochmuts haben ihn so gekrönt. Jeder widerspenstige Trotz gegen Vorgesetzte, jeder mißmutige Seitenblick auf Höhergestellte und Bevorzugte, jedes geringschätzige Herabsehen auf seinesgleichen, jedes selbstgefällige Eigenlob sind ebenso viele scharfe Stacheln gewesen, die das Haupt des Herrn durchstochen haben; und durch alle diese Sünden, die uns so häufig sind, dass wir sie nicht einmal achten, haben wir beigetragen, aus dem König des Himmels einen Spottkönig zu machen. "Er ist verwundet um unserer Missetaten willen... wir sahen ihn ohne Schönheit und Gestalt, als den Verachteten und Geringsten unter den Menschen, den Mann der Schmerzen, sein Antlitz verhüllt mit Schmach, und wir achteten ihn nicht" (Is 53).
Bei betrachtung der Verspottung ruft St. Bernhard aus: O wehe, jenes glorreiche Antlitz, in das die Engel zu schauen gelüstet, das den ganzen Himmel mit Wonne erfüllt, das die Heiligen demutsvoll anbeten, beflecken sie mit ihren unreinen Lippen. Man kleidet ihn mit einem königlichen Purpur, aber nicht ihn zu ehren, sondern ihn zu verhöhnen; man legt ein Zepter in seine Hand, aber man schlägt damit auf sein anbetungswürdiges Haupt; sie knien vor ihm nieder, beten ihn an und rufen ihn zum König aus, aber sie entehren sein heiliges Antlitz mit entsetzlicher Schmach! - Hier litt der Heiland im voraus schon allen Spott und alle undankbare Heuchelei, die besonders sein Volk, das Christenvolk, ihm antut. Wir bekennen ihn schon durch unsern Namen als unsern König und Herrn; wir anerkennen, dass wir nicht uns selbst gehören, sondern ihm, der uns erkauft hat; und doch wollen wir nicht seinen Willen tun, sondern unsern Willen; doch ehren wir ihn bloß mit dem Munde, aber unsere Werke sind voll der dreifachen Weltlust; wir beten zu ihm als unserm Gott, und unsere Gedanken sind mittlerweile gar bei sündhaften Dingen, die ihn entehren, oder schweifen ab zu den Götzen, die uns mehr am Herzen liegen als er. Manche wagen sogar, ihn unwürdig in der Kommunion zu empfangen. Der Widerspruch zwischen unserm Glauben und Tun, zwischen unserm Christennamen und Leben, das ist der Spott, die Heuchelei, womit die Peiniger ihn schmählicherwiese überhäuft haben. Und dies oll die doppelte Frucht der Betrachtung seiner Dornenkrönung sein: vor allem Reue über alle Gedankensünden, allen Hochmut und alles Scheinchristentum; dann der Vorsatz: ich will gegen die Versuchungen mich flüchten unter die Dornenkrone des Herrn, und als meinen rechten und einzigen König will ich ihn ehren und ihm allein dienen.

Gebet. O göttliches Opferlamm, verstrickt in das Dornengesträuch unserer Sünden! alle Schmach, die wir, die mit Recht entthronten Herrscher dieser Erde, für unsere Treulosigkeit verdienten, alle Entstellung, die das göttliche Ebenbild durch unsere Frevel erfährt, ist auf dich, unser Sühnopfer, gelegt. Ich habe dich verspottet, o Jesus, ich habe die grausamen Dornen in dein heiliges Haupt gedrückt. Es reuet mich und ich hasse und verfluche meine Hoffart, meine Widerspenstigkeit. Flöße mir die Gesinnungen der Demut und Selbstverleugnung ein, damit ich dich hinfort nicht mehr martere und zum Gespötte habe.


Unterricht für den ersten Sonntag in der Fasten (Invocabit 1))

1) Man benennt nach einer alten Gewohnheit die Sonntage in der Fasten von dem ersten lateinischen Worte, mit dem der Eingang der heiligen Messe anfängt.

Die Kirche ermuntert uns im Eingange der heiligen Messe zum Vertrauen auf Gott, der das Gebet der Büßenden gerne erhört:

Er ruft zu mir, und ich erhöre ihn; ich errette ihn und bringe ihn zu Ehren: mit langem Leben will ich ihn erfüllen. - Wer unter dem Schutze des Allerhöchsten wohnt, wird bleiben unter dem Schutze des Gottes des Himmels (Ps 90,1.15-16). Ehre sei dem Vater usw.

Gebet der Kirche. O Gott! der du deine Kirche durch jährliche Beobachtung der vierzigtägigen Fasten reinigest, verleihe deinem Volke die Gnade, dass es durch Ausübung guter Werke erlange, was es durch das Fasten von dir zu erhalten sucht, durch Jesum Christum, unsern Herrn usw.

Lektion aus dem zweiten Briefe an die Korinther IV,1-10

Brüder! wir ermahnen euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget. Denn er spricht: Zur Zeit der Gnade erhöre ich dich, und am Tage des Heiles helfe ich dir! Siehe, jetzt ist die gnadenreiche Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heiles! Niemand sollen wir irgend einen Anstoß geben, damit unser Amt nicht gelästert werde, sondern in allen Dingen sollen wir uns als Diener Gottes erweisen durch große Geduld in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, Mühen, in Nachtwachen, in Fasten, durch Keuschheit, mit Weisheit, mit Langmut, mit Freundlichkeit, mit dem heiligen Geiste, mit ungeheuchelter Liebe, mit dem Worte der Wahrheit, mit der Kraft Gottes, durch die Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, bei Ehre und Schmach, bei schlechtem und gutem Rufe, als Verführer geachter, und doch wahrhaft, als unbekannt und doch bekannt, wie sterbend, und siehe, wir leben, als gezüchtigt und doch nicht getötet, wie betrübt, und doch immer freudig, wir arm, und doch viele bereichernd, wie nichts habend, und doch alles besitzend.

Erklärung

Eine gnadenreiche Zeit wird die Fastenzeit für uns sein, wenn wir sie nach Anleitung der Kirche benutzen. Möge sie uns aufrütteln aus dem Schlafe der Gleichgültigkeit zu größerem Eifer! Gottes Gnade soll uns antreiben und helfen. Zur guten Benutzung der Fastenzeit mahnt schon die Pflicht, ein gutes Beispiel zu geben. Vor allem trifft sie die Diener der Religion. Groß ist ja das Ärgernis, wenn diese nicht ihres Berufes würdig wandeln. Dann auch jeden Christen. Der Christenberuf stellt hohe Anforderungen. Die Unchristen lästern die Religion, wenn deren Bekenner die Vorschriften derselben nicht halten, wenn sie z.B. sich um die Fastenvorschriften nicht kümmern oder verbotene Lustbarkeiten mitmachen. Es gibt aber, Gott sei Dank, auch andere, die in dieser heiligen Zeit mehr tun, die z.B. auch an Wochentagen zur Messe gehen oder die Fastenandachten besuchen. Sie geben ein gutes Beispiel und beschämen so manche, die aus erbärmlicher Menschenfurcht fernbleiben.
Diener Gottes sein heißt unverdrossen kämpfen, wie der Soldat seine Treue bewährt in Strapazen, Wunden, Todesgefahren. Wenn wir in dieser Zeit den Kreuzweg beten, wollen wir uns jedesmal wieder ernstlich entschließen, demütig den Kreuzwerg unseres eigenen Lebens zu gehen.
Für manche ist das Fasten notwendig, wenn sie sich als wahre Diener Gottes erweisen wollen. Die wahre Weisheit kann nicht bestehen in einem unreinen Herzen und in einem Leibe, welcher der Sünde dient. Der Geist der Reinheit ist auch der Geist der Liebe. Langmut, Sanftmut, ungeheuchelte Liebe sind ebenfalls Gaben und Erweise desselben.
In den Kämpfen, die wir für diese Christentugenden zu bestehen haben, müssen wir nach allen Seiten uns der heimtückischen Angriffe des Bösen erwehren. Wie der Heiland sollen wir dem Versucher und seinen lügenhaften Vorspiegelungen das Wort der Wahrheit entgegenhalten und gegen seine große Gewalt auf die noch größere Gewalt Gottes vertrauen.
Sind wir treu in diesem Kampfe, so mag alles andere uns wenig anfechten. In Ehre und Schmach, bei gutem und schlechtem Rufe dürfen wir getrost sein: der, dem wir dienen, wird alles zu unserm Besten lenken. Treten wir für Religion und Tugend ein und suchen auch andere dafür zu gewinnen, so mag man uns Unruhestifter schelten und unsere gute Absicht nicht anerkennen wollen - was liegt daran? Das Reich Gottes, schon so oft totgesagt, bricht sich immer wieder Bahn dank seinen opfermutigen Freunden. Was man diesen auch antun mag, sie sterben doch nicht aus. Sie sind voll inneren Trostes in aller Trübsal. Sie gehören gewöhnlich nicht zu den Reichen, und doch bereichern sie sich beständig durch die Schätze der Wahrheit und Liebe; und während sie in der Geduld ihre Seelen besitzen, erlangen sie den Segen der Sanftmütigen, die das Erdreich besitzen.

Gebet. O Jesus! gib uns, dass wir immer mit deiner Gnade mitwirken, und die Zeit, die du uns um die Seligkeit zu erlangen gegeben hast, wohl anzuwenden!

Evangelium Matthäus IV,1-11

Zu jener Zeit war Jesus vom Geiste in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, danach hungerte ihn. Und es trat der Versucher zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, sondern von jedem Worte, das aus dem Munde Gottes kommt. Dann nahm ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so stürze dich hinab; denn es steht geschrieben: Er hat seinen Engeln deinetwegen Befehl gegeben, und sie sollen dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest. Jesus aber sprach zu ihm: Es steht aber auch geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen! Abermals nahm ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg, und zeigte ihm alle Königreiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weiche, Satan! denn es steht geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und ihm allein dienen. Hierauf verließ ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen herbei und dienten ihm.

Warum wollte Jesus fasten?

1. Um sich durch Fasten und Beten zu seinem Lehramt vorzubereiten; 2. um uns ein Beispiel der Abtötung zu geben.

Warum wollte er versucht werden?

1. Um uns zu zeigen, dass er als Erlöser denjenigen überwunden hat, der die ersten Menschen zur Sünde verführte; 2. ums uns zu belehren, wie auch wir die Versuchungen überwinden können; 2. um die Frommen vor Mißmut zu bewahren, wenn sie ungeachtet ihrer Frömmigkeit durch Versuchung leiden müssen, da er diese selbst an sich zulassen wollte.

Welche Versuchungen litt Jesus?

Erstens wollte der böse Feind den Heiland zur Sinnlichkeit und Eßlust verleiten. Er entgegnete aber dem Satan, dass seine Speise es sei, den Willen seines himmlischen Vaters zu erfüllen, und weil es dessen Wille war, dass er fasten sollte, so erwartete er vertrauensvoll, dass er ihn auch erhalten werde.

Zweitens zum Stolze und vermessenen Vertrauen auf Gott durch freiwilliges Hinabstürzen in die Tiefe. Jesus zeigte aber dem Satan, dass es Gott versuchen heiße, wenn man ohne Not und vermessentlich sich in die Gefahr begibt, und von Gott Hilfe, ja gleichsam ein Wunder erwartet.

Drittens zur Habsucht und zur Anbetung des Satans. Allein Jesus wies den Versucher damit zurück, dass es nicht erlaubt sei, ungerechterweise etwas zu verlangen, zu besitzen oder unser Herz an die zeitlichen Güter zu hängen. wodurch wir im Dienste Gottes gehindert würden. Man muß Gott allein dienen und ihn allein anbeten, sagte Jesus.

Was lehrt uns, dass nach überwundener Versuchung die Engel Jesus dienten?

Dass uns Gott nach besiegter Versuchung als seine geprüften Diener erkenne, durch seine Hilfe selber unterstütze und uns zur ewigen Belohnung durch seine Engel werde geleiten lassen.


Betrachtung über den Gebrauch der Fastenzeit

1. Das Fasten soll uns helfen, für unsere Sünden zu büßen. Wer kann sagen, ich habe keine Sünden? Selbst Paulus sagte: Ich bin mir zwar nichts bewußt, darum bin ich aber noch nicht gerechtfertigt; der mich richtet, ist der Herr. Der hl. Jakobus schreibt: Wer sagt, er habe keine Sünde, der betrügt sich selbst, die Wahrheit ist nicht in ihm. Nur die traurigste Selbstverblendung, grenzloser Leichtsinn könnte so sprechen. Sind wir aber Sünder allzumal, dann müssen wir Buße tun. "Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle umkommen!" ruft auch unser Herr zu. Was gehört denn zu dieser Buße? Vor allem eine gründliche Zerknirschung und Bekehrung des Herzens, Reue; dann die aufrichtige Beichte; endlich auch Bußwerke, womit man sich selbst straft und die verdienten zeitlichen Sündenstrafen abträgt. In den ersten Jahrhunderten war es die Kirche, die durch den Beichtvater solche Bußwerke auflegte, welche der Schwere der Sünde entsprachen. Tage- und wochenlang mußte der Büßer beten und fasten usw. Jetzt haben wir nur eine schwache Erinnerung an die alte Bußstrenge in der bei der Beichte aufgelegten Buße und den kirchlichen Fasttagen. Die Hauptsache ist jetzt dem guten Willen und Eifer überlassen. Wer jene ausdrücklich vorgeschriebene Werke nicht einmal verrichten will, dem nützt alles Beichten nichts, seine Reue taugt nicht, seine Buße ist Heuchelei und Selbstbetrug. Das gilt auch von den freiwilligen Bußwerken. Wenn wahre Bußgesinnung im Herzen liebt, dann zeigt das sich auch durch Bußwerke. Wenn ein Kind kein gutes Gewissen hat und fürchtet, es werde nach Tisch vom Vater vorgenommen werden, dann wird es während der Tischzeit ganz kleinlaut dasitzen, und die Bissen wollen nicht hinunter, als obs ihm im Halse wehe täte. Stehen uns in der Fastenzeit unsere vielen Sünden vor Augen, die Gott noch besser bekannt sind als uns, und betrachten wir es am Leiden Christi, welche Strafe Gott auf die Sünde gesetzt hat, und mit welchem Ernst er darauf hält, dass seine Gebote befolgt werden: sollte es uns dann nicht ähnlich gehen wie jenem schuldigen Kinde? David hatte einmal gesündigt, und er strafte sich sein ganzes Leben lang. Meine Knie sind schwach geworden von Fasten, sagt er. Petrus war ein einziges Mal schwach gewesen, und er hörte nicht auf zu weinen. Magdalena führte nach der Bekehrung ein strenges Leben bis zum Tode. So haben alle wahren Büßer getan; mit Reue und Beichte nicht zufrieden, übten sie nach Kräften Bußwerke. Und uns sollte es zu schwer werden, wenigstens an den vorgeschriebenen Fasttagen die Lust der Sünde zu sühnen durch den Schmerz der Buße, und unsern Leib zu züchtigen, dieses Werkzeug nicht nur einer einzigen, sonder so vieler Sünden? Wirket würdige Früchte der Buße! ruft auch uns der Geist Gottes zu, vornehmlich in dieser Zeit.

2. Nicht nur ein vorzügliches Bußwerk ist das Fasten, sondern auch ein vortreffliches Beförderungsmittel der Tugend.
Die unordentliche Begierlichkeit, die traurige Folge der Erbsünde, ist eine lodernde Flamme, die notwendig gedämpft werden muß. Wie dämpfen wir diese Flamme? Indem wir unser Fleisch weniger nähren, unserer Sinnlichkeit Abbruch tun. - Krieg, beständiger Kampf ist des Menschen Leben hier auf Erden; Krieg mit macherlei Ungemach, das er ertragen, Kampf mit macherlei bösen Begierden, denen er widerstehen muß. Wie bekommen wir die nötige Kraft zu diesem Kampfe? Nur durch Übung. Und vortrefflich ist hierfür wieder das Fasten, wodurch wir uns im Entbehren dessen üben, wonach uns gelüstet, und zugleich übern im Widerstande gegen die Reize der Sinnlichkeit. "Wenn die frommen Christen fasten, so zittert der Satan" (St. Antonius). Als ein Haupttugendmittel wurde es zu allen Zeiten geübt. Die Heiligen haben nicht ängstlich gefragt, ob es auch der Gesundheit schade. Soll es aber der Gesundheit der Seele nützen, dann müssen wir nach dem hl. Bernhard nicht allein den Magen, sondern den ganzen Menschen fasten lassen; die Augen z.B. indem wir ihnen keine vorwitzigen, sündhaften Blicke erlauben; die Ohren, indem wir sie vor unanständigen, verleumderischen, lieblosen Reden verschlossen halten; die Zunge, indem wir sie sorgfältig vor allen ehrabschneiderischen, feindseligen, ärgernisgebenden Reden bewahren; den ganzen Leib, indem wir ihm allzugroße Gemächlichkeit und überhaupt alles, was zur Weichlichkeit gehört, entziehen. Also in der Fastenzeit sorgfältig auf der Hut sein vor Sünden und eifriger in Übung der Tugend, damit der Herr nicht auch uns vorwerfe wie den Juden: Sehet, ihr fastet und zanket und streitet und bekämpfet euch; ist das das Fasten, das ich erwählt habe? Habe ich nicht vielmehr dieses Fasten erwählt: entsage der Gottlosigkeit, brich dem Hungrigen dein Brot, und wenn du Nackte siehst, so kleide sie? - In solcher Weise geübt, wird das Fasten ein vorzügliches Läuterungs- und Stärkungsmittel für die Seele sein. Es wird

3. zugleich das Gemüt erheben und mit Gott vereinigen. Das Fasten des Heilandes war verbunden mit Einsamkeit und Gebet. Eingezogenheit und Eifer im Gebet, im Verkehr mit Gott wird auch bei unserm Fasten nicht fehlen dürfen. Darum fasten wir an den Vortagen der großen Feste, um uns zur Andacht zu stimmen; enthalten uns jeder Speise und jedes Trankees, bevor wir zur Kommunion gehen: die Nüchternheit erleichtert die Andacht und Erhebung des Gemütes zu Gott. Darum fasten wir auch in diesen sechs Wochen, die der Osterkommunion vorausgehen und dem Andenken des Leidens und Sterbens Jesu gewidmet sind. Wenn der Vater auf dem Sterbette liegt, so fragt das Kind nicht viel nach Essen und Trinken. Wer mit dem Leiden Jesu mitleidet, dem fällt das Fasten nicht hart. - Also auch diesen Zweck hat die Fastenzeit, dass wir geistige Sammlung übern und Gebet. In irgendeiner Weise kann das jeder tun. Wir brauchen nur täglich, z.B. morgens nach dem Aufstehen und abends nach vollbrachter Arbeit etwas - nur einige Minuten - langsam und bedächtig aus der Leidensgeschichte Jesu zu lesen und zu betrachten. Wie heilsam ist das, wenn man das Gelesenen auch anwendet. Oder wenn es mit dem Lesen nicht geht, so kann man doch eines der Gesetze des schmerzhaften Rosenkranzes betrachtend beten. Wir betrachte da die Geldgier des Judas, die Menschenfurcht des Petrus, die Ehrsucht des Pilatus, die Verstocktheit der Juden und so vieles andere, was wir verabscheuen sollen; aber auch so viele anziehende Bespiele von Tugend, Beispiele stiller Ergebung in Gottes heiligen Willen bei den schrecklichen Leiden, von herzlichem Verzeihen bei den Mißhandlungen, von zärtlicher Teilnahme an dem Schicksale anderer bei dem schrecklichen Drucke eigener Leiden. Wie wäre es möglich, dass solche Beispiele, mit Andacht betrachtet, uns nicht demütiger, sanftmütiger, gottergebener, versöhnlicher und menschenfreundlicher machten? Und mit welchem Abscheu vor der Sünde, die dem Sohne Gottes solche Leiden zugezogen hat, mit welcher Liebe und Dankbarkeit gegen den Vater, der um unsertwillen den eigenen Sohn nicht geschont hat, gegen Jesus, der sich für uns freiwillig in den Tod hingegeben hat, muß nicht die andächtige Betrachtung des Leidens Christi unser Herz erfüllen, muß es stark machen in der Versuchung, eifrig im Guten!

Benutze also diese Zeit des Heiles gut. Übe als treues Glied der Kirche den vorgeschriebenen Abbruch pünktlich und gewissenhaft; aber erwecke dabei auch den Geist der Buße und des Gebetes. Du möchtest ja nicht vor Gottes Richterstuhl erscheinen, ohne Buße getan zu haben. So scheue in dieser kurzen Zeit die Mühe und Überwindung nicht. Das Himmelreich leidet Gewalt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich; und wer sein Kreuz nicht alle Tage auf sich nimmt, kann kein Jünger Christi, kein wahrer Christ sein!

Gebet. O Herr Jesu! der du vierzig Tage ohne Speise und Trank in der Wüste zubringen und dazu noch vom bösen Geiste hast versucht werden wollen; ich bitte dich durch dein heiliges Fasten, du wollest mir die Gnade geben, in dieser heiligen Fastenzeit wider die Gaumenlust und alle verbotene Lust zu streiten und den Eingebungen des Satans Widerstand zu leisten, damit ich die Krone des ewigen Lebens verdiene. Amen.


Unterricht für den Freitag in der ersten Fastenwoche (Fest der heiligen Lanze und der Nägel)

Auf Ansuchen des Deutschen Kaisers gestattete Papst Innozenz VI. im Jahre 1354 zuerst der deutschen Nation die Feier dieses Festes. In Prag wurde ein Teil der Kreuzigungsnägel verehrt. Die Lanze, durch welche die heilige Seite Christi geöffnet wurde, ist von der heiligen Kaiserin Helena in Jerusalem aufgefunden worden und kam im 6. Jahrhundert in die Sophien-Kirche nach Konstantinopel; später kam sie nebst dem Schwamm und dem Rohr in die dortige Johanniskirche, und später durch den hl. Ludwig nach Frankreich. Den Lanzenschaft erhielt Papst Innozenz VIII. 1492 vom türkischen Sultan zum Geschenk. Einer von den heiligen Nägeln ist in die lombardische Krone eingelegt.

Zum Eingang der heiligen Messe klagt der Psalmist im Namen des Messias:

Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt, alle meine Gebeine gezählt, und wie Wasser bin ich ausgegossen. - Mein Herz ist wie geschmolzen Wachs geworden in meinem Leibe (Ps 21).

Gebet der Kirche. O Gott, der du in der angenommenen Schwachheit unserer Fleisches für das Heil der Welt von den Nägeln hast angeheftet und von der Lanze hast wollen verwundet werden; verleihe uns gnädig, dass wir, die wir diese heiligen Werkzeuge deines Leidens, diese Nägel und diese Lanze, andächtig auf Erden verehren, wegen des glorreichen Triumphes deines Sieges im Himmel ewig lobpreisen mögen. Der du lebst usw.

Lektion aus dem Propheten Zacharias XII, 10-11 und XII, 6-7

So spricht der Herr: Ich will ausgießen über das Haus Davids und über die Einwohner Jerusalems den Geist der Gnade und des Gebetes; und sie werden schauen auf mich, den sie durchbohrt haben, und sie werden ihn beklagen, wie man den einzigen Sohn beklagt, und weinen über ihn, wie man über den Tod des Erstgeborenen zu weinen pflegt. An jenem Tage wird groß die Klage zu jerusalem sein, und man wird sprechen: Was sind das für Wunden mitten in deinen Händen? Und er wird sagen: So ward ich verwundet im Hauser derer, die mich liebten. Auf, Schwert, wider meinen Hirten und wider den Mann, der mein Wächter ist, spricht der Herr der Heerscharen. Schlage den Hirten, so werden sich die Schafe zerstreuen, spricht der Herr der Heerscharen.

Erklärung

Der Heilige Geist ward auch über uns ausgegossen in der Taufe. Da goß er uns ein die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und Liebe, die uns das bittere Leiden unseres Erlösers verehren lehren. Seine Wunden suchen wir als unsere Zufluchtsstätte, als die Quelle des kostbaren Blutes, das unsere Seele reinigt; erinnern uns dabei stets wieder, dass wir, um Christo nachzufolgen, den Kreuzweg nicht scheuen dürfen, uns selbst beständig verleugnen und unser Kreuz täglich auf uns nehmen müssen. Daher entsetze dich nicht über das Schwert, das auch dich trifft, und ängstige dich nicht über die Trübsale dieser Zeit; wer mit Christus leidet, wird mit ihm triumphieren.

Evangelium Joh XIX, 28-35

In jener Zeit, da Jesus wußte, dass alles vollbracht sei, sprach er, damit die Schrift erfüllt werde: Mich dürstet. Es stand aber ein Gefäß voll Essig da. Und sie füllten einen Schwamm mit Essig, steckten ihn auf einen Ysopstengel und brachten ihn an seinen Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und er neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf. Die Juden aber, damit die Körper nicht am Kreuze blieben, weil es der Rüsttag war, baten den Pilatus, dass ihre Gebeine gebrochen und sie abgenommen werden möchten. Da kamen die Soldaten und zerbrachen die Beine des ersten und des ander, die mit ihm gekreuzigt worden waren. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben sei, zerbrachen sie seine Beine nicht, sondern einer von den Soldaten öffnete seine Seite mit einem Speere, und sogleich kam Blut und Wasser heraus. Und der dies gesehen hat, legt Zeugnis dafür ab, und sein Zeugnis ist wahrhaftig.


Betrachtung über die Kreuztragung

1. Als der Apostel Andreas das Kreuz sah, an dem er sterben sollte, rief er aus: "Sei gegrüßt, o gutes Kreuz: o heiliges, o kostbares Kreuz, nimm auf den Schüler dessen, der als mein Meister an dir gehangen hat." Mit welchen Gefühlen mußte erst Jesus den Kreuzesbalken betrachten, der all seine Liebe zu uns herausforderte! Der Hohepriester begrüßt den Altar, der bald das Blut des Opfers fließen sehen sollte, welches das Siegel der Vollendung drücken muß auf alles, was Gott von Anfang an und Jesus von Geburt an zum Heile der Menschheit getan hat; dieses Opfer, auf das die ganze Erde und die ganze Unterwelt voll Sehnsucht wartete. Jesus, der Vertreter der ganzen Menschheit, erkennt in dem Kreuzesbalken das einzige Brett, wonach die Menschheit greifen kann, wenn sie nicht im Schiffbruch der Sünde untergehen will. "O sehet doch (ruft der hl. Leonhard aus), mit welcher Liebe Jesus sein Kreuz umfängt; kein armer Schiffbrüchiger strecht seine Hände nach dem Brette, auf dem er sich ans Ufer retten kann, mit so sehnlichem Verlangen aus, als Jesus das Holz umfängt, auf dem so viele Sünder aus dem Schiffbruch errettet und in das himmlische Paradies eingeführt werden sollen." Das Kreuz ist die Schlachtbank für das Opferlamm; es ist die Himmelsleiter von der Erde und aus der Vorhölle zum Himmel, der Baum des Lebens, dessen Frucht der Mensch essen und das ewige Leben haben wird.
Er erhebt sich, und das Kreuz wird ihm auf die wunden Schultern gelegt; er umfaßt es mit seinen müden Händen, und dann bewegt sich der traurige Zug voran durch die Gassen Jeusalems gen Golgatha. Neben dem Herrn gehen die Soldaten, mit Waffen wohlbewehrt, und halten ihn mit Stricken gefesselt, als wenn es nötig wäre, ihn zu zwingen; vorauf ein Knecht mit dem Kreuzestitel; es folgen andere mit den Marterwerkzeugen, dann kommen die beiden Schächer; eine Schar Gassenpöbel umringt den Zug spottend und höhnend.
Hier betrachte nun, welche Bedeutung dieses hat. Es war sonst nicht Sitte, einen Verurteilten seine Todeswerkzeuge selbst tragen zu lassen. Jesus tut es, und zwar um unsertwillen. Einmal will er eine neue, eigentümliche Marter ausstehen; zu den übrigen Wunden soll die Schulterwunde kommen. Dann will er uns ein Bild geben, das eine beständige, lebendige Predigt ist. Der kreuztragende Heiland - dieses Bild kann jeder verstehen, es macht auf jeden Eindruck; niemals kommt es uns in den Sinn, ohne eine ganze Reihe von erbauenden, ermunternden und tröstenden Gedanken wachzurufen. Es bedeutet eine Sühne und ein Vorbild. Als Sühnezeichen sagt es uns: weil ich einen so großen Widerwillen gegen das Kreuztragen habe, weil ich so oft murre in jeder Prüfung und Not, mußte der Herr selbst sein schweres Opferholz auf seine Schultern nehmen. Als Vorbild sagt er uns: Wer mein Jünger sein will, der nehme ebenfalls sein Kreuz auf sich und folge mir nach; sein Kreuz, die Bürde, die Gott ihm auferlegt, vielleicht für kurze Zeit, vielleicht für die ganze Lebenszeit, die viel leichter wird, wenn man sie aufnimmt mit Liebe. Christus konnte nur den Kreuzweg wandelnd uns erlösen, also kannst auch du nur auf dem Kreuzwege zum Himmel kommen; du mußt ja mit dem Schächer sagen: dieser da, den wir unter der schweren, schimpflichen Last einherwanken sehen, leidet unschuldig, und wir haben unser Kreuz hundertfach verschuldet und verdient.

2. Durch die Trauer, das Fasten, durch die Schmerzen und den Blutverlust war der Herr aufs äußerste erschöpft. Unter der schweren Last kann er nur mit größter Mühe sich aufrecht halten und voranwanken; die Schergen treiben ihn, stoßen und zerren an ihm; er läßt seine Bürde nicht fahren, mag sie auch noch so grausam drücken. Da stößt er weiterwankend an einen Stein, fällt unter dem Kreuze zu Boden und ist unvermögend, sich aufzurichten. Es entsteht eine plötzliche Verwirrung. Die Schergen sind voll Wut über die Verzögerung einerseits, voll Besorgnis, der Herr möge vor der Zeit sterben, anderseits. Daß es so nicht weitergeht, ist offenbar. Darum wird ein zufällig vorübergehender Mann gezwungen, das Kreuz ihm tragen zu helfen; es ist Simon von Cyrene. Anfangs sträubt er sich, er glaubt sich zu verunreinigen und hält es für einen großen Schimpf. Bald besiegt ihn das Mitleid, und er tut es gern. Sein Lohn ist die Gnade des Glaubens.
Simon ist das Vorbild Zahlloser, die dem Herrn nachgefolgt sind auf dem Kreuzwege. Anfangs haben sie sich geweigert; sie haben gegen Gott gemurrt, der ihnen das Leben schwer und leidensvoll machte; bald haben sie auf den Herrn gesehen, der ihnen vorausgeht; durch die Betrachtung seines Leidens, seiner Liebe und Geduld mit Hilfe seiner Gnade sind sie zufrieden geworden, sie haben die Bürde leibgewonnen, die sie hinderte, die gefährliche Wege der Welt zu gehen.

3. Jesus begegnet seiner Mutter. Von ferne ist sie dem Trauerzuge gefolgt: jetzt, da es einen Aufenthalt gibt, kann sie ihm nahen. Welch eine Begegnung! Wie sieht sie ihn zugerichtet, wie furchtbar entstellt, wie blaß, geschwollen, verspien und blutüberronnen ist sein Antlitz! Jesus wischt sich das Blut aus den Augen und sieht die Mutter an. Welche Schmerzensblicke! Sie sprechen nichts, aber das Schwert des Simeon bohrt sich grausam in das Mutterherz und erfüllt es mit unbeschreiblichem Weh.
Maria ist umgeben von einer Schar anderer Frauen. Eine derselben, Veronika, drängt sich durch die Rotte, um dem Herrn wenigstens eine augenblickliche Erleichterung zu bringen. Mit eine Schweißtuch bedeckt sie sein heiliges Antlitz, um das Blut, den Speichel, den Schweiß abzutrocknen, der es entstellt. Als Lohn dafür, so sagt die Legende, fand sie sein heiliges Antlitz genau abgezeichnet in dem Tuch. - Die übrigen konnten nur durch Tränen ihr Mitleid beweisen. So ganz vergißt Jesus in seiner Liebe die eigene Not, dass er sie bemerkt. Und wo er empfängliche Herzen findet, läßt er nie die Gelegenheit vorübergehen, ohne das kostbore Samenkorn des göttlichen Wortes auszustreuen. Weinet nicht über mich, sagt er mit seiner gewohnten Güte; denkt an euch, euer Volk, eure Nachkommen; denket an die Strafgerichte der göttlichen Gerechtigkeit, zu der das Blut des gerechten Abel schreit; weinet über euch und eure Kinder; denn wenn dieses am grünen Holze (dem unschuldigen Gotteslamm) geschieht, wie wird es dann erst dem dürren Holze (den Sündern) ergehen! Er vergißt die eigene Not im Andenken an das schreckliche Strafgericht, das sein allsehendes Auge hereinbrechen sieht über die gottesmörderische Stadt und die unbußfertigen Sünder überhaupt.
Weinet über euch, ruft der Herr auch uns zu, besonders in der kirchlichen Bußzeit. Buße tun, was heißt das? Wie wenige Menschen wissen zu sagen, was es heißt. Wenn man von dem Leben, Büßen und Leiden der Heiligen Gottes liest, so hält man es fast für einen Roman, für ein Märchen. Diese unausgesetzten Fasten, diese Geißelungen und erbarmungslosen Züchtigungen des Fleisches und der Sinnlichkeit, wo findet sich das im wirklichen Leben? Wenn es nicht Unglauben findet, so jagt es Schrecken ein. Wenn die Heiligen sich den Himmel so viel haben kosten lassen, wie wird es mir ergehen? Wenn sie so ängstlich sich vor der Sündengelegenheit hüten, so schwer ihre Schuld sühnen mußten, wie werde dann ich mit meinem Leichtsinn, meiner Scheu vor allem, was Buße heißt, bestehen können? - Doch es ist nicht nötig, auf jene zu sehen. Die Geschichte eines andern Büßers ist uns besser verbürgt; so fest wie das Evangelium. Sie geht uns eigentlicher an, weil es unsere eigenen Sünden sind, die er trug auf seinem Leibe. Christus in seinem bitteren Leiden wird der Weichlichkeit größeren Schrecken einjagen, als alle anderen Büßer zusammen. Sein Jammerbild, seine Not und Pein ruft dir zu: Weine über dich! Nicht weichliches Mitleid ists, was er verlangt, sondern Schrecken über dich! Er ist dein Bürge, es ist deine wohlverdiente Strafe, die auf ihm liegt. Die Sünden, die dir so lustig vorkamen, haben ihn so zugerichtet. Du lebst so unbesorgt vor dem gerechten Richter, und er muß dessen Hand so schrecklich fühlen. Weine über dich, du hast sein Marterbild so oft gesehen, und es hat dich so wenig ergriffen. Tränen der Seele sollen es sein, innigen Seelenschmerzes; nicht nur der Furcht, sondern noch mehr der Scham darüber, dass der Herr dir tausend und tausenmal vergebens hat zurufen lassen: Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach; dass der Schuldige nichts tun will, während der Bürge alles tut. O mein Herr und Heiland, gib mit Bußgeist, Bußeifer, Freudigkeit, wenigstens mein Kreuz zu tragen; dann werde ich nicht mehr zum dürren Holze gehören, sondern zum grünen, das die Hoffnung des ewigen Lebens hat!


Betrachtung über die Kreuzigung

1. Der Erlöser ist auf Golgatha (Schädelstätte) angelangt. Sie haben ihm den betäubenden Myrrhen-Wein gereicht, den er gekostet, aber nicht getrunken hat, da er den Kelch der Qualen bei vollem Bewußtsein trinken will. Was nun? Da stehen die Tausende, die den Schreckenszug begleiten, um den Hügel geschart; ringsum grauenvolle Stille. Aller Augen sind auf Jesus gerichtet, der hinwieder Blicke des Erbarmens wirft auf das verhetzte Volk, auf die unglückliche Stadt. Die wichtigste aller Stunden ist gekommen, das Entsetzliche soll geschehen: der Gottmensch soll gekreuzigt werden.
Kaum hat der Herr den Becher mit Myrrhenwein zurückgewiesen, so werden ihm die Kleider abgerissen und so die Geißelwunden, in welche die Kleider eingeklebt waren, von neuem aufgerissen. Da steht er denn mit zerfetztem, blutendem Leibe nackt den Blicken alles Volkes ausgesetzt - nur angetan mit der Strafe und Schmach aller Sünden der ganzen Welt, insbesondere der Sünden der Schamlosigkeit, die er hier wieder büßt. Der Psalmist rief schon in seinem Namen: "Herr, laß durch mich nicht zuschanden werden so auf dich hoffen und dich suchen; denn ich trage Schmach, und Scham deckt mein Angesicht" (Ps 68).
Nun legt sich das Gotteslamm auf den Altar des Kreuzes. Arme und Beine werden gewaltsam ausgereckt und geknebelt, eiserne, fingerdicke Nägel mit Hämmern durch Hände und Füße, durch Nerven und Adern und Knochen ins Holz getrieben. Das Blut spritzt wild heraus! Dann wird er am Kreuz erhöht und so schwebt er zwischen Himmel und Erde, in vier klaffenden Wunden, dem glühenden Sonnenbrande ausgesetzt. Ein zertretener Wurm kann sich noch krümmen in seiner Qual; er aber ist noch elender daran. "Ich bin ein Wurm und kein Mensch; wie Wasser bin ich verschüttet, und all meine Gebeine sind aufgelöst. Eine Rotte von Bösewichtern hat mich umlagert, durchbohrt haben sie meine Hände und Füße, und alle meine Gebeine haben sie gezählt." So hatte David in seinem Namen schon viele hundert Jahre vorausgeweissagt. (Psalm 21)
Auch Isaias hatte alles schon im Geiste geschaut. Nach ihm ist der Messias "der Mann der Schmerzen, der nicht Gestalt noch Schönheit hat, der verachtet ist und voll der Schmach, der Letzte unter den Menschen". Derselbe Prophet fügt gleich bei, was ihn zum Manne der Schmerzen gemacht habe: "Fürwahr, er trug unser Wehe, unsere Schmerzen lud er auf sich, durchbohrt ist er ob unserer Sünden, zerschlagen ob unserer Missetaten, um unseres Friedens willen liegt die Züchtigung auf ihm." Nicht fremd dürfen wir fragen mit dem Propheten Zacharias: "Was sind das für Wunden in der Mitte deiner Hände?" Wir kennen sie, diese Wunden, wir selbst haben sie ihm gemacht! Unsere Hände haben wir oft als Werkzeuge der Sünde mißbraucht, unsere Füße haben so oft verkehrte Wege gewandelt, sind so oft hingeeilt in die Gesellschaft der Übeltäter, dafür sind seine heiligen Hände und Füße mit scharfen Nägeln durchbohrt. Diese heiligen Hände, die für uns so oft sich im Gebete gen Himmel erhoben, sich so oft segnend über die Menschheit ausgebreitet, sind nun, gleichsam die ganze Menschheit in Liebe umspannend, am harten Kreuzesstamm ausgebreitet; diese heiligen Füße, die umhergingen und jeden ihrer Schritte mit Wohltaten bezeichneten, sind grausam angeheftet. Mit welcher Inbrunst der Liebe sollen wir sie betrachten und küssen! Und wie teuer müssen uns auch die heiligen Nägel sein, die zur Vollziehung eines solchen Opfers dienten und überströmt wurden vom kostbaren Blute. Sie führen eine gar eindringliche Sprache. Sie sagen uns mit dem Apostel: "Darum lasset die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, so dass ihr seinen Gelüsten gehorchet; noch gebet eure Glieder hin als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern gebet euch Gott als lebendig Gewordene von den Toten und eure Glieder als Werkzeuge der Gerechtigkeit" (Röm 6).

2. Drei Stunden lang hing Jesus in unnennbaren Qualen des Leibes und der Seele, in schrecklicher Finsternis und Verlassenheit. Unter allen Schrecken der Natur sprach er seine sieben Worte, vom Gebete für seine Peiniger bis zur Empfehlung seiner scheidenden Seele in die Hände des Vaters. Mit einem lautem Schrei, der schauerlich durch die Finsternis hallet, gibt er seinen Geist auf. Nun ist alles vollbracht. Der Herr hat ausgelitten. Die grimmigen Feinde haben sich längst davongeschlichen. Außer den wenigen Getreuen stehen nur noch die Soldaten um das Kreuz. Ihr Hauptmann hat bei den offenbaren Wunderzeichen an seine Brust geschlagen und bekannt: Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn! Sie müssen sich jetzt noch des Todes der Hingerichteten versichern. Den Schächern wurden die Beine zerschlagen; dem wahren Opferlamm aber darf nach Gottes Ratschluß kein Bein zerbrochen werden; ein Soldat stößt ihm seine Lanze in die Seite, ins Herz, und es floß Blut und Wasser heraus. Der Apostel Johannes deutet durch die Art seiner Erzählung dieses Vorganges die tiefe, geheimnisvolle Bedeutung desselben an. Er fügt nämlich bei: "Und der dies gesehen, legt Zeugnis davon ab, und sein Zeugnis ist wahrhaft. Er weiß, dass er Wahres sagt, damit auch ihr glaubet."

In dieser Öffnung der Seite Jesu sehen die Väter noch ein anderes Vorbild erfüllt, nämlich die Erschaffung der Eva aus der Seite des schlafenden Adam. "Welch ein großes Gut (so ruft St. Augustinus aus), das uns in dieser Bildung der Eva aus der Seite des schlafenden Adam noch vor dem großen Übel der Sünde vorbedeutet ward!" Welch ein tiefes Geheimnis: der schlafende erste Adam und der am Kreuze den Todesschlaf schlafende zweite Adam; die aus der Seite des ersten Adam gebildete Eva, d.h. Mutter der Lebendigen, und die aus der geöffneten Seite, dem Herzen, des zweiten Adam entsprungene zweite Eva, die wahre Mutter aller geistig und ewig Lebenden, die heilige Kirche, diese durch sein kostbares Blut von allen Makeln reingewaschene Braut Jesu Christi! Sie ist so ebenfalls "Gebein von seinem Gebein, Fleisch von seinem Fleisch", gebildet aus seinem Herzblute. Er starb, damit sie lebe. Wie wird der Herr also jetzt diese seine heilige Kirche in sein Herz geschlossen haben! Alle Waffen und Angriffe der feindseligen Welt werden nichts gegen sie vermögen. Welches Vertrauen muß uns dieses einflößen und welche Liebe! "O heilige, römische Kirche," ruft der fromme Fenelon aus, "wenn ich dein vergesse, so werde ich meine Rechte vergessen; es klebe meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich dich nicht setze zur ersten meiner Freuden!"

Ich blicke endlich auch in das durch die Lanze geöffnete Herz selbst hinein. Inderselben Stunde, da das göttliche Herz im Tode bricht, zerreißt der Vorhang im jüdischen vorbildlichen Tempel, der das Allerheiligste verschloß; und die Lanze öffnet das neue und wahre Heiligtum, das göttliche Herz Jesu, und macht es der bedrängten Menschheit zugänglich. Sie eröffnet die Geheimnisse seiner Tugenden und seiner Liebe. In dem geöffneten Herzen lese ich von seinem glühenden Eifer für Gottes Ehre und der Menschen Heil; ich höre daraus immerfort die Worte des Herrn: Kommet all zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich ich bin sanftmütig und demütig von Herzen; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Darin besteht die wahre Verehrung des göttlichen Herzens, dass ich dasselbe als mein Vorbild betrachte und mein Herz dem seinigen immer mehr gleichförmig zu machen trachte.

Die heilige Lanze öffnet im göttlichen Herzen endlich auch die Schatzkammer und Quellen aller Gnaden. Ohne Furcht und Zagen können und sollen wir uns nahen und daraus alles schöpfen, was uns not tut zu unserm Trost und Heil,. Hier finden wird die Reinigung von unsern Sünden, die Zuflucht und Hilfe in den Versuchungen und Kämpfen des Lebens, Ermunterung und Erquickung bei Ermattung und Überdruß. "Kommet und schöpfet Wasser umsonst" (Sap. 15), jenes heilbringende Wasser, das fortfließt ins ewige Leben.

Gebet. O Lanze, o Nägel! Gegen mich, gegen meine Glieder und mein Herz solltet ihr euch kehren, mich verwunden; ach Gott, wie oft sind meine Füße auf den Wegen der Sünde gewandelt, wie oft habe ich meine Hände nach verbotenen Dingen ausgestreckt und ist mein armseliges Herz Sitz der Sünde, so vieler Unreinheit, des Zornes, der Ungeduld und Lieblosigkeit gewesen. Aber es soll anders werden, o mein Jesu! Mein Herz soll dir geweiht sein, meine Füße sollen den heiligen Weg der Gebote Gottes und der Kirche wandel, meine Hände jede Gelegenheit zum Guten ergreifen, in deinen Wunden will ich in allen Versuchungen und Bedrängnissen meine Zuflucht suchen. Laß dein heilkräftiges Erlöserblut auf mich strömen, dass ich geheilt und stark werde, meinen heiligen Vorsatz standhaft auszuführen!


Unterricht für den zweiten Sonntag der Fasten (Reminiscere).

Der Eingang der heiligen Messe ist ein Gebet um die Gnade, in keine Sünde zu willigen:

Gedenke, Herr! deiner Erbarmungen und deiner Gnaden, die vom Anbeginne her sind, damit unsere Feinde niemals über uns herrschen. Erlöse uns, o Gott! aus all unserer Trübsal. Zu dir, o Herr! erhebe ich meine Seele; mein Gott! auf dich vertraue ich, laß mich nicht zuschanden werden (Ps 24). Ehre sei dem Vater usw.

Gebet der Kirche. O Gott! der du siehst, dass uns alle Kraft mangelt; beschütze uns innerlich und äußerlich, damit wir vor allen Widerwärtigkeiten des Leibes bewahrt und von bösen Gedanken der Seele gereinigt werden, durch Jesum Christum unsern Herrn usw.

Lektion aus dem ersten Briefe an die Thessalonicher IV, 1-7

Brüder, wir bitten und ermahnen euch im Herrn Jesu, dass ihr so, wie ihr von uns unterrichtet worden seid, zu wandeln und Gott zu gefallen, auch wirklich wandelt, damit ihr immer vollkommener werdet. Denn ihr wisset, welche Vorschriften ich euch gegeben habe durch den Herrn Jesum. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung; dass ihr euch enthaltet von der Unzucht, dass ein jeder von euch seinen Leib in Heiligkeit und Ehre besitzen wisse, nicht in leidenschaftlicher Lust, wie auch die Heiden, die Gott nicht kenne; dass keiner übervorteile und seinen Bruder im Geschäfte nicht überliste; denn der Herr ist Rächer von allem diesem, wie wir euch gesagt und bezeugt haben. Denn nicht hat uns Gott berufen zur Unlauterkeit, sondern zur Heiligung in Christo Jesu, unserm Herrn.

Erklärung

Wie der Apostel mit den Thessalonichern eine Gewissenserforschung anstellt, namentlich des 6. und 7. Gebotes, so möchte die Kirche in dieser Fastenzeit auch uns ernstlich fragen: wie ist es mit deinem Christentum bestellt? Hast du die oft gehörten christlichen Wahrheiten dir zu Herzen genommen; ist darunter keine, die dir zuwider ist, die du noch den Anschauungen der Welt abschwächen oder wegdisputieren möchtest? Ist seit der letzten Osterzeit der christliche Sinn und Lebensernst entschieden in dir gewachsen?

Die österliche Beichte halten manche für ein großes Auskehren; wenn es glücklich wieder vorüber ist, so meinen sie, habe man wieder für geraume Zeit Ruhe. Wer so gesonnen ist, wird sich sicher nicht gern diese Gewissensfrage stellen lassen. Für ihn sind die Forderungen des Christentums mit einigen äußeren Übungen abgetan. Von einem christlichen Lebenspozeß, einem inneren Wachstum an Wahrheit und Gnade weiß er nichts. Eine andere geistige Nahrung als seine Zeitung, seine Gesellschaft und das Getriebe der Welt kennt er nicht. Und Unwille regt sich in ihm, sooft er merkt, in welchem Widerspruche die Grundsätze der Religion mit den landläufigen Ansichten der Welt stehen.

Der gefährlichste Bundesgenosse des Widerchristentums ist die zügellose Sinnlichkeit, wie sie in dem entsetzlichen Alkoholmißbrauch und in der Unsittlichkeit zutage tritt.

Die Bekämpfung dieser Lüste, sofern sie der göttlichen Anordnung entgegen sind, bedeutet für viele einen beständigen, erbitterten Kampf. Ein Nachlassen in der vernünftigen Vorsicht und ein Nachgeben hat gar leicht eine Niederlage zur Folge, deren Folgen nicht abzusehen sind. Wichtig für diesen Kampf ist gute Erziehung und Ehrgefühl; ein starker Schutz ist ein christliches Familienleben; den sichersten Halt geben aber solide religiöse Grundsätze.

Welchen Halt gegen die Fleischeslust bietet nicht die Anschauung, dass der Leib ein Gefäß der Ehre ist, das keine Beute leidenschaftlicher Lüste sein darf; durch die Taufe ist er geheiligt und noch mehr durch die Kommunion.

Heutzutage sind viele auf den Standpunkt des Heidentums zurückgesunken, das die Beherrschung der Natur für unmöglich hielt. Viele haben ihr sittliches Gefühl derart abgestumpft, dass sie lüsterne Schriften, Schaustellungen, schändliche Unzüglichkeiten und Zoten für nichts besonders Unrechtes mehr halten. Mit dem Feingefühl des wahrhaft reinen Herzens geht auch der Sinn für die Heilighaltung der Ehe verloren. Wie kann die zarte Pflanze der Sittsamkeit dann im Schoße der Familie gedeihen? Das einzig sichere Fundament der Ehrbarkeit wie der Rechtschaffenheit in Handel und Wandel ist die Gottesfurcht.

Gebet. Bewahre mich, o Gott! dass ich nicht wie die Heiden, die dich nicht kennen, den fleischlichen Gelüsten nachhange oder meinen Nächsten schädige; sondern gib mir die Gnade, dass ich keusch und mäßig lebe und in allem die Gerechtigkeit beobachte.

Evangelium Matthäus XVIII, 1-9

In jener Zeit nahm Jesus den Petrus, Jakobus, dessen Bruder, mit sich auf einen hohen Berg. Da ward er vor ihnen verklärt; und sein Angesicht glänzte wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie der Schnee. Und siehe, er erschienen ihnen Moses und Elias; die redeten mit ihm. Petrus aber nahm das Wort und sprach zu Jesus: Herr! hier ist gut sein! Willst du, so wollen wir hier drei Hütten bauen, dir eine, dem Moses eine und dem Elias eine. Als er noch redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe; diesen sollt ihr hören. Da die Jünger dieses hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. Und Jesus trat hinzu, berührte sie und sprach zu ihnen: Stehet auf und fürchtet euch nicht. Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesum allein. Und da sie vom Berge herabstiegen, befahl ihnen Jesus und sprach: Saget niemand von dieser Erscheinung, bis der Sohn des Menschen von den Toten auferstanden sein wird.

Warum ist Christus auf dem Berge Tabor vor den drei Jüngern verklärt worden?

1. Um ihnen seine Gottheit zu offenbaren und sie dadurch wider alle Zweifel zu schützen, wenn sie ihn einst auf dem Kalvarienberge würden sterben sehen; 2. um uns, wie der hl. Leo bemerkt, den großen Trost zu geben, dass wir mit ihm einst verherrlicht werden, wenn wir hienieden standhaft mit ihm leiden.

Warum ist Moses und Elias dabei erschienen?

Damit das Gesetz und die Propheten Christo Zeugnis gäben, dass der der Heiland der Welt sei; denn das Gesetz wird durch Moses und die Propheten durch Elias angedeutet.

Wovon redeten sie mit Christus?

Moses und Elias sprachen (Luk 9,30) mit Christus von seinem Tode, weil dieser der Mittelpunkt ist, in dem alle rückwärts und vorwärts ihre Erlösung finden; denn die Heiligen des Alten Bundes, die im tätigen Glauben an Christus gerechtfertigt wurden, konnten erst wirklich beseligt werden, als der Opfertod, das Erlösungswerk, ganz vollbracht war, und so erhellet, wie jene Heilige zum ausschließlichen Gegenstande ihrer Unterredung mit Christus seine Tod machen konnten. In guten Tagen sollen wir uns auch des Bösen erinnern, das uns mit der Zeit widerfahren kann, damit es uns nicht so unvermutet und schrecklich vorkomme, wenn es uns wirklich begegnet.

Warum wollte Petrus auf dem Berge drei Hütten bauen?

Dies tat er aus übermäßiger Freude, die ihn ganz außer sich brachte, so dass er nicht wußte, was er redete, noch auch beachtete, dass man nur durch große Trübsale zur himmlischen Glorie gelangen könne. Hat nun den hl. Petrus nur ein Tröpflein der himmlischen Süßigkeit so eingenommen, was werden die Heiligen nicht erst im Himmel genießen!

Woher kam die Stimme: "Dieser ist usw."?

Von dem himmlischen Vater, der Jesum seinen geliebten Sohn erklärte. Vergessen wir den Beisatz nicht; "Diesen sollt ihr hören." Denn es reicht zur Seligkeit noch nicht hin, wenn wir Jesum nur als Gott erkennen, wir müssen auch seine Lehre hören und befolgen.

Warum sprach Jesus: "Saget niemand usw."?

Damit der Glaube an ihn nach seiner Auferstehung desto fester würde, und damit seine Jünger die Demut von im lernen.


Betrachtung über die Glorie des Auferstehungsleibes

1. "Wenn wir mit Christus leiden, werden wir mit ihm verherrlicht werden." "Die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der Herrlichkeit, die an uns soll offenbar werden..." Wenn wir in diesem Leben unsere Glieder als "lebendige Opfer" Gott darbringen durch Geduld im Leiden und Werke der Abtötung, so wird er uns nach den Schrecken des Todes diese Glieder wiedergeben und unsern Leib gleichgestalten dem Leibe seiner Herrlichkeit. Der Apostel Paulus stimmt (1 Kor 15) ein Jubellied an auf die dereinstige Verklärung unseres Leibes: "Gesäet (d.h. begraben) wird der Leib in Verweslichkeit, auferstehen wird er in Unverweslichkeit; gesäet wird er in Unansehnlichkeit, auferstehen in Herrlichkeit; gesäet wird er in Schwachheit, auferstehen in Kraft; gesäet wird ein tierischer Leibe, auferstehen ein geistiger Leib. Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche die Unsterblichkeit. Dann wird erfüllt werden das Wort: der Tod ist verschlungen im Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Wo ist dein Stachel, o Tod? Preis sei Gott, der uns den Sieg verliehen hat durch Jesum Christum, unsern Herrn!"

2. Gesäet wird unser Leib in Verweslichkeit, auferstehen in Unverweslichkeit.
Unser Leben hienieden ist gleichsam ein beständigens Sterben. Der Leib ist beständigem Wechsel unterworfen; er kämpft gegen zahllose verderbliche Einflüsse, wie ein Mann, der von zahlreichen Feinden von allen Seiten angegriffen wird. Krankheiten tausendfältiger Art, Hunger und Durst, Alter und Sorgen dringen beständig auf ihn ein, nagen und zehren an ihm, bis der Tod kommt und den morschen Leib ins Grab stürzt, wo Würmer und Moder sein Zerstörungswerk vollenden. Paßt das für die Krone der Schöpfung, die Wohnung der kostbaren, unsterblichen Seele? Nur Geduld, es ist bloß eine Verwandlung; der Übergang zum unsterblichen Leben. "Der Herr wird abwischen jede Träne von ihren Augen, der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz, denn das erste (irdische) Leben ist vergangen (Offb 21."

3.Gesäet wird in Unansehnlichkeit, auferstanden in Herrlichkeit.
Hier ist der Leib so vielen beschämenden Bedürfnissen und Armseligkeiten unterworfen, dass wir sie nicht einmal nennen und aussprechen können und oftmals schmerzlich darunter zu leiden haben. Wie wird sich das ändern bei der Auferstehung; da werden unsere Glieder abstreifen alles Niedrige und Beschämende und umkleidet werden mit einer Glorie, von der wir jetzt noch keine Vorstellung haben. Wie der Schmutz und Rost des Eisens von der Feuerflamme, die dasselbe durchdringt und durchleuchtet, verzehrt wird, so wird auch alles Gemeine und Beschämende des irdischen, leiblichen Lebens verschwinden, wenn die Verklärung unsern Leib durchdringt. Die Gerechten werden leuchten, einige wie die Sonne, andere wie der Mond, andere wie die Sterne, sagt die Schrift.

4. Gesäet wird in Schwachheit, auferstanden in Kraft.
Wie ohnmächtig, träge, schwerfällig, widerspenstig zeigt sich unser Leib, wenn er der Seele gehorchen, seine Lust unterdrücken, mit der der Seele vereint Gott dienen, Gott loben und anbeten soll. Wie ein Bleigewicht hängt er sich an uns, wenn wir unsere Gebete, unser Verlangen und Streben auf Gott und das Himmlische richten. Nach der Auferstehung wird er durch die Verklärung auch diese Schwerfälligkeit und Trägheit verlieren. Leicht und beweglich wie der Gedanke selbst, in innigster Freundschaft und Übereinstimmung mit der verklärten Seele, wird er nur wollen und tun was sie will. Mit ihr vereint, wird er in höchster Seligkeit und Bereitwilligkeit Gott dienen und Gott loben, wie und wo Gott will, so freudig, eilig und eifrig, als wäre er selbst lauter Geist und Leben geworden.

5. Gesäet wird ein tierischer Leib, auferstehen wird ein geistiger Leib.
Das Tier lebt auf der Erde und von der Erde; ähnlich ist es mit dem Leibe hienieden. Er bedarf der irdischen Nahrung, der Speise, des Trankes, des Schlafes, der Erholung. Durch unsern Leib sind wir mit all unserm Wirken und Schaffen an die Scholle, an das Fleckchen Erde gebunden, wo wir unter Mühen und Beschwerden atmen, leben und uns bewegen. Wie ganz anders wird´s im jenseitigen Leben sein! Dort hören alle diese Armseligkeiten und Beschränkungen auf. Der verklärte Leib ist frei geworden vom Drucke der großen Materie, der schwerfälligen Körperwelt. Er lebt mit der Seele ein ganz neues, geistiges Leiben, er lebt nicht mehr vom irdischen Brote; die unaufhörliche Kommunion, d.h. Vereinigung mit Gott, ist seine Speise und sein Trank und beständige Erneuerung seiner jugendlichen Kraft und Schönheit, Quelle unbegreiflicher, unwandelbarer Glückseligkeit. Mit Geistesleichtigkeit wird der verklärte Leib die endlosen Räume der Schöpfung durcheilen und mit Gott herrschen von einem Ende der Welt zum ander, in Wahrheit das wunderbarste Kunstwerk der Allmacht, Weisheit und Liebe Gottes im Reiche der Körperwelt!

6. Welchen Opfermut flößte der Glaube an die Auferstehung den heiligen Märtyrern ein!
Als man dem hl Arkadius Hände und Füße, und dann Arme und Beine stückweise abschnitt, und er, diese gräßliche Marter überlebend die blutigen Gliedmaßen um sich her zerstreut liegen sah, blickte er dieselben heiter an und sprach ungebrochenen Mutes: "O ihr glückseligen Glieder, die ihr gewürdigt seid, eurem Gott zu dienen; nie habe ich euch so sehr geliebt als jetzt, da ihr von mit getrennt seid. Auf eine kurze Zeit nur sind wir getrennt, um unserm Könige in die Glorie entgegenzugehen; dort werdet ihr mir als unsterbliche Glieder zurückgegeben. Ihr seid jetzt Glieder Christi, und auch ich fühle, dass ich Christo einverleibt bin." - Alsdann wandte sich der Märtyrer zu den umstehenden Heiden, denen der Anblick solcher Qualen Tränen des Mitleides auspreßte, mit den Worten: "Männer, die ihr diesem Schauspiele beiwohnt, glaubet mir, leicht ist dieses Leiden zu ertragen, wenn man der künftigen Unsterblichkeit gedenket! Verlasset eure nichtigen Götter, die euch nicht helfen können." Mit diesen Worten ging seine glorreiche Seele zu Gott. -
Ist nicht das christliche, pflichttreue Leben auch ein unblutiges Martyrium? Wie muß uns in Beschwerden trösten, aneifern der Gedanke: mein Leib wird desto glorreicher, glücklicher dereinst bei Christus sein, je mehr ich ihn zum Opfer der Liebe und Treue gemacht habe. "Ich frage dich, mein Christ", ruft St. Chrysostomus aus, "wenn du schon alt wärest, blöd und schwach, wenn du dabei noch in großer Armut dahinschmachten müßtest, und nun käme einer, der dir verspricht, er wolle dich wieder jung, schön und kräftig machen, und dich überdies auf tausend Jahre zu einem mächtigen und reichen Fürsten erheben, wobei du in Ruhe und Frieden, in Wonne und Seligkeit, in Jubel und Überfluß dahinleben könntest; sage mir einmal, was würdest du auf eine solche Verheißung hin nicht alles leiden und tun? Allen erdenklichen Martern würdest du dich auf kurze Zeit unterziehen, um die tausend Jahre der Freude und Herrlichkeit zu genießen. Nun aber siehe! Christus verspricht uns noch weit herrlichere Dinge; ein Reich, das nicht von dieser Welt ist, sondern im Himmel, eine Krone, die du nicht nur tausend Jahre tragen sollst, sondern immer und ewig. O Christ! was sollst du da nicht alles tun und leiden in Anbetracht der einstigen glorreichen Auferstehung!"

Gebet. Zieh uns zu dir, o Jesu! durch die Betrachtung der himmlischen Freuden, damit wir dich als den wahren Sohn Gottes stets bekennen, im Glück und Unglück deine Lehren treu befolgen, und einst an deiner Herrlichkeit ewig Anteil haben mögen. Amen.


Unterricht für den Freitag nach dem zweiten Fastensonntag (Fest des heiligen Leintuches)

Das leinene Tuch, worin der Leichnam Jesu mit Myrrhen und Aloe zum Begräbnis eingehüllt wurde, ist besonderer Verehrung wert wegen seiner Beziehung zum Erlösungswerk. Nachdem die Kirche im Chorgebet den vom Kreuze abgenommenen Leichnam mit den Worten des Propheten als denjenigen schildert, der für uns verwundet worden, begrüßt sie auch sein Grabtuch mit den rührenden Worten: Dein Grabtuch verehren wir, o Herr, deines glorreichen Leidens gedenken wir. Errette deine Gemeinde, die heute in deiner Lobpreisung versammelt ist. O wunderbares Leinentuch, in das unser Schatz gehüllt ist, die Erlösung der Gefangenen! Die ganze Welt freut sich, sie ist durch das Blut des Herrn wiedererkauft. - Sie gedenkt ferner des Leibrockes Josephs, dieses Vorbildes Jesu, den die Brüder in das Blut eines Bockes getaucht und so dem trauernden Vater gebracht haben.

Eingang der heiligen Messe:

Der Herr Jesus Christus hat sich selbst erniedrigt bis zum Tode, ja, bis zum Tode des Kreuzes; deshalb hat Gott ihn erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist (Phil 2). Die Erbarmungen des Herrn will ich in Ewigkeit preisen, von Geschlecht zu Geschlecht deine Wahrheit verkünden durch meinen Mund (Ps 88).

Gebet der Kirche. O Gott,der du uns in dem heiligen Leinentuche, in das dein vom Kreuze abgenommener heiligster Leib durch Joseph gehüllt wurde, eine Reliquie deines Leidens hinterlassen hast, verleihe gnädig, dass wir durch deinen Tod und dein Begräbnis zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen. Der du lebst usw.

Lektion aus dem Propheten Isaias LXII,11 und LXIII,1-7

So spricht der Herr: Saget der Tochter Sions, siehe, dein Heiland kommt, siehe, sein Lohn ist bei ihm. Wer ist der, so von Edom kommt, mit gefärbten Kleidern von Bosra? Jener Schöne in seinem Gewande, einherschreitend in der Fülle seiner Kraft? - Ich bin´s, der die Gerechtigkeit lehret und schirmt und rettet. Warum aber ist rot dein Gewand und sind deine Kleider wie die der Keltertreter? Die Kelter trat ich allein, und aus den Völkern stand mir niemand bei, ich kelterte sie in meinem Grimm und zertrat sie in meinem Zorne, dass ihr Blut auf meine Kleider spritzte und ich alle meine Gewande befleckte. Denn der Tag der Rache ist von mir beschlossen und das Jahr der Erlösung durch mich gekommen. Ich schaute mich um, und da war kein Helfer; ich suchte, und da war niemand, der half; da half mir mein Arm, und mein Grimm war meine Hilfe. Und ich zertrat die Völker in meinem Grimme und machte sie trunken in meinem Zorn und stürzte zu Boden ihre Kraft. Der Erbarmungen des Herrn will ich gedenken, das Lob des Herrn sagen über alles, was er uns vergolten, der Herr, unser Gott.

Der Prophet schaut hier den künftigen Messias in dem Bilde eines Mannes, der rote Trauben nach Weise der Morgenländer in einem Keltertroge mit den Füßen zertritt. Diese gewaltsame Zertreten, wobei das Traubenblut umherspritzt, ist notwendig, damit der kostbare Wein gewonnen werde. So wurde der heilige Leib des Herrn mißhandelt und verspritzte er in der Kelter des bitteren Leidens sein Blut, um uns den Wein der Gnade zu verdienen. Wenn er in seiner Not und Verlassenheit blutbefleckt vor uns steht, sollen wir jedoch nicht vergessen, dass er auch der Richter ist, der jene in der Kelter seiner Gerechtigkeit zermalmen muß, die sich von seiner Leidensgestalt nicht rühren und durch seine Gnade sich nicht belehren lassen. Darum kommt der Held von "Edom", dem Feinde des Volkes Gottes als Sieger über die Widersacher Gottes.

Evangelium Markus XV,42-47

In jener Zeit als es bereits Abend geworden war (es war nämlich Rüsttag, das ist der Tag vor dem Sabbate), kam Joseph von Arimathäa, ein angesehener Ratsherr, der auch auf das Reich Gottes wartete, und ging herzhaft zu Pilatus hinein und begehrte den Leichnam Jesu. Pilatus aber wunderte sich, dass er schon verschieden sei. Und er ließ den Hauptmann kommen und fragte ihn, ob er schon gestorben sei. Und da er es vom Hauptmanne erfahren hatte, schenkte er dem Joseph den Leichnam. Joseph aber kaufte Leinwand, nahm ihn ab, wickelte ihn in die Leinwand und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen war, und wälzte einen Stein vor die Tür.


Betrachtung über das heilige Grabtuch

1. Alles, was mit dem Erlöser in Berührung gekommen ist, muß unserer Liebe teuer sein. Seine Krippe wird in einer der prächtigsten Kirchen Roms, ganz mit Silber eingeschlossen, aufbewahrt und verehrt; sein Grab war von jeher das Ziel der Pilgerfahrten aus der ganzen Christenheit; das Grabtuch ist uns besonders noch deswegen verehrungswürdig, weil es so reichlich mit dem Blute des Herrn durchtränkt wurde. "Schön ist er in seinem Gewande," sagt der Prophet. Dieses sein letztes Kleid ist ja gerötet vom strahlenden Purpurglanze seiner Liebe, von dem kostbaren Lösepreise der ganzen Welt. Himmlische Schönheit und Majestät umgab ihn, als er unter den Tieren zur Welt kam, als er zwölfjährig sich unter die Tempelschüler mischte, als er seine wunderbaren Lehren verkündete und alles Volk an seine Lippen hing; schön war er nicht bloß auf Tabor, sondern auch auf dem Felsen Nazareths, da er voll Majestät durch die Reihen seiner erstarrten Feinde schritt, ebenso am Ölberg, als ein Blick seines Auges, ein Wort seines Mundes die Häscherschar zu Boden streckte; groß und majestätisch erscheint er aber ganz besonders in der frei gewählten Schmach und Erniedrigung seines Leidens, am Kreuze, das durch die Aufschrift als sein Königsthron verkündet wurde, und im Grabe, wo er nach Vollendung des Erlösungswerkes, eingehüllt in jenen Purpurmantel, die Sabbatruhe feiert. Jetzt zieht er mit noch stärkerer Gewalt die Herzen an sich als zur Zeit seiner glänzendsten Wunder. Joseph von Arimathäa und Nikodemus, hochangesehene Ratsherren, die vordem nur heimlich seine Jünger waren, können sich jetzt nicht mehr zurückhalten und bekennen sich offen seinen Mördern gegenüber als seine Freunde. Herzhaft treten sie vor Pilatus und begehren seinen Leichnam. Mit scheuer Ehrfurcht und zarte Liebe nehmen sie den heiligen Fronleichnam vom Kreuze und legen ihn in den Schoß der schmerzhaften jungfräulichen Mutter; sie reinigen ihn, hüllen ihn ein mit Spezereien in ein reines Leinentuch und betten ihn dann mit tiefer Trauer und Andacht zur ehrenvollen Bestattung in dem naheliegenden Garten Josephs in ein frisch ausgehauenes Grab.
Nicht der Lieblingsjüngers, der ausgeharret hatte beim Meister bis zum Ende, bereitet den heiligen Fronleichnam zum Begräbnis, sondern diese beiden vornehmen Männer, die beim ganzen Volke wohlbekannt und in hohem Ansehen waren, die aber dem Herrn im Leben ferngestanden hatten. Eine weise Fügung der göttlichen Vorsehung. Dass der Herr wirklich gestorben sei, sollte eben festgestellt werden durch solche Zeugen, die kein Vernünftiger anstreiten konnte. In ein neues, noch nicht benutztes Grab mußten sie ihn legen, damit die Wahrheit seiner Auferstehung desto fester begründet werde. - Der Bekennermut dieser beiden Männer ist auch für diese Welt gekrönt. Auch von ihnen gilt das Wort des Herrn von Magdalena, die ihn im voraus zu seinem Begräbnis salbte: "Wahrlich, sage ich euch, wo man immer in der ganzen Welt dies Evangelium verkünden wird, da wird man auch zu ihrem Andenken sagen, was sie getan hat" (Matth 26).

2. Wie die kirchlichen Tagzeiten andeuten, haben wir in dem Grabtuch auch ein Vor- und Sinnbild zu erblicken. Und zwar zunächst von dem leinenen Tuch (Korporale), worauf beim Meßopfer das heiligste Sakrament gelegt wird. Es soll nicht Seide sein, noch ein anderer kostbarer Stoff, sondern reines Leinen, worauf der Leib des Herrn im heiligsten Sakrament geliegt und worin er eingehüllt wird. Diese kirchliche Vorschrift wurde stets damit begründet, dass der Fronleichnam (Leib des Herrn) bei der Grablegung in reine Leinwand eingehüllt wurde. Im Altarsakramente wird ja der Opfertod des Herrn auf geheimnisvolle Weise erneuert, da haben wir wieder denselben Leib, der für uns hingegeben wurde am Kreuze, da sollen wir den Tod des Herrn feiern, bis er kommt. Die Zierde und Würde des Gotteshauses, des Gottesdienstes müssen wir lieben, wenn wir den Heiland lieben; und es muß uns eine Freude und Ehre sein, Joseph von Arimathäa nachzuahmen in seiner Ehrfurcht und Sorge für den heiligen Fronleichnam.

Das Grabtuch ist ferner das Sinnbild eines reinen Herzens, worin wir das heiligste Sakrament ebenfalls aufnehmen sollen. In ein unreines Herz kann Jesus nicht eingehen, der Heiligste kann nicht mit dem unreinen Geiste zusammenwohnen. Wer es wagt, unwürdig, in schweren Sünden den Leib Christi zu empfangen, der gleicht nicht dem frommen Jospeh, sondern dem gottlosen Judas. Der Herr bewahre uns, dass wir solche Schmach ihm jemals antun. Bei der Kommunion in jeder Messe soll dies unser innigstes Flehen sein; zugleich aber wollen wir ihm jedesmal ernstlich versprechen: ich will mein Herz auch von allen Flecken der läßlichen Sünden nach Möglichkeit reinigen, damit ich dir eine würdige Wohnung bereite in meinem Herzen. Möge der Herr uns gnädig verzeihen, was wir durch Unehrerbietigkeit gegen das heiligste Sakrament gesündigt haben.

Wir sollen ablegen, heißt es weiter in den Tagzeiten, die Gewänder des alten Menschen und sollen uns bedecken mit dem Leintuche der Unschuld. - Auch die Bedeckung des Leibes ist nichts Gleichgültiges; es wird so viel darin gesündigt durch Luxus, Weichlichkeit und Schamlosigkeit. Wie die Rede eines Menschen, so ist auch sein Kleid, die Art, sich zu kleiden, ein Spiegel seiner Seele. Durch das heilige Leintuch wird aber besonders auf die Wichtigkeit des Seelenkleides und Seelenschmuckes hingewiesen, das Gewand der heiligmachenden Gnade. Durch das Blut Jesu, womit sein Gewand befleckt wurde, ist mein Seelenkleid wiederhergestellt und gereinigt. Nimm hin, heißt es bei der Taufe, dieses weiße Gewand, und trage es unbefleckt vor den Richterstuhl Jesu Christi. In der Taufe haben wir, nach dem Ausdruck des Apostels, Jesusm Christum angezogen, sind als neue Menschen nach seinem Bilde daraus hervorgegangen, wiedergeboren. Der Apostel nennt den Taufbrunnen ein Grab, worin wir mit Christus begraben werden, damit wir mit ihm zu einem neuen Leben daraus hervorgehen.

Wer könnte das Glück und die Ehre einer Seele beschreiben, die im Paradiese der Taufunschuld lebt! Welch ein Wohlgeruch verbreitet nicht im Garten der Kirche Gottes die unbefleckte Reinheit der jungfräulichen Gottesmutter, die Unschuld eines heiligen Johannes, Aloisius, einer hl. Agnes und so vieler anderer, die mit der Lilie unbefleckter jungfräulicher Reinheit die Palme des Martertums verbanden! Und welches Glück, welche Ehre verheißt Gottes Wort solchen Seelen, die in jungfräulicher Reinheit ausharren bis zum Tode. da so in besonderer Nähe des Gotteslammes demselben folgen, wohin es geht, und ein Lied singen, das andere nicht singen können! - Habe ich aber dieses kostbare Gewand der Taufunschuld verscherzt, dann sei meine einzige Sorge, es wiederzugewinnen und mich reinzuwaschen im Blute des Lammes durch aufrichtige Buße, würdige Beichte. Eine mühevolle Taufe wird das Bußsakrament von den Vätern genannt. Nein, ich will mir die Mühe, die es kostet, um gut zu beichten, niemals zu viel werden lassen.

Gebet. Schreibe mir tief ins Herz, o mein Jesu, den Wert deiner Liebe, deiner Gnade, deines Blutes, damit ich nichts fürchte als die Sünde, dieses wilde Tier, das dich zerrissen hat und das Ehrenkleid meiner Seele beflecken und verderben will. Lehre mich über alles hochhalten das hochzeitliche Kleid, und wenn es Schaden gelitten hat, nicht ruhen, bis es wiederhergestellt ist.


Unterricht für den dritten Sonntag in der Fasten (Oculi)

Der Eingang der heiligen Messe ist ein Gebet der bedrängten Seele um Schutz vor den Nachstellungen des Teufels:

Meine Augen schauen immer auf den Herrn; denn er wird meine Füße aus dem Netze (d.i. der Gefahr zu sündigen) ziehen. Schaue auf mich und erbarme dich meiner; denn ich bin einsam und arm. Zu dir, o Herr! erhebe ich meine Seele; mein Gott! auf dich vertraue ich. Laß mich nicht zuschanden werden (Ps 24,1.2.15.16).

Gebet der Kirche. Wir bitten dich, allmächtiger Gott! sieh gnädig auf die Wünsche deines demütigen Volkes, und strecke deine mächtige Hand aus, uns zu beschirmen, durch unsern Herrn Jesum Christum usw.

Lektion aus dem Briefe an die Epheser V,1-9

Brüder! seid Nachahmer Gottes als seine lieben Kinder, und wandelt in Liebe, wie auch Christus uns geliebt und sich für uns als Gabe und Opfer hingegeben hat Gott zum lieblichen Geruch. Unzucht aber und jede Unreinigkeit oder Geiz sollte unter euch nicht einmal genannt werden, wie es Heiligen ziemt; auch nicht (komme vor) Schamlosigkeit, noch törichtes Gerede, noch Possen, die sich nicht schicken sondern vielmehr Danksagung. Denn das wisset und erkennet, dass kein Unreiner oder Unzüchtiger oder Geiziger, - die Götzendiener sind - ein Erbteil an dem Reiche Christi und Gottes habe. Lasset euch von niemand verführen mit eitlen Worten; denn deswegen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. Werdet also nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr waret einst in Finsternis, nun aber seid ihr Licht im Herrn; wandelt als Kinder des Lichtes. Die Frucht des Lichtes aber besteht in allem Guten, Rechten und Wahren.

Erklärung

Der Apostel warnt hier wieder vor den heidnischen Greueln der Unzucht und Habgier.
Christus hat sich für uns geopfert zum Wohlgefallen des himmlischen Vaters; wir sollen uns dankbar zeigen, indem wir Opfersinn von ihm lernen.
Der christliche Opfersinn bringt Leib und Seele, Hab und Gut Gott beständig zum Opfer und bewahrt vor jenen widerchristlichen Lastern.
Was unter Christen nicht einmal genannt werden sollte, ist für manche die liebste Unterhaltung. Das ist ein trauriges Zeugnis für ihre innere Fäulnis. Zuweilen auch für ihr dumme Eitelkeit. Die sonst in Gesellschaft nichts Gescheites vorbringen können, wissen, dass sie mit solchen Dingen leicht Anklang finden. Nicht in Schamlosigkeit und Torheit soll unsere Unterhaltung bestehen, sondern in Danksagung. Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über. Ist es voll edler Gesinnung, also voll Dankbarkeit gegen Gott und die Menschen, so haben wir genug guten, erbaulichen Unterhaltungsstoff. Nicht umsonst betont der Apostel so oft die Pflicht der Dankbarkeit. Wie viele ärgerliche Gespräche und wie viele Klagen würden verstummen, wenn wir ein dankbares Herz hätten; ein solches birgt einen unerschöpflichen Reichtum von Frieden und Glück.
Die Kinder des Unglaubens sind geschäftig, ihre schlimmen Grundsätze zu verbreiten und die religiösen Grundsätze zu bekämpfen. Ihre Einwendungen sind zwar nur eitle Worte, es ist nichts dahinter, doch bringen sie vielen Gefahr, weil sie den Leidenschaften des verdorbenen Herzens schmeicheln. Sie bestreiten die Strenge des christlichen Sittengesetzes. Für die größte Unsittlichkeit haben sie Entschuldigung; gern berufen sie sich auf die Schwachheit der Natur. Ebenso freisinnig sind ihre Ansichten über das Erwergsleben. Die bedenklichsten Praktiken, wodurch andere gedrückt und übervorteilt werden, halten sie für unentbehrliche im Wettbewerb, und die ärgsten Ausbeuter sind ihrer Bewunderung sicher, wenn sie Erfolg haben; sie fürchten nur Gericht und Polizei. Der Christ aber läßt sich vor allem leiten von Gottesfurcht.
Wie manche Gutgesinnte werden Mitgenossen solcher Menschen durch feige Nachsicht und Nachgiebigkeit. Es genügt nicht, dass man sich selbst von sittlichen Verfehlungen und Unrecht freihält, man muß auch den Ernst und Mut der sittlichen Entrüstung haben, wenn andere sich dergleichen zuschulden kommen lassen.
Dass wir Licht im Herrn seien, möge die Osterzeit wieder wahr machen. Die Vorbereitung auf die Osterbeichte soll darin bestehen, dass wir uns jetzt schon entschieden abwenden von den Werken der Finsternis und unser Licht leuchten lassen zum Preise Gottes und zur Erbauung des Nächsten. Mit den Worten Licht und Aufklärung treiben die falschen Propheten so viel Unfug. Christus allein ist das wahre Licht, nur wer ihm folgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern hat das Licht des Lebens; das beweisen sie durch die Frucht des Lichtes: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Die Wahrheit wird uns freimachen von der Verblendung, dem Lug und Trug der unchristlichen Grundsätze. Die Gerechtigkeit wandelt untadelhaft in den Geboten Gottes, nicht aus irdischen Rücksichten, sondern aus Gottesfurcht. Die Güte oder Liebe ist die Vollendung der Wahrheit und Gerechtigkeit; sie begründet das höhere, übernatürliche Leben der Kinder Gottes.

Gebet. O Gott! durchdringe mit deiner Furcht mein Herz, damit ich mir nichts Anstößiges erlaube und dadurch meinem Nächsten Anlaß zur Sünde gebe. Stärke mich, dass ich durch schändliche Reden mich nicht verführen und zu Werken der Finsternis verleiten lasse, sondern rein und heilig vor dir wandle und einst deiner Anschauung gewürdigt werde. Amen.

Evangelium Luk XI,14-28

In jener Zeit trieb Jesus einen Teufel aus, der stumm war. Und als er den Teufel ausgetrieben hatte, redete der Stumme, und das Volk verwunderte sich. Einige aber von ihnen sagten: Durch Beelzebub, den Obersten der Teufel treibt er die Teufel aus. Andere versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Da er aber ihre Gedanken sah, sprach er zu ihnen: Jedes Reich, das wider sich selbst entzweit ist, wird verwüstet werden, und ein Haus wird über das andere fallen. Wenn nun auch der Satan wider sich selbst entzweit ist, wie wird denn sein Reich bestehen? Ihr saget, ich treibe durch Beelzebub die Teufel aus. Und wenn ich durch Beelzebub die Teufel austreibe, durch wen treiben denn eure Kinder sie aus? Also werden sie selbst eure Richter sein. Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Teufel austreibe, so ist ja wahrhaftig das Reich Gottes zu euch gekommen. Wenn der Starke bewaffnet seinen Hof bewacht, so ist alles sicher, was er hat. Wenn aber ein Stärkerer als er über ihn kommt und ihn überwindet, so nimmt er ihm seine ganze Waffenrüstung, auf die er sich verließ, und verteilt seine Beute.
Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Wenn der unreine Geist von dem Menschen ausgefahren ist, wandert er durch dürre Stätten und sucht Ruhe; und weil er sie nicht findet, spricht er: Ich will in mein Haus zurückkehren, von dem ich ausgefahren bin. Und wenn er kommt, findet er es gereinigt und geschmückt. Dann geht er hin, nimmt noch sieben andere Geister mit sich, die ärger sind als er; und sie gehen hinein und wohnen daselbst; und die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger als die ersten.
Es geschah aber, als der dies redete, erhob ein Weib unter dem Volke ihre Stimme und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brust, die du gesogen hast! Er aber sprach: Ja, freilich sind selig, die das Wort Gottes hören und dasselbe beobachten.

Warum trieb Jesus aus den Besessen öfter die Teufel aus?

Um die Menschen zu überzeugen, dass er, gleichwie er die Menschen dem Leibe nach von der Gewalt des Satans erretten könne, ebenso auch die Gewalt habe, die Seele von der Herrschaft des Satans und der Sünde zu befreien.

Was wird hier durch den stummen Teufel verstanden?

1. Geistigerweise die Schamhaftigkeit, die der Teufel dem Menschen nimmt, da er die Sünde begeht, und sie ihm dann, wenn er beichten will, wiedergibt, damit er die Sünde verschweige. Der hl. Cyrillus hat einst den bösen Geist bei dem Beichtstuhle gesehen, und als er fragte, was er hier mache, hat er geantwortet: "Ich gebe das gestohlene Gut zurück", nämlich die Schamhaftigkeit, deren sich der Teufel als seine Waffe bedient, den Sünder in seiner Gewalt zu behalten.
2. Das Schweigen, wo wir reden sollten, um die Ehre Gottes zu verteidigen, unsern Nächsten vor üblen Nachreden schützen, ihn vor Schaden zu bewahren und sein Wohl zu befördern.

Wie treibt Jesus jetzt noch diesen stummen Teufel aus?

Durch seine Gnade, mit der er den Sünder innerlich erleuchtet, damit er lebhaft erkenne, dass die Sünden, die er in der Beicht verschweigt, einst der ganzen Welt werden offenbar werden, und durch seine Kraft, die ihm Mut gibt, seine falsche Schamhaftigkeit zu überwinden. Schäme dich also nicht, das einem Menschen zu bekennen, was du dich nicht geschämt hast, mit einem Menschen, und vielleicht mit vielen oder vor vielen zu begehen, spricht der hl. Augustinus. Sage bei dir selbst: dem Teufel zum Trotze ,der mich zur Sünde verleitete, und meinem Gott zuliebe, den ich dadurch beleidigte, will ich mich jetzt selbst beschämen und meine Sünden aufrichtig beichten; mag es mir noch so hart ankommen, Gott zuliebe will ich mich überwinden! Auf solche Weise wirst du selbst mit der Gnade Gottes den stummen Teufel austreiben und bei Gott Verzeihung finden.

Wie widerlegt Jesus die Beschimpfung, dass er den Teufel durch Beelzebub austreibe?

Er sagt, gleichwie ein Reich, worin Uneinigkeit ist, und einer den andern vertreibt, nicht bestehen kann, so könnte auch das Reich des Teufels nicht bestehen, wenn der Beelzebub andere Teufel vertriebe, und mir, wie ihr glaubt, die Gewalt dazu gäbe. Eure Kinder treiben ja auch Teufel aus: ihr saget aber doch nicht, dass es durch den Beelzebub geschehe; also dürft ihr es auch von mir nicht sagen, sonst werdet ihr von ihnen der Lüge und Lästerung wider mich beschuldigt.
Es gibt wider alle Verleumdungen keine bessere Verteidigung, als ein gutes Gewisssen, und jene, die unschuldig verleumdet werden, haben keinen besseren Trost, als wenn sie an Christus denken, der ungeachtet seiner Heiligkeit und seiner Wunderwerke von den Juden gelästert wurde.

Was wollte Christus durch die Worte sagen: "Treibe ich aber usw."?

Ich treibe die Teufel durch Gottes Kraft aus, also bin ich von Gott gesandt, um das Reich Gottes, das Reich der Wahrheit und der Tugend, euch zu verkünden.

Was will der Beisatz von den Bewaffneten sagen?

Ihr möget immer den Satan für stark halten und glauben, wie ungestört er herrsche; ich werde sein Reich, seine Lügen, seine Verschlagenheit und Gewalt überwinden. Ich, als der Stärkere, werde ihm alle Waffen abnehmen und ihn zum Weichen bringen. Er wollte alle Menschen durch die Sünde zugrunde richten und will es noch, aus Haß gegen Gott, aus Neid gegen die Menschen; aber ich bin es,der ich durch den Finger Gottes, d.i. durch die mir eigene Kraft Gottes von ihm befreien und die Menschen gleichsam als eine Beute ihm entreißen kann. Wem jedoch mein Sieg nützen soll, der muß mit mir sein und mit mir sammeln, d.h., er muß Gottes Ehre und des Nächsten Heil befördern, beharrlich mir anhangen und mit meiner Gnade mitwirken; sonst wird er, wenngleich ich ihn erlöst und befreit habe, wieder ein Sklave des Teufels,der die Menschen durch seine Waffen, d.i. durch die Verschlagenehit, womit er zum Laster reizt, aber die Folgen nicht einsehen läßt, durch die bösen Neigungen, denen er schmeicheln lehrt, und das bekannte Wort: "Was werden die Leute sagen?" zum Sündigen verleitet und darin bestärkt.

Wie ist die Rückkehr des Satans zu verstehen?

Sie ist die Schilderung eines bekehrten, aber wieder zurückgefallenden Sünders. Wenn der Satan von einem Menschen weichen mußte, sucht er ihn wieder zum Falle zu bringen, und hört nicht auf, den von seinen Sünden gereinigten, aber im Guten noch schwachen Büßer anzufechten; ja, er ruft gleichsam noch sieben andere böse Geister zu Hilfe. Gelingt ihm nun der Sieg, so zieht er bei einem solchen unglücklichen Menschen wieder ein, und schwer ist es, ihn dann zu vertreiben, d.i. von seinem Rückfalle ihn wieder zu erheben. Wer nämlich in seine vorigen Sünden wieder zurückfällt, wird zum Guten immer schwächer und zum Bösen immer geneigter; er wird daher immer tiefer in Sünden fallen und immer schwerer zu retten sein; denn seine bösen Begierden und Leidenschaften sind gleichsam böse Geister, die ihn unablässig mit siebenfacher, d.i. mit stärkerer Gewalt anfallen und ins Verderben zu stürzen suchen. Äußerst gefährlich ist dann sein Zustand, weil ihm Gott wegen seines Frevels endlich die Gnade entziehen, ihn aus gerechtem Urteile in seine Sünden sterben und ewig zugrunde gehen lassen wird; gleichwie ein Rebelle, der nach erhaltener Vergebung sich wieder empört, ohne Schonung bestraft wird, oder wie ein Kranker, der zwar auf dem Wege der Besserung ist, aber weil der die verdorneten Mittel nicht anwendet, wieder gefährlicher erkrankt und vom Arzte verlassen wird.


Betrachtung über die neun fremden Sünden

Furchtbares Wehe droht der Herr den Ärgernisgebenden, d.h. allen, die als Handlanger des Teufels andere zum Sündigen bringen. Das geschieht durch die sogenannten fremden Sünden, die von anderen begangen, aber von Gott uns angerechnet werden, als ob wir sie selbst begangen hätten, weil wir auf irgend eine Weise schuld daran sind. Diese fremden Sünden sind folgende:

1. Anderen zur Sünde raten. Raten heißt jemanden eine Anweisung geben, wie er diese oder jene Sache angreifen und ausführen soll. Es heißt, ihm eine Sache als recht und erlaubt vorstellen, ihm Gründe mitteilen, die ihn dazu antreiben könnten, ihm Mittel und Wege dazu angeben.
Um die Bosheit des bösen Ratgebers zu beurteilen, müßte man das Unglück der Sünde ermessen können, die er veranlaßt. Die Sünde macht den Menschen immer elend, bringt ihn um sein zeitliches und ewiges Glück. Und an wie vielen Sünden sind böse Ratgeber schuld! Als die Hohenpriester Rat hielten wider den Heiland, sagte Kaiphas: "Ihr verstehet doch nichts und bedenket nicht, dass es geratener ist, es sterbe ein einziger, als dass alles Volk zugrunde gehe." Von der Zeit an waren sie entschlossen, ihn zu töten, und ruhten nicht, bis sie ihn ans Kreuz gebracht hatten. - Johannes der Täufer mußte seinen Kopf einbüßen, weil die Herodias ihrer Tochter riet, seinen Kopf vom König zu fordern. - Oft ist eine Tochter noch in ihrer ersten Unschuld; aber die Mutter möchte sie gern bald versorgen. Sie sagt also: Was soll mal aus dir werden? Du taugst nicht für die Welt, wenn jemand mit dir reden will, läufst du davon. Schau diese und jene! sie sind überall beliebt. Jener junge Mann ist reich, suche seine Bekanntschaft zu machen,da kannst du dein Glück machen. Die Tochter tut es, und am Ende wird sie verführt. - Jemand erzählt in Gesellschaft von einer erlittenen Beleidigung. Da sagt einer: Das darfst du nicht gut sein lasse, darfst nicht nachgeben, mache es ihm so und so. So wird der Beleidigte angestachelt zur Rache. - Jemand hat Streit, er getraut sich nicht, einen Prozeß anzufangen und fragt einen Sachverständigen um Rat. Dieser ist gewissenlos; er sieht, dass der ganze Handel ungerecht ist, und doch sagt er: ich wüßte Rat, drehe es nur so und so. Der ungerechte Prozeß wird wirklich gewonnen. Wer ist schuld an all diesen Sünden? Die schlechten Ratgeber. Sie haben auch allen Schaden zu verantworten, der daraus entsteht.

2. Andere sündigen heißen; geradezu, mit ausdrücklichen Worten, oder durch Zeichen, verstohlen, doch so, dass die Abhängigen leicht merken, was man will.
Antiochus befahl den Juden, den Götzen zu opfern; Absalon befahl seinen Dienern, den Amnon zu ermorden; David befahl dem Joab, Urias in der Schlacht umkommen zu lassen. König Heinrich II. von England war durch Verleumdungen aufgereizt gegen den Erbischof Thomas Becket. Erbittert äußerte er: Wer befreit mich von diesem Priester, mit dem ich nicht in Frieden leben kann? Das nahmen einige Höflinge für einen Befehl, sie gingen und ermordeten den Erzbischof. Vorgesetzte, Herrschaften, Eltern, Meister versündigen sich oft ähnlich. Herrschaften tragen ihren Untergebene an Sonn- und Feiertagen so viel auf, dass sie nicht in die Kirche oder nie zur Predigt, zu den Sakramenten kommen; benutzen sie zur Ausübung ihrer Rachsucht und dergleichen. Eltern halten ihre Kinder zum Betteln und Stehlen, Meister ihre Arbeiter zur Sonntagsarbeit an.
Das Verhalten der Vorgesetzten macht den stärksten Eindruck; ihnen ist große Gewalt von Gott verliehen, zum Guten wie zum Bösen. Darum ist ihre Verantwortung so schwer. Einem sündhaften Befehle darf man unter keiner Bedingung nachkommen; denn "man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."

3. In anderer Sünden einwilligen; d.h. die bösen Werke anderer ausdrücklich billigen oder durch Mienen und Zeichen sein Wohlgefallen zeigen. Oft verabscheut man sie zwar innerlich und heißt sie dennoch gut aus Menschenfurcht, Schmeichelei, Eigennutz. Wenn man auch nicht immer verpflichtet ist, das Böse öffentlich zu tadeln, so darf man es doch niemals gutheißen; also nie zu unkeuschen Scherzen und Religionsspötterein lachen. Andere zurechtweisen muß man, wenn man von Amts wegen sie zu leiten hat. Auch Nichtvorgesetzte müssen die Sünder zurechtweisen, wenn sie erwarten können, dass es etwas hilft. Sage nicht: was geht es mich an, wie sich dieser und jener aufführt; mögen sie tun, was sie wollen. Wenn du weißt, dass eine aufgetragene Speise Gift enthält, darfst du da schweigen und denken: was kümmert´s mich, wenn andere sich den Tod hineinessen? - Sage nicht: es nutzt doch nichts. Das kommt auf den Versuch an. Den Vorgesetzten sagt übrigens Gott beim Propheten Ezechiel: Ich habe dich zum Wächter über Israel gesetzt. Wenn ich zum Sünder sage: du wirst sterben, und du warnst ihn nicht, so wird der Böse zwar um seiner Frevel willen sterben; du aber hast deine Seele gerettet! - Sage nicht, man macht sich nur Feinde. Besser ist es, Menschen zu Feinden zu haben als Gott! - Sage nicht, man muß keinen Lärm machen. Die Liebe wird dich lehren, wie du die Empfindlichkeit und den guten Namen schonen und doch den irrenden Bruder zurechtweisen kannst.

4. Die Sünde anderer nicht strafen. Das geht die Obrigkeiten an. Eltern sind oft so schwach, dass sie alle Zuchtlosigkeit ihrer Kinder dulden, oder so vernarrt in ihre Kinder sind, dass sie nicht dulden, wenn sie von anderen, z.B. Lehrern gestraft werden sollen. Ein abschreckendes Beispiel ist Heli. Als Vater, Oberpriester und Richter hätte er seine ungeratenen Söhne züchtigen müssen; er begnügte sich jedoch mit tadelnden Worten. Da ließ Gott ihm durch den Propheten sagen: Warum fürchtest du deine Söhne mehr als mich? Jetzt höre meinen Ausspruch: Dich und deines Vaters Haus hatte ich zum Dienste meines Heiligtums auf ewig bestimmt; allein das soll nicht geschehe... Alle aus deinem Stamme sollen frühzeitig sterben... Ophni und Phinees werden an einem Tage sterben. Siehe, ich will etwas tun in Israel, dass allen, die es hören, die Ohren sausen sollen. Ich hab´s ihm angekündigt, dass ich seine ganze Nachkommenschaft auf immer dafür strafen werde, weil er, wohl wissend, wie schändlich seine Söhne sich aufführten, sie doch ungestraft ließ. Ich schwöre es dem Hause Heli zu: durch keinerlei Opfer und Gaben wird dies Verbrechen je abgebüßt werden! - Heli war für seine Person ein gottesfürchtiger Mann; allein seine Nachlässigkeit und Schwäche nennt der Herr ein Verbrechen. "Höret dies, ihr Eltern, und erziehet eure Kinder in aller Ermahnung und Zucht des Herrn " (St. Chrysostomus).

5. Andere zur Sünde reizen. Durch ärgerliche Worte; schmutzige, zweideutige Reden, die so manche Seele verpesten; Religionsspöttereien, Angriffe gegen den Glauben, die Zweifel, ja völligen Unglauben erzeugen. Durch Werke: Verführung zur Unkeuschheit, durch Schmeicheleien, Üppigkeit in der Kleidung, Gebärden usw.; zur Ungerechtigkeit, durch Nährung der Rachsucht u.a.m.

6. Anderer Sünde loben. Das tun leicht Untergebene aus Wohldienerei, Schmeichelei, Gewinnsucht; Eltern, welche die Eitelkeit, Putzsucht und sonstige Ungebühr der Kinder loben; Kameraden, die den schlimmen Streichen, schlechten Reden usw. ihresgleichen Beifall geben. - Solche sind schuld, dass viele das Schlechte nicht mehr scheuen. "Durch nichts werden die Sitten des Menschen so leicht verdorben als durch Lobsprüche und Schmeicheleien. Mehr schadet die Zunge des Schmeichlers, als das Schwert des Verfolgers; das Schwert des Verfolgers verwundet nur den Leib, die Schmeichelei aber mordet die Seele" (St. Chrysostomus). - Man kann und soll bisweilen den Nächsten, der gesündigt hat, entschuldigen, aber nie loben. Untergebene soll man zurechtweisen; ebenso Gleichgestellte, wenn Erfolg zu erwarten ist; Höhergestellten gegenüber mag man schweigen, jedoch, um seine Meinung befragt, bescheiden, aber offen seine Mißbilligung äußern. Will jemand unsere eigenen Fehler loben, so betrachte man einen solchen als seinen gefährlichsten Feind.

7. Zur Sünde stillschweigen. Die Vorgesetzten sind durch ihre Standespflicht verbunden, die Fehler ihrer Untergebenen möglichst zu verhindern und abzustellen. "Sie wachen für die Seele der Untergebenen als solche, die Rechenschaft zu geben haben" (Hebr 13). Sie dürfen nicht aus Gleichgültigkeit oder Furcht vor Verdruß "stumme Hunde" sein. Übrigens gebietet die christliche Liebe jedem, soweit er kann, die Sünden anderer zu verhüten und davon gehörigen Orts Anzeige zu machen; z.B. Geschwister und Dienstboten. Durch Stillschweigen laden sich viele schwere Verantwortung aufs Gewissen.

8. Zur Sünde helfen durch irgendwelche Mitwirkung, z.B. beim Stehlen durch Auskundschaften; Wachestehen; Verbergen, Verkaufen der gestohlenen Sachen; beim Betrug, Schadenstiften jeder Art. Die so zur Ungerechtigkeit mitwirken, müssen den Schaden ersetzen, wenn der eigentliche Täter es nicht tut. Zur Sünde helfen jene, die schlechte, gefährliche Bekanntschaften anzetteln oder begünstigen, schlechten Menschen Unterkommen geben, unanständige Moden aufbringen, zu unmäßigem Trinken Anlaß und Gelegenheit geben usw.

9. Anderer Sünden verteidigen. Das tun Advokaten, die ungerechte Prozesse übernehmen, falsche Zeugen, Eltern, die ihre strafbaren Kinder noch in Schutz nehmen, die irreligiöse, ketzerische Lehren verteidigen, überhaupt alle, die eine schlechte Sache wissentliche verteidigen. Heutzutage kommt diese Sünde besonders häufig vor. Die ärgsten Laster, Verräterei, Aufruhr, Mord, Kirchenraub, Unzucht werden in Schutz genommen, ja wohl als rühmwürdige Taten gepriesen und derartigen Verbrecher als Helden gefeiert. In Büchern und Zeitungen wird gegen Recht, Wahrheit und Tugend, und für Lüge und Ungerechtigkeit gearbeitet, zum größten Schaden so vieler, deren Gewissen verwirrt und abgestumpft wird gegen das Schlechte. "Wehe euch, die ihr das Gute böse und das Böse gut nennt, die Finsternis zu Licht und das Licht zu Finsternis machet, das Bittere in süß und das Süße in bitter verwandelt" (Isaias 5). "Mehr noch sündigt, wer die Sünde verteidigt, als wer sie begeht; denn sündigen ist menschliche, aber die Sünden verteidigen ist teuflisch" (St. Peter Damian).

Es gibt neun fremde Sünden, und doch klagt sich fast niemand darüber an. Wie selten mag das Bekenntnis lauten: ich bin nicht nur selbst ein großer Sünder, sondern habe auch andere verleitet zum Bösen oder darin bestärkt durch Raten, Anreizen, Loben, Verteidigen. Sie hätten das Böse nicht getan oder wären bald in sich gegangen, wenn ich sie nicht in Schutz genommen hätte. Oder: ich habe zwar die Ungerechtigkeit, Unreinheit nicht selbst angefangen doch war ich dabei, willigte ein; in meinem Hause habe ich viel Schlimmeres ruhig angesehen, nicht gestraft, verhindert, habe mich um das Tun und Treiben der Untergebenen nicht gekümmert. - Man erforscht sich über die eigenen Sünden, klagt sich an über einige Unandacht, Ungeduld, und die viel schlimmeren fremden Sünden läßt man unbeachtet, sie werden nicht bereit, nicht gebeichtet und gebessert. Möge fleißiges Erforschen und Gebet uns vor solch gefährlicher Verblendung bewahren!

Gebet. Dank sei dir, o Jesu! dass du mich der Gewalt des Satans entrissen hast. Erhalte in mir stets das Andenken an deine heilige Gegenwart, damit ich mich vor aller Sünde, besonders aber vor dem Rückfalle, bewahre: vermehre in mir den Geist einer wahren und beharrlichen Buße.


Unterricht für den Freitag in der dritten Fastenwoche (Fest der heiligen fünf Wunden)

Die heilige Messe ist ganz wie vom Leiden Christi, (Link dorthin) ausgenommen das

Gebet der Kirche. O Gott! der du durch das Leiden deines eingeborenen Sohnes und durch sein aus fünf Wunden vergossenenes Blut die durch die Sünde verderbte menschliche Natur wiederhergestellt hast; verleihe uns, wir bitten dich, dass wir, welche die von ihm auf sich genommenen Wunden auf Erden verehren, die Frucht seines kostbarsten Blutes im Himmel zu erlangen verdienen.


Betrachtung über die fünf Wunden

1. Von den Wunden, die der Herr bei der Kreuzigung empfing, reden schon die Propheten. Zacharias sagt: Und man wird zu ihm sagen: was sind denn das für Wunden mitten in deinen Händen? Und er wird sprechen: So ward ich verwundet im Hause derer, die mich liebten. Der Psalmist: Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt. Zacharias wieder: Sie werden schauen auf mich, den sie durchbohrt haben. Isaias: Durch seine Wunden sind wir geheilt. Der Heiland selbst zu Thomas: Lege deine Finger hinein und siehe meine Hände, und reiche her diene Hand und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. - Die Male dieser Wunden allein bewahrte er bei der Auferstehung, sie nahm er mit in den Himmel, mit ihnen wird er wiederkommen zum Gerichte. Wie verehrungswürdig müssen gerade diese Wunden uns erscheinen; durch sie sind wir geheilt.
Als Sünder sind wir gleich dem Wanderer, der unter die Räuber fiel. Die Erbsünde hat uns nicht nur der übernatürlichen Güter beraubt, sondern auch in unsern natürlichen Gütern oder Kräften verwundet. Vorerst wurde unserer Vernunft eine tiefe Wunde geschlagen. Die Tugend der Klugheit, die Weisheit, die von oben kommt, sollte uns erleuchten und führen zum wahren Endziel unserer Bestimmung. An ihre Stelle trat die fleischliche, weltliche Klugheit, die vor Gott Torheit ist. Die Vernunft wurde verdunkelt und neigte sich mehr den Irrlichtern des Truges zu als dem reinen Glanze der Wahrheit. - Verwundet wurde der Wille. Von Jugend auf sind Sinn und Gedanken des menschlichen Herzens zum Bösen geneigt (Job 8). Wir neigen nicht mehr zum Guten, sondern zum Verbotenen. - Verwundet sind alle niederen Seelenkräfte. Die natürlichen Triebe sollten der Vernunft und dem Gewissen folgen und dienen mit den Tugenden der Tapferkeit und Mäßigkeit. Dafür tragen sie die tiefen Wunden der Schwachheit und unordentlichen Begierlichkeit. Anstrengung zur Arbeit und Kampf, Opfer der Selbstüberwindung schrecken uns: wir fühlen uns beständig mit Gewalt hingezogen zum sinnlichen, oft elendesten Genuß. Die edelsten Menschen seufzen schwer unter dem Verderben der Natur. O ich elender Mensch, ruft der hl. Paulus aus, wer wird mich befreien vom Leibe dieses Todes!
Siehe, da kommt der wahre, barmherzige Samaritan, der Öl und Wein in meine Wunden gießen, sie verbinden und heilen will; der sich selbst verwunden ließ, um uns die Heilmittel zu bereiten. In seinen Wunden finde ich jene himmlische Weisheit wieder, welche die Wunde meiner Unwissenheit heilt. Das Kreuz des Herrn, dessen Arme einerseits auf die Gerechtigkeit, andererseits auf die Barmherzigkeit Gottes hinweisen, ist der Lehrstuhl der wahren Weisheit. In seinen Wunden haben alle heiligen Streiter und Märtyrer ihren Heldenmut geschöpft. Was sollen wir ihm wiedertun für alles, was er für uns getan hat? haben sie gefragt. Und sie sprachen mit dem Psalmisten: den Kelch des Heiles will ich nehmen. Den Kelch der Kämpfe und Leiden will ich nicht zurückweisen, den er mir vorgetrunken hat. - Darin finden wir auch die wahre Arznei für die unordentliche Begierlichkeit. Möchten wir, wenn das sündige Feuer auflodern will in unsern Herzen, nur im Geiste sein Kreuz umfassen, seine Wunden betrachten und unsere Zuflucht darin suchen!

2. Wie soll ich die heiligen Wunden verehren? Die Liebe zum Heiland wird seine Wunden mir tief ins Herz prägen. Bei manchen Heiligen war die Liebe zum Gekreuzigten so mächtig, dass seine Wunden sich auch ihrem Leibe einprägten. Das scheint Paulus von sich anzudeuten mit den Worten: Ich trage die Wundmale des Herrn Jesus an meinem Leibe (Gal 6). Sicher wissen wir dieses vom hl. Franziskus von Assisi, der hl. Katharina von Siena. Auch in unserer Zeit fehlt es an solchen Beispielen nicht, wodurch Gott wunderbar und handgreiflich die heiligen fünf Wunden der Welt vorstellt und verherrlicht.
Die Verehrung der Wunden Christi durch besondere Gebete und Andachten ist alt in der Kirche. Sie wird geübt bei der heiligen Messe, beim Kreuzweg, durch öffentlich errichtete Kreuze, zu besonderen Zeiten, wie in der heiligen Fastenzeit. Mögen wir durch solche Andachten fleißig unsere Liebe zu den heiligen Wundmalen nähren! Wir werden darin eine unerschöpfliche Quelle des Trostes, der Erleuchtung und Ermunterung und Stärke finden. Die Kirche empfiehlt durch Ablässe folgende

Andacht zu den Wunden Christi

Indem ich mich vor dir, o gekreuzigter, liebenswürdigster Erlöser meiner Seele, niederwerfe, mahnt mich mein Gewissen, dass ich es war, der dich mit seinen Händen an das Kreuz heftete, sooft ich dich durch schwere Sünden beleidigte und mich dadurch der schauderhaften Undankbarkeit schuldig machte. Mein Gott, du höchstes und vollkommenstes Gut, der du alle meine Liebe verdienst, weil du mir immer nur Gutes erwiesen hast! Ich Armseliger kann meine bösen Taten nicht ungeschehen machen, wie ich es gern möchte; aber ich verabscheue sie mit dem tiefsten Schmerze, weil ich dich, die unendliche Güte, beleidigt habe, und, zu deinen Füßen liegend, will ich mich wenigstens bemühen, mit deinem Leiden Mitleid zu tragen, dir zu danken, dich um Verzeihung und Besserung des Lebens zu bitten. Und so spreche ich denn mit Herz und Mund:

Zu der heiligen Wunde des linken Fußes.
Ich bete dich an, o heiligste Wunde des linken Fußes meines Jesus. Ich fühle mit dir, o Jesu, die grausamen Schmerzen, die du erduldet hast, und danke dir für die Liebe, mit der du blutend unter den Dornen und Disteln meiner Sünde bemüht warest, mich von dem Wege des Verderbens zurückzuholen. Ich opfere dem ewigen Vater alle Liebe und alle Schmerzen auf, die deine heiligste Menschheit erlitten hat, um meine Missetaten zu sühnen, die ich jetzt mit aufrichtiger und bitterer Reue verabscheue.
Vater unser... Ave Maria... Ehre sei usw.

Mutter drück den Schmerz der Wunden,
Die dein Sohn am Kreuz empfunden,
Tief mir in das Herz hinein!

Zu der heiligen Wunde des rechten Fußes
Ich bete dich an, o heiligste Wunde des rechten Fußes meines Jesus. Ich fühle mit dir, o Jesu, die grausamen Schmerzen, die du erduldet hast, und danke dir für die Liebe, mit der du unter Blutströmen und Krämpfen durchbohrt werden wolltest, um meine Verirrungen und die schuldbaren Vergnügungen, die ich meinen zügellosen Leidenschaften gestattete, abzubüßen. Ich opfere dem ewigen Vater die Schmerzen und die Liebe deiner heiligsten Menschheit auf und bitte ihn um die Gnade, mit heißen Tränen meine Vergehungen zu beweinen und in der begonnenen Besserung meines Lebens Auszuharren, ohne jemals mehr mich dem Gehorsam gegen die göttlichen Gebote zu entziehen.
Vater unser... Ave Maria... Ehre sei usw.

Mutter drück den Schmerz der Wunden,
Die dein Sohn am Kreuz empfunden,
Tief mir in das Herz hinein!

Zu der heiligen Wunde der linken Hand.
Ich bete dich an, o heiligste Wunde der linken Hand meines Jesus. Ich fühle mit dir, o Jesu, die grausamen Schmerzen, die du erduldet hast, und danke dir, dass du mit so großer Liebe die Züchtigungen und die ewige Verdammnis, die ich für meine Sünden verdiente, aufgeschoben hast. Ich opfere dem ewigen Vater die Schmerzen und die Liebe deiner heiligsten Menschheit auf und bitte ihn um die Gnade, die mir noch übrige Zeit meines Lebens zu benutzen, um würdige Früchte der Buße zu wirken und dadurch die beleidigte göttliche Gerechtigkeit zu entwaffnen.
Vater unser... Ave Maria... Ehre sei usw.

Mutter drück den Schmerz der Wunden,
Die dein Sohn am Kreuz empfunden,
Tief mir in das Herz hinein!

Zu der heiligen Wunde der rechten Hand.
Ich bete dich an, o heiligste Wunde der rechten Hand meines Jesus. Ich fühle mit dir, o Jesu, die grausamen Schmerzen, die du erduldet hast und danke dir, dass du mir mit so großer Liebe fortwährend Gutes erwiesen hast, obgleich ich deiner Liebe so schlecht entsprach. Ich opfere dem ewigen Vater die Schmerzen und die Liebe deiner heiligsten Menschheit auf und bitte ihn, mein Herz und meine Gesinnungen umzuwandeln, damit ich alle meine Handlungen nach deinem göttlichen Wohlgefallen einrichte.
Vater unser... Ave Maria... Ehre sei usw.

Mutter drück den Schmerz der Wunden,
Die dein Sohn am Kreuz empfunden,
Tief mir in das Herz hinein!

Zu der heiligen Wunde der heiligen Seite.
Ich bete dich an, o heiligste Seitenwunde meines Jesus. Ich fühle mit dir, o Jesu, die grausame Mißhandlung, die dir zugefügt wurde, und danke dir für die Liebe, mit der du zuließest, dass deine Seite und dein Herz verwundet wurden, um die letzten Bluts- und Wassertropfen deines Herzens hinzugeben, um meine Erlösung überfließend zu machen. Ich opfere dem ewigen Vater alle Liebe und Mißhandlungen deiner heiligsten Menschheit auf, damit meine Seele in dieses liebevolle Herz, das immer willig und bereit war, auch die größten Sünder aufzunehmen, endlich einmal eingehe und sich nie wieder aus demselben entferne.
Vater unser... Ave Maria... Ehre sei usw.

Mutter drück den Schmerz der Wunden,
Die dein Sohn am Kreuz empfunden,
Tief mir in das Herz hinein!

Gebet zur schmerzhaften Mutter.
Heiligste Jungfrau und Mutter Gottes, Maria, Märtyrin der Liebe und des Schmerzes bei dem Anblicke der Peinen und Mißhandlungen Jesu, du hast teilgenommen an der Wohltat meiner Erlösung, indem du Leid und Betrübnis ohne Maß erduldet und dem ewigen Vater seinen und deinen Eingeborenen zum Brand- und Sühnopfer für meine Sünden dargebracht hast. Ich trage das innigste Mitleid mit deinen Schmerzen und danke dir für die unermeßliche Liebe, mit der du dich der Frucht deines Leibes, des wahren Menschen und zugleich wahren Gottes, berauben wolltest, um mich armen Sünder zu retten. Lege deine niemals vergebliche Fürbitte bei dem Sohne und dem Vater ein, damit ich mein Leben dauernd bessere, nie wieder mit neuen Verschuldungen meinen liebreichen Erlöser kreuzige, sondern, in seiner Gnade bis zum Tode verharrend, das ewige Leben erlange durch die Verdienste seines bitteren Leidens und seines Todes am Kreuze.
Drei Ave Maria...

Lasset uns beten! Mein Herr Jesus Christus, der du für die Erlösung der Welt in der sechsten Stunde den Pfahl des Kreuzes bestiegen und dein kostbares Blut zur Nachlassung der Sünden vergossen hast, wir bitten dich demütig, dass du uns verleihen wollest, nach unserem Tode freudig durch die Pforten des Himmelreiches einzugehen.
Wir bitten dich, o Herr Jesus Christus, dass die seligste Jungfrau Maria, deren geheiligte Seele in der Stunde des Leidens das Schwert des Schmerzes durchbohrt hat, bei deiner mildesten Barmherzigkeit jetzt und in der Stunde unseres Todes unsere Fürsprecherin sei. Durch dich, Jesus, Christus, Erlöser der Welt, der du mit dem Vater und dem Heiligen Geiste lebest und regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Ablässe. Einmal des Tages Ablaß von 100 Tagen denjenigen, die diese Gebete wenigstens zehnmal in einem Monate beten, dazu einen vollkommenen Ablaß zweimal des Jahres, nämlich am Feste der Kreuzerfindung (3. Mai) und Kreuzerhöhung (14. September), wenn sie gebeichtet und kommuniziert, eine Kirche besucht und daselbst nach der Meinung des Heiligen Vaters gebetet haben.
Wenn man diese Gebete vom Passionssonntag an bis Samstag in der Karwoche (eingeschlossen) täglich betet, kann man einen Ablaß von 7 Jahren und 7 Quadragenen für jeden dieser Tage gewinnen, und einen vollkommenen Ablaß für den Ostertag, wenn man nach der heiligen Beichte und Kommunion für die Kirche betet.


Unterricht für den vierten Sonntag in der Fasten (Laetare)

Der Eingang der heiligen Messe ermuntert uns zur Freude am Dienste Gottes und zum beharrliche Eifer im Guten. Es heißt:

Freue dich, Jerusalem, und kommt alle zusammen, die ihr sie liebet, seid mit ihr fröhlich in Freuden alle, die ihr über sie trauert, damit ihr frohlocket und satt werdet von der Fülle ihres Trostes (Isaias 66,10.11). Ich freue mich, wenn man mir sagt: Lasset uns gehen zum Hause des Herrn! (Ps 121,1). Die Ehre sei dem Vater usw.

Gebet der Kirche. Wir bitten dich, allmächtiger Gott! verleihe uns, dass uns, da wir wegen unserer Sünden billig gezüchtigt werden, der Trost deiner Gnade erquicke, durch unsern Herrn Jesum Christum usw.

Lektion aus dem Briefe an die Galater IV,22-31

Brüder! es steht geschrieben: Abraham hatte zwei Söhne, einen von der Magd und einen von der Freien. Aber der von der Magd war dem Fleische nach geboren, und de von der Freien vermöge der Verheißung. Das ist bildlich gesprochen; denn dies sind die zwei Testamente; das eine nämlich auf dem Berge Sina, das zur Dienstbarkeit gebiert, welches die Agar ist; denn Sina ist ein Berg in Arabien, der in Verbindung mit dem jetzigen Jerusalem ist, das mit seinen Kindern dienet. Jenes Jerusalem von oben aber, das ist die Freie, welche unsere Mutter ist. Denn es steht geschrieben: Freue dich, du Unfruchtbare, die du nicht gebärst, frohlocke und jauchze, die du keine Geburtswehen hast; denn viele Kinder hat die Verlassene, mehr als die den Mann hatte. Wir nämlich, Brüder, sind wie Isaak Kinder der Verheißung. Aber so wie damals der, welcher dem Fleische nach geboren war, den verfolgte, welcher es dem Geiste nach war, also (geschieht es) auch jetzt. Aber was sagt die Schrift: Treibe aus die Magd und ihren Sohn; denn der Sohn der Magd soll nicht Erbe sein mit dem Sohne der Freien! Demnach, Brüder, sind wir nicht Kinder der Magd, sondern der Freien: mit welcher Freiheit uns Christus befreit hat.

Erklärung

Den Judenchristen, die sich so viel auf ihre Abstammung von Abraham zugute taten, zeigt der Apostel die Vorzüge des Neuen Testamentes vor dem Alten an der Geschichte der beiden Frauen Abrahams und deren Söhne. Hagar war eine Sklavin, ihr Sohn nach dem Laufe der Natur geboren. Sara war freigeboren, ihr Sohn eine Frucht des Gebetes und wunderbaren Eingreifens Gottes. Hagar sinnbildet den Alten Bund, das Gesetz der Furcht und Dienstbarkeit. Sara ist ein Vorbild des Neuen Bundes, des Gesetzes der Liebe und Freiheit. Die vielen Kinder der Kirche des Neuen Bundes sind Gnadenkinder, Beweise des Waltens Gottes. Sie sollen sich der Freiheit Christi erfreuen.

Der Kirche wird immer vorgeworfen, sie mache unfrei durch Dogmenzwang, Formelwesen, Menschensatzungen und Gewissensdruck. Als die Großtat der sogenannten Reformatoren wird selbst von Ungläubigen gepriesen, dass sie das römische Joch gebrochen, die Gewissen von unerträglichem Druck befreit hätten. Besteht denn aber die christliche Freiheit in Zügellosigkeit? Der heilige Johannes sagt: Die Wahrheit wird euch freimachen. Und Paulus: Christus hat uns freigemacht. Denn Christus ist die Wahrheit. Nur seine Kirche lehrt die rechte Anschauung von wahrer Freiheit und hilft dieselbe erringen. Was den Menschen knechtet und entwürdigt, sind nicht äußere Lebensverhältnisse, sondern die Sklavenketten der Sünde. Die Kirche hat Menschen aus den niedrigsten Ständen zu Heiligen erzogen und auf ihre Altäre erhoben; damit zeigt sie den rechten Sinn und Weg der Freiheit. Der Lügner von Anbeginn möchte dagegen uns immer wieder das Trugbild einer falschen Freiheit vorgaukeln, indem er aufreizt gegen Gottes Gebot. Die sich von ihm betören lassen, verlieren den Sinn für wahre Freiheit; daher dann die Verfolgung der Kirche.

Gebet. Ich danke dir, o Gott! dass du mich zum wahren Glauben berufen und in deine heilige Kirche aufgenommen hast. Erhalte mich immer in deiner Liebe, und mache mich einst in deinem Reiche deiner Erbschaft teilhaftig!

Evangelium Johannes VI,1-15

In derselben Zeit fuhr Jesus über das Galiläische Meer, an dem die Stadt Tiberias liegt. Und es folgte ihm eine große Menge Volkes nach, weil sie die Wunder sahen, die er an den Kranken wirkte. Da ging Jesus auf den Berg und setzte sich daselbst mit seinen Jüngern nieder. Es war aber das Osterfest der Juden sehr nahe. Als nun Jesus die Augen aufhob und sah, dass eine große Menge Volkes zu ihm gekommen sei, sprach er zu Philippus: Woher werden wir Brot kaufen, dass diese essen? Das sagte er aber, um ihn auf die Probe zu stellen, denn er wußte wohl, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Zehner ist nicht hinreichend für sie, dass jeder nur etwas Weniges bekomme. Da sprach einer von seinen Jüngern, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Knabe hier, der fünf Gerstenbrote und zwei Fische hat; allein was ist das unter so viele? Jesus aber sprach: Lasset die Leute sich setzen! Es war aber viel Gras an dem Orte. Da setzten sich die Männer, gegen fünftausend an der Zahl. Jesus aber nahm die Brote, und nachdem er gedankt hatte, teilte er sie denen aus, die sich niedergesetzt hatten, desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übriggebliebenen Stücklein von den fünf Gerstenbroten, welche denen, die gegessen hatten, übrig geblieben waren. Da nun diese Menschen das Wunder sahen, das Jesus gewirkt hatte, sprachen sie: Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll! Als aber Jesus erkannte, dass sie kommen und ihn mit Gewalt nehmen würden, um ihn zum Könige zu machen, floh er abermals auf den Berg, er allein.

Warum ging Jesus so oft in einsame Gegenden?

Um uns zu lehren, dass wir uns oft zur innerlichen Sammlung und zum Gebete in die Einsamkeit verfügen sollen; denn die Unruhe der Welt stört die Andacht.

Warum stellte Christus den Philippus auf die Probe?

1. Um seinen Glauben und sein Vertrauen auf ihn zu prüfen; 
2. um uns zu belehren, dass wir zuerst auf natürliche und gewöhnliche Mittel bedacht sein sollen, ehe wir übernatürliche suchen;
3. damit das Wunder bei dem Volke desto auffallender würde; indem es überzeugt sein konnte, dass fünf Gerstenbrote und zwei Fische für fünftausend Menschen nicht hinreichten;
4. damit wir auf Gott vertrauen lernen, der zu gelegener Zeit ein Helfer in der Trübsal ist (Psalm 9,10).

Was für Lehren gibt Christus bei diesem Wunder?

1. Er sah gen Himmel, um zu zeigen, dass es nur Gott sei, der, wenn er seine milde Hand öffnet, alles mit Segen erfüllt.
2. Er dankte, um uns zu lehren, dass auch wir Gott für seine Gaben danken sollen. Der Tisch, spricht der hl. Chrysostomus, der mit dem Gebet anfängt und mit dem Gebet endigt, wird niemals Mangel haben.
3. Er segnete das Brot, ums uns zu lehren, dass durch den göttlichen Segen alles vermehrt wird.

Warum hat Christus befohlen, die übriggebliebenen Stücklein zu sammeln?

1. Damit durch die Menge derselben die Größe des Wunders an den Tag käme.
2. Um uns zu lehren, die Gaben Gottes, wie gering sie auch immer zu sein scheinen, in Ehren zu halten, sie nicht mutwillig oder verächtlich zu behandeln oder behandeln zu lassen, und von dem Überflüssigen die Armen zu erquicken.

Warum ist Christus nach diesem Wunder entflohen?

Weil die Leute dieses Wunders wegen ihn zum Könige ausrufen wollten. Auch lehrte er uns dadurch, dass wir in unsern Handlungen nicht die Hochschätzung und Liebe der Menschen, sondern bloß die Ehre Gottes suchen sollen.

Welche Lehre liegt in diesem Evangelium für die Armen?

Dieses Evangelium ist deshalb so tröstlich für die frommen Armen, weil Christus auch ungebeten für das hungernde Volk gesorgt hat. Vom Anbeginn der Welt an trug Gott allezeit für die Seinigen Sorge. Zum Troste seines auserwählten Volkes hat er den Joseph nach Ägypten geschickt (1 Mos 45,5), die Kinder Israels vierzig Jahre lang mit Brot vom Himmel gespeist (5 Mos 8), den Propheten Elias durch einen Raben (3 Kön 17,6) den Daniel in der Löwengrube durch einen Engel ernährt (Dan 14,37). Ebenso bezeigte Gott im Neuen Testamente seine gütige Fürsorge für die Seinigen, indem er sie in der größten Not bald auch durch Tiere, bald durch Engel, bald durch Menschen auf das wunderbarste ernährte, wie aus den Lebensgeschichten der Heiligen erhellt. David hat also wahr und treffend gesagt, Gott verlasse keinen Gerechten, der ihm aufrichtig diene (Psalm 36,33), und vor allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suche (Luk 12,32). Wer aber dieses nicht tut, wer sich zu Gott nicht wendet, zu dem wendet sich Gott auch nicht; nur für seine wahren Kinder sorgt er väterlich. Befleiße dich also, ein gutes Kind zu sein, so wird Gott auch als ein gütiger Vater für dich sorgen. "Wirf deine Sorge auf den Herrn, und er wird dich erhalten" (Psalm 54,23). Warum geht es manchen so übel? Weil sie nicht auf Gott, sondern auf die Menschen, oder auf sich selbst, oder gar auf sündhafte Mittel vertrauen, nicht arbeiten und vom Sündigen nicht abstehen wollen.


Betrachtung über die Wirkungen der heiligen Kommunion

1. Die heilige Kommunion vereinigt aufs innigste mit Christus. Wie ist das zu verstehen?

Der Christ im Stande der Gnade, ohne Todsünde, hat ein doppeltes Leben, das natürliche Leibesleben und das übernatürliche Seelenleben. Zur Erhaltung des natürlichen Lebens ist leibliche Nahrung nötig das tägliche Brot; für das übernatürliche Leben aber ist übernatürliche Nahrung nötig. Diese Nahrung für das Gnadenleben will Jesus Christus selbst sein. Er sagt: "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist; wer von diesem Brote isset, wird niemals sterben; das Brot, das ich euch geben werde, ist mein Fleisch (das ich hingebe) für das Leben der Welt. Was also die irdische Nahrung wirkt für das Leibesleben, das wirkt die übernatürliche Seelenspeise der heiligen Kommunion für die Seele und ihr übernatürliches Gnadenleben.

Die erste Wirkung der Nahrung für den Leib ist: die Speise wird aufs innigste mit uns vereinigt. So ist auch die erste Wirkung der heiligen Kommunion für unser Seele: diese himmlische Speise, Christus selbst, wird aufs innigste mit uns vereinigt. "Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und ich in ihm." Das tägliche Brot wird nicht nur vereinigt, sondern es geht über in Saft und Blut, wird ein Teil von unserm Fleisch und Gebein, vorausgesetzt, dass wir gesund sind; in einem kranken Körper verwandelt sich die Nahrung nicht in gesundes Blut, sondern in unreine und verderbliche Säfte. So auch bei der Kommunion. Der glorreiche Leib Jesu Christi vereinigt sich mit unserm Leibe, auf dass wir ein Herz und eine Seele mit ihm werden. Sein Fleisch und Blut war das Werkzeug seiner Vereinigung mit uns, unsere Speise, zubereitet auf dem Altar der Messe; das Leben eurer Seele soll dadurch hinüberströmen in unsere Seele, damit nicht mehr wir leben, sondern Christus lebt in uns, d.h. damit wir einerlei Gesinnung und Willen haben mit ihm, uns regieren lassen von seinem Geistes. Und das geschieht jedesmal, sooft bei der Kommunion unsere Seele gesund ist, nicht verpestet durch schwere Sünde.

Welche Liebe und welche Ehre wird uns geboten in jeder Kommunion! Die Liebe sucht nach Vereinigung. So groß ist die Liebe Jesu zu dir, so glühend und stark sein Verlangen nach Vereinigung mit dir, dass er sich all seiner Herrlichkeit entäußert, herabsteigt vom Himmelsthron, sich klein macht, dass er wieder wird wie das Knäblein in Bethlehem, ja selbst die menschliche Gestalt ablegt und sich verbirgt unter der Gestalt von Brot, um sich mit dir zu vereinigen, dass er eingeht in deine Seele, um eins mit dir zu werden in der Liebe. Und wer begreift die Ehre, die dem ärmsten Gläubigen widerfährt in der Kommunion! Er wird eins mit dem König des Himmels und der Erde, vor dem die Fürsten der Welt sich beugen in den Staub; er wird ein lebendiges Ziborium, ein lebendiger Tabernakel des Allerhöchsten - die Engel werfen sich nieder und beten an. O, wenn wir Glauben hätten, welches Glück müßten wir finden in der Kommunion! "Wie viele sagen: ich möchte nur einmal seine Gestalt sehen, den Saum seiner Kleider berühren; siehe, hier im Sakramente siehst du ihn ja selbst, berührst ihn, genießest ihn. In eurer Mitte ist der, den ihr nicht erkennet, und dessen kostbare Reliquien zu besuchen, dessen heilige Fußtapfen anzubeten eure Väter so weite Reisen gemacht haben. Kommt zum Altare; hier sind nicht nur Stätten, die einst durch seine Gegenwart geheiligt waren, hier ist er selbst. Hier, sagen wir euch, hat er dem verlorenen Sohne verziehen und ihn an seinem Tische sitzen lassen; hier hat er das kranke Weib geheilt, das alle menschliche Kunst und alle Hilfe der Welt nicht heilen konnte; hier hat er den Zöllner aus seinen Sünden gezogen und Frieden in das Haus seiner Seele gebracht; hier hat er täglich ein hungriges Volk mit einem wunderbaren Brote gespeist, damit es nicht erliege auf dem mühsamen Wege der Tugend. Jede Stelle in der Nähe seiner Altäre ist durch eines seiner Wunder bezeichnet" (St. Chrysostomus).

Nun wird macher sagen müssen: ich kenne solche Liebe und Sehnsucht nicht, der Gedanke an den Heiland läßt mich kalt. Was ist darauf zu sagen? Gerade für dich ist die andächtige, würdige Kommunion besonders nötig. Du bedarfst der Vereinigung mit demjenigen, der gesagt hat: Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen. Das Feuer der Liebe, das im Herzen Jesu brennt wird auch dein kaltes Herz auftauen und erwärmen, und eine Umwandlung bewirken, deines Denkens, Wollens und Lebens, und zwar immer mehr, je öfter und würdiger du kommunizierst.

2. Die zweite Wirkung ist: sie vermehrt die heiligmachende Gnade, und zwar wie? Die irdische Nahrung erhält und vermehrt in uns das leibliche, natürliche Leben und die Lebenskraft. Du hast jetzt mehr Leben und Lebenskraft als damals, wo du noch ein kleines Kind warst. Die Nahrung, die du täglich genommen, hat dir das Leibesleben erhalten und vermehrt und dir stets neue Kräfte gegeben. So bewirkt nun auch die übernatürliche, himmlische Nahrung der heiligen Kommunion, dass das übernatürliche Leben der heiligmachenden Gnade in uns erhalten und vermehrt, gestärkt, gekräftigt wird, und dadurch vor allem die Liebe Gottes zu uns, die Schönheit der Seele, die künftige Herrlichkeit.
Wenn du ein Mittel wüßtest, das die leibliche Schönheit und Wohlgestalt vermehren, dir die Liebe und das Wohlgefallen aller Menschen erwerben, dein Wohlsein, deine Gesundheit befestigen würde, was würdest du darum geben? Nun sieh, durch jede würdige Kommunion wird die unendlich herrlichere, ewig leuchtende Schönheit der Seele gesteigert und die Gesundheit der Seele befestigt; nicht nur das Wohlgefallen armseliger Menschen wird erworben, sondern die Liebe und das Wohlgefallen des unendlich herrlichen und mächtigen Gottes. Wüßtest du ein Mittel, täglich dein Vermögen zu vermehren, Schätze und Reichtümer zu erwerben, kein Weg wäre dir zu weit, keine Mühe zu groß. Nun wohl, durch jede würdige Kommunion wächst der Reichtum der Seele, und du kannst damit stets neue Schätze für den Himmel erwerben. Ein berühmter Maler wird für alle seine Bilder gut bezahlt, aber nicht gleich gut, die späteren gelten mehr; warum? Mit jeder neuen Arbeit wächst seine Geschicklichkeit, seine Kunst, sein Ruhm, er kann dann immer rascher und besser malen und wird besser bezahlt. So vermehrt auch jede würdige Kommunion gleichsam das himmlische Talent, die übernatürliche Kunstfertigkeit in unserer Seele, so dass wir immer bessere, vollkommenere gute Werke verrichten, und auch unsere Bezahlung dafür, unser Lohn im Himmel, immer reicher wird. O, wenn wir unsern Vorteil für diese und die andere Welt recht verständen, wie würden wir dann oft und gern und mit inbrünstigem Verlangen zu diesem wunderbaren Sakramente, zur heiligen Kommunion hinzutreten, welche die Schätze der heiligmachenden Gnade vermehrt!

3. Dem übernatürlichen Gnadenleben drohen jedoch Gefahren, Krankheit und Tod, ähnlich wie dem irdischen. Und auch dafür hat der Heiland uns ein Schutzmittel gegeben in der heiligen Kommunion. Eine weitere Wirkung derselben ist: sie befreit uns von den leichten Krankheiten der Seele, den läßlichen Sünden, und bewahrt uns vor Todeskrankheit, vor der Todsünde.
Auch hierin hat die heilige Kommunion wieder Ähnlichkeit mit der leiblichen Nahrung. Wenn z.B. ein Kind armer Leute, das eine recht ärmliche, ungenügende Kost hat, kränklich schwächlich ist und zu einem verständigen Arzte gebracht wird, so wird dieser keine andere Medizin verordnen, als gute, kräftige Nahrung - diese heilt von selbst die Schwäche und Kränklichkeit. Die Nahrung ist es auch, die das Leben erhält und vor dem Tode bewahrt. - Ähnlich wirkt die heilige Kommunion. Wenn wir diese göttliche Speise recht würdig und eifrig empfangen, so tilgt sie in uns die kleinen Fehler und Sünden, von denen kein Mensch ganz frei sit, und bewahrt unsere Seele vor dem geistigen Tode, der schweren Sünde und ewiger Verdammnis. Beständig droht der Seele Gefahr von ihren Feinden: Welt, Fleisch und Satan. Und dabei sind wir selbst so kraftlos, lahm, träge, legen so gern die Hände in den Schoß, wo doch ernstliche Arbeit, strenge Wachsamkeit, tapferer Kampf not täte. Wie sollen wir bestehen können? Der Heiland, unser Erlöser, der starke Überwinder des Satans und der Sünde, er kommt selbst, uns anzutreiben und stark zu machen. Wir vermögen alles in dem, der uns stärkt. Er vertreibt den Teufel, dämpft die Glut der Begierlichkeit, schwächt die bösen Neigungen; er erwärmt und entzündet unser kaltes Herz zur Liebe und zum Eifer; und das alles vor allem durch die heilige Kommunion. Er, der alle unsere Schwachheiten und Nöten am besten kennt, er kommt da, um uns zu stärken, damit wir nicht erliegen im täglichen Kampfe.
Hast du nur eine ungefährliche Krankheit, was tust du oft, um davon frei zu werden, z.B. von Kopfweh oder Zahnweh. Die läßliche Sünde ist eine solche Krankheit der Seele; mit welcher Begierde solltest du zur heiligen Kommunion eilen, welche dich befreien soll von dieser Krankheit! - Stelle dir ferner vor, du wärest schwerkrank und fürchtetest zu sterben. Wenn man nun sagte, du müßtest mit schweren Kosten einen geschickten Arzt bezahlen oder eine schmerzhafte Operation bestehen, dann werde dein Leben erhalten, würdest du nicht dich willig dazu verstehen? Nun sieh, du bist in steter Todesgefahr der Seele nach; deine Seele ist schwach und kränklich, von tausend Versuchungen bestürmt, wie leicht könntest du in schwere Sünden fallen und das Leben der Gnade verlieren, dem ewigen Tode verfallen! Das wäre ein Unglück, tausendmal ärger, als der qualvollste leibliche Tod, ein Unglück, so groß, dass kein Mensch, kein Engel es zu begreifen vermag. Todsünde - furchtbares Wort für jeden, der Glauben hat. Ich kann jeden Augenblick in Todsünden fallen, in der Todsünde sterben und ewig verdammt werden, welch schrecklicher Gedanke für jeden, der ihn beherzigt! Was sollte zu kostbar, zu mühsam sein, um ein Mittel gegen die Todsünde zu erlangen? Und nun sieh, Jesus, dein Heiland, bietet es dir in der Kommunion. Er hat diese wunderbare Medizin zubereitet am Kreuze; in der Glühhitze entsetzlicher Leiden reifte die Frucht am Baume des Lebens, die uns bewahren soll vor dem ewigen Tode. "Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der hat das ewige Leben." "Ich bin das wahre Brot, das vom Himmel gekommen ist, wer von diesem Brote isset, wird niemals sterben." Wahrlich, in schwerer Arbeit, in furchtbaren Schmerzen, mit unsäglichen Opfern hat er es uns verdient und bereitet, das Brot, das unsere Seele nährt und bewahrt vor dem Tode schwerer Sünden; und wir könnten gleichgültig dagegen sein und es verachten?

Das sind nur wenige schwache Andeutungen davon, was die heilige Kommunion wirken soll. Kommunion heißt Vereinigung. Es ist die innigste Vereinigung mit dem Gottmenschen, die auf Erden möglich ist. Die körperliche Vereinigung ist nur ein Mittel der geistigen Blutsverwandtschaft mit Christus. Sie reinigt uns von läßlichen und bewahrt uns vor Todsünden; sie vermehrt die heiligmachende Gnade, diese Lebenskraft der Seele, und verdient eine höhere Stufe der himmlischen Seligkeit; sie ist und endlich vom Herrn gegeben als ein sicheres Unterpfand unserer künftigen glorreichen Auferstehung und ewigen Seligkeit. Es ist nicht nur der für uns hingeopferte, sondern auch der glorreich erstandene Leib, den wir genießen, und dem wir dereinst gelichgestaltet werden sollen. So erwecke denn öfter den Glauben an die wunderbare Kraft dieser Himmelsspeise, herzliches Verlangen nach ihr, und den Vorsatz, sie oft mit würdiger Vorbereitung zu empfangen.

Gebet. Ich bin, o Jesu! nicht so unschuldig wie du, vielmehr bin ich vieler Sünden schuldig, und dennoch will ich es nicht dulden, wenn ich nur ein widriges Wort höre, und erzürne mich sogleich über meinen Nächsten, der mir widerspricht. Verzeih mir meine Ungeduld und gib mir die Gnade, die Unbilden geduldig zu ertragen, sie zu meiner Besserung zu benützen, und wenn es zu deiner Ehre oder zu des Nächsten Heil nötig ist, mit Bescheidenheit zu antworten.


Unterricht für den Freitag nach dem vierten Fastensonntag (Fest des kostbaren Blutes)

Eingang der heiligen Messe:

Du hast uns Gott, erkauft mit deinem Blute aus allen Geschlechtern und Zungen und Völkern und Nationen, und hast uns, Gott, zum Reiche gemacht (Offenb 5). Die Erbarmungen des Herrn will ich ewiglich besingen; von Geschlecht zu Geschlecht deine Wahrheit verkünden durch meinen Mund (Ps 88).

Gebet der Kirche. Allmächtiger, ewiger Gott, der du deinen eingeborenen Sohn zum Erlöser der Welt gemacht hast und durch sein Blut versöhnt werden wolltest, verleihe uns gnädigst, das Fest des Preises unseres Heiles so zu begehen und durch seine Kraft vor den Übeln dieses Lebens auf Erden beschützt zu werden, dass wir seiner ewigen Früchte im Himmel uns erfreuen mögen. Der mit dir lebt usw.

Lektion aus dem Briefe an die Hebräer IX,11-14

Christus aber kam, ein Hoherpriester der künftigen Güter; und mit einer herrlicheren und vollkommeren Stiftshütte, einer nicht mit Hände gemachten; auch nicht mit dem Blute der Widder und Kälber, sondern mit seinem eigenen Blute ging er einmal ein in das Allerheiligste, eine ewige Erlösung vollbringend. Denn wenn das Blut der Widder und Stiere, und die Asche von der Kuh, gesprengt auf die Unreinen, heiligt zur Reinheit des Fleisches; wievielmehr wird das Blut Christi, der durch den Heiligen Geist sich selbst makellos Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den Werken des Todes, daß wir dienen mögen dem lebendigen Gott!

Erklärung

Christus, des Alten Bundes Erwartung und Endziel, hat alle Vorbilder desselben verwirklicht; insbesondere die Opfer und das Hohepriestertum. Als der wahre Hohepriester kam er auf die Welt, vollendete sein Opfer am Kreuze und ging dann in das Allerheiligste des Himmels, wo er sein hohepriesterliches Wirken fürbittend beim Vater immer fortsetzt. Der jüdische Hohepriester mußte am Versöhnungstage jedes Jahr aufs neue nach Darbringung der vorbildlichen Sühnopfer in das Allerheiligste vor das Angesicht Jehovas treten; Jesus dagegen hat durch sein eigenes Blut ein für allemal den Eingang in das Allerheiligste der Gottesherrlichkeit erlangt, und ebenso für uns. Die Asche von Sühnopfertieren wurde, mit Wasser vermischt, auf solche gesprengt, die sich gesetzliche Verunreinigung zugezogen hatten, z.B. durch Berührung von Leichen; sie wurden so wieder gereinigt und durftenwieder am Gottesdienst teilnehmen. Sie die Berührung von Leichen unrein machte und abhielt vom Betreten des Tempels, so verunreinigen die toten Werke, d.h. die Sünden die Seele, und machen den Menschen unwürdig zu Gott zu kommen. Von solcher Verunreinigung kann nur das Blut des wahren Opferlammes erlösen.

Evangelium Johannes XIX,30-35

Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf. Die Juden aber (weil es der Rüsttag war), auf dass nicht die Leichname am Kreuze blieben während des Sabbats, baten Pilatus, dass ihnen die Beine gebrochen und sie abgenommen würden. Da kamen die Kriegsknechte und brachen dem ersten die Beine und dem andern, der mit diesem gekreuzigt war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorbenwar, brachen sie ihm die Beine nicht: sondern einer der Kriegsknechte öffnete dessen Seite mit einer Lanze; und alsbald kam heraus Blut und Wasser. Und der es gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr.


Betrachtung über das kostbare Blut

1. Unendlich verehrungswürdig ist das kostbare Blut des Sohnes Gottes, der Preis unserer Erlösung.
Die Schrift sagt, dass mit Blut alles gereinigt werde und ohne Blutvergießen es keine Versöhnung gebe; im Blute sei das Leben, und daher auch nur im Blute die Versöhnung. Dieses Gefühl hatten selbst die Heiden, die deshalb sogar Menschen opferten. Der Grund liegt im Wesen der Sünde. Die Sünde ist freiwillige Trennung der Seele von Gott, also der geistige Tod. Blutige Tieropfer kommen erst nach dem Sündenfall auf. Die geopferten Tiere sollten die Stellvertreter des Menschen sein, der selbst des Todes schuldig geworden war. Diese Opfer konnten jedoch keine Reinigung bewirken. Der Mensch kann Gott beleidigen, aber er kann sich durch eigene Kraft nicht wieder mit Gott versöhnen; er hat nichts, was an Wert die unendliche Beleidigung Gottes aufwöge. Die Tieropfer sollten die Menschen immerfort erinnern an ihre große Schuld und and die große Verheißung des wahren Opferlammes, das in seinem Blute die Sünden der Welt sühnen werde.
Freilich hätte Gottes Macht und Weisheit auch andere Mittel finden können, uns zu erlösen. Allein wir begreifen wohl, warum gerade die blutige Versöhnung seine Weisheit und Liebe herrlich offenbart. Wie mächtig gepredigt und das Opferblut seines eingeborenen Sohnes Gottes strenge Gerechtigkeit und die unendliche Verabscheuungswürdigkeit der Sünder einerseits, und seine unbegreifliche Liebe und Erbarmung anderseits! Darum ward der süße Erlösername Jesus unzertrennlich verbunden mit dem kostbaren Blute. Dieses floß ja zuerst bei der Beschneidung, wo der Herr diesen Namen empfing und sich mit dem Male der Sündenschuld bezeichnen ließ. Wohl hätten diese ersten Tropfen hingereicht zu unserer Rettung: er wollt jedoch in der Überfülle seiner Liebe sein Blut bis auf den letzten Tropfen vergießen, und als er die letzten vergoß, stand der Erlösername Jesus über seinem Haupte geschrieben.

2. Wie soll ich nun diesem kostbaren Blute meine Verehrung bezeigen? Vor allem muß ich oft und dankbar anerkennen mit Herz und Mund, dass in demselben meine Erlösung, die einzige Quelle meines Heiles liegt.
Sooft meine Seele von Sünden gereinigt wurde, geschah es durch das Blut des unbefleckten Lammes. Hattee ich je einen heilsamen Gedanken, der seine Folgen in die Ewigkeit hineinerstreckt, wurde mein Wille je zum Guten angeregt, schlug mein Herz je in Liebe zu Gott, ließ ich mich zu Werken bewegen, denen die ewige Seligkeit als Lohn verheißen ist: die Gnade dazu ist diesem kostbaren Blut entsprossen. Alles verdanke ich ihm. Hätte dieses kostbare Blut nicht ohne Unterlaß für mich zum Himmel geschrien um Erbarmen, stärker als das Blut des gerechten Abel einst zum Himmel um Rache schrie, ich wäre schon längst hoffnungslos verloren.
Welche Gefühle der Ehrfurcht, Liebe und Dankbarkeit würden mich durchschauert haben, hätte ich dieses Blut fließen sehen können vom Kreuzesstamme! Nun aber sehe ich es mit den Augen des Glaubens noch täglich fließen beim Opfer der heiligen Messe. Dort ist es wirklich, wahrhaft und wesentlich gegenwärtig, um mir die Gnadenfrüchte des Kreuzesopfers mitzuteilen. Heiliger Leib, der du für mich durchstochen bist, o kostbares Blut, das für mich vergossen ist, du mein Lösepreis, du mein Heil und mein Alles, sei tausendmal auch auf dem Altare gegrüßt und angegebetet! Alles in mir vergehe vor Dank, Bewunderung und Liebe, o kostbares Blut Jesu Christi, ich rufe zu dir um Erbarmen! Du hast alles gereinigt, was befleckt, alles versöhnt und verbunden, was entzweit und getrennt war, hast reingewaschen die Gewande aller, die jetzt im Himmel dir lobsingen und danken; ein einziger Tropfen von dir ist kräftig genug, tausend Welten zu erlösen, o, erweise auch an meiner befleckten, liebeleeren, kalten Seele deine reinigende, belebende und heiligende Kraft!

3. Nicht bloß verehren, sondern auch treulich benutzen soll ich dieses kostbare Blut, das immerfort noch für mich fließt. Die Sakramente sind die großen Kanäle, durch die es mir zufließt. Wie eifrig und ehrfurchtsvoll muß ich sie gebrauchen. Insbesondere das Sakrament des Leibes und Blutes Jesu. Das Opferblut des Alten Bundes durfte nicht genossen werden; denn die Reinigung, die dasselbe wirken konnte, war nur eine äußerliche, körperliche, keine innere, geistige; deshalb wurden damit besprengt die Türpfosten, die Altäre, das Heiligtum, das Buch des Bundes, das Volk. Das Blut des Neuen Bundes dagegen vermag die Seelen zu heiligen. Unser Erlöser begnügte sich daher nicht, sein Blut zu vergießen, sondern - o unermeßlich große Liebe meines Gottes - er gibt es uns auch wirklich zu genießen. Es nährt dieser göttliche Hirt, wie es noch nie ein Hirt getan, uns mit seinem eigenen kostbaren Blute. Etwas unaussprechlich Wunderbares; aber er kann dieses Wunder wirken, und er versichert uns wieder und wieder: "Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich ihn ihm. Gleichwie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich durch den Vater lebe, so wird auch der, der mich isset, leben durch mich" (Joh 6). Ich soll mit dem heiligen Fronleichnam auch sein heiliges Blut in mich aufnehmen. Wenn ich es nicht genieße, wenn es meine Seele nicht berührt, benetzt und durchdringt, kann sie nicht leben für Gott. Welche Gnade, aber auch welche Verantwortung! Welche ehrfurchtsvolle, dankbare Liebe fordert dieses Geheimnis, und welche sorgfältige Vorbereitung!

Endlich muß die Verehrung des kostbaren Blutes sich im ganzen christlichen Leben offenbaren. Wir sind um teueren Preis erkauft; wie teuer muß uns also nicht nur die eignen Seele, sondern auch jeder unserer Mitmenschen sein, wie groß unser Abscheu vor der Sünde sein! Jesus hat für uns gestritten und gelitten bis aufs Blut; was dürfenwir ihm also weigern? Die Liebe zu ihm verlangt, dass wir für ihn alles leiden und hingeben, wozu die Christenpflicht auffordert, allem bis aufs Blut widerstehen, was uns von ihm losreißen will. Wer irgend etwas auf der Welt mehr liebt als ihn, ist seiner nicht wert. Wenn er nicht von jedem wirklich das Vergießen des Blutes fordert, wie von den heiligen Märtyrern, so verlangt er doch von allen ein unblutiges Martyrium, beständigen Kampf, Selbstverleugnung und Aufopferung des ganzen Lebens. - Bereue denn deine bisherige Gleichgültigkeit gegen seine Liebe, deine vielen Sünden, deinen Mangel an lebendigen Glauben, und versprich aufs neue Treue, Eifer, mutigen Kampf und Ausdauer mit Hilfe seiner Gnade.

Gebet. O kostbares Blut meines Erlösers, sei mir gegrüßt. Du flossest am Kreuzesstamme, du fließest noch täglich auf dem Altare für meine Sünden und tränkest meine Seele in der Kommunion, reinigst, erleuchtest und stärkst meine Seele durch die zahllosen Gnaden des Christentums; erfülle mich mit Liebe und Verehrung gegen dich, den kostbaren Preis meiner Erlösung, mit Eifer für mein und meines Nächsten Seelenheil, mit Abscheu gegen die Sünde, mit Standhaftigkeit in Versuchung, damit ich würdig werde, mit allen Märtyrern und Bekennern dich dereinst zu preisen im Himmel. Amen.


Unterricht für den fünften Sonntag in der Fasten (Judica)

Der heutige Sonntag heißt der Passionssonntag, d.i. Leidenssonntag, weil sich jetzt die Kirche besonders mit dem Leiden Christi beschäftigt. Heute werden die Kruzifixbilder bedeckt, zum Andenken, dass Christus einige Tage vor seinem Leiden sich vor den Juden verbarg, und sich nicht mehr öffentlich unter ihnen sehen ließ. Es wird auch in der heiligen Messe das "Ehre sei dem Vater usw." ausgelassen, weil in der Person Christi die heiligste Dreifaltigkeit entehrt wurde.

Im Anfang der heiligen Messe spricht die Kirche im Namen des leidenden Jesus:

Schaffe mir Recht, o Gott! und entscheide meinen Handel wider das unheilige Volk; von dem ungerechten und arglistigen Manne rette mich; denn du, o Gott! bist meine Stärke. Sende dein Licht und dein Wahrheit, sie werden mich leiten und führen auf deinen heiligen Berg und in deine Wohnung (Ps 42,1-3)

Gebet der Kirche. Wir bitten dich, allmächtiger Gott! sieh gnädig auf dein Volk herab, damit es von dir regiert und durch deine Gnade seine leibliche und geistige Wohlfahrt befördert werde, durch unsern Herrn Jesum Christum usw.

Lektion aus dem Briefe an die Hebräer IX,11-14

Christus aber kam, ein Hoherpriester der künftigen Güter; und mit einer herrlicheren und vollkommeren Stiftshütte, einer nicht mit Hände gemachten; auch nicht mit dem Blute der Widder und Kälber, sondern mit seinem eigenen Blute ging er einmal ein in das Allerheiligste, eine ewige Erlösung vollbringend. Denn wenn das Blut der Widder und Stiere, und die Asche von der Kuh, gesprengt auf die Unreinen, heiligt zur Reinheit des Fleisches; wievielmehr wird das Blut Christi, der durch den Heiligen Geist sich selbst makellos Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den Werken des Todes, daß wir dienen mögen dem lebendigen Gott!

Erklärung

Christus, des Alten Bundes Erwartung und Endziel, hat alle Vorbilder desselben verwirklicht; insbesondere die Opfer und das Hohepriestertum. Als der wahre Hohepriester kam er auf die Welt, vollendete sein Opfer am Kreuze und ging dann in das Allerheiligste des Himmels, wo er sein hohepriesterliches Wirken fürbittend beim Vater immer fortsetzt. Der jüdische Hohepriester mußte am Versöhnungstage jedes Jahr aufs neue nach Darbringung der vorbildlichen Sühnopfer in das Allerheiligste vor das Angesicht Jehovas treten; Jesus dagegen hat durch sein eigenes Blut ein für allemal den Eingang in das Allerheiligste der Gottesherrlichkeit erlangt, und ebenso für uns. Die Asche von Sühnopfertieren wurde, mit Wasser vermischt, auf solche gesprengt, die sich gesetzliche Verunreinigung zugezogen hatten, z.B. durch Berührung von Leichen; sie wurden so wieder gereinigt und durftenwieder am Gottesdienst teilnehmen. Sie die Berührung von Leichen unrein machte und abhielt vom Betreten des Tempels, so verunreinigen die toten Werke, d.h. die Sünden die Seele, und machen den Menschen unwürdig zu Gott zu kommen. Von solcher Verunreinigung kann nur das Blut des wahren Opferlammes erlösen.

Evangelium Johannes VIII,46-59

In jener Zeit sagte Jesus zu den Juden: Wer aus euch kann mich einer Sünde beschuldigen? Wenn ich euch nun die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht? Wer aus Gott ist, der hört auf Gottes Wort; darum hört ihr nicht darauf, weil ihr nicht aus Gott seid. Da antworteten die Juden und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht mit Recht, dass du ein Samaritan bist und einen Teufel hast? Jesus antwortete: Ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Vater, ihr aber entehret mich. Doch ich suche meine Ehre nicht; es ist einer, der sie sucht und richtet. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn jemand meine Worte hält, wird er den Tod nicht sehen in Ewigkeit. Da sprachen die Juden: Nun erkennen wir, dass du einen Teufel hast. Abraham und die Propheten sind gestorben, und du sagst: Wenn jemand meine Worte hält, der wird in Ewigkeit den Tod nicht kosten! Bist du denn großer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst? Jesus antwortete: Wenn ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre nichts; mein Vater ist es, der mich ehrt, von dem ihr sagt, dass er euer Gott sei. Doch ihr kennet ihn nicht; ich aber kenne ihn. Und wenn ich sagte, ich kenne ihn nicht, so wäre ich, was ihr seid - ein Lügner. Aber ich kenne ihn und halte seine Worte. Abraham, euer Vater, hat frohlocket, dass er meinen Tag sehen sollte; er sah ihn und freute sich. Da sprachen die Juden: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen? Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, bevor Abraham ward, bin ich. Da hoben sie Steine auf, um auf ihn zu werden; Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel hinaus.

Warum fragte Jesus die Juden: "Wer aus euch kann mich einer Sünde oder Unwahrheit beschuldigen"?

1. Wollte er uns lehren, dass, wer andere ermahnen und bestrafen will, sich selbst nach Kräften bestreben müsse, unsträflich zu sein; 2. wollte er sich öffentlich auf seine Wahrheitsliebe und Unschuld berufen, weil er wußte, wie hinderlich die Lästerungen der Juden der Verbreitung seiner Lehre waren. So ist es auch für manchen Pflicht, sich mit Sanftmut und Liebe zu verteidigen, damit die Feinde widerlegt, irriger Argwohn aufgehoben und die der Ehre Gottes und dem Heile des Nächsten schädlichen Folgen verhindert werden.

Warum sagt Christus: "Wer aus Gott ist, der hört auf Gottes Wort"?

Er wollte dadurch die Hartnäckigkeit der Juden bestrafen, die ihm nicht glauben und folgen wollten. Diese Worte sind aber auch eine schreckliche Strafrede für jene Christen, die Predigten, Christenlehren oder sonst den Unterricht in göttlichen Dingen verabsäumen.

Was verspricht Christus denjenigen, die sein Wort halten?

Dass ihr Sterben nur ein Hinüberschlummern zum ewigen Leben sein werde.

Wie widerlegte Jesus die ihm gemachten Vorwürfe, dass er einen Teufel habe usw.?

Er sagte: 1. dass er sich nicht selbst ehre, sondern auf seinen Vater vertraue, der ihn verherrlichen werde; er kenne ihn und halte seine Worte, er habe also keinen Teufel. 2. Abraham habe seine Ankunft auf Erden durch göttliche Erleuchtung erfahren und sich darüber erfreut.

Was zeigen die Worte an. "Ehe denn Abraham ward, bin ich"?

Diese Worte zeigen die Gottheit Christi an. Jedermann wußte nämlich, dass er als Mensch noch nicht fünfzig Jahre zählte; da er also sagte, dass er schon vor Abraham war, zeigte er, dass er der ewige Sohn Gottes sei. So nannte sich Gott dem Moses im brennenden Dornbusche "Jehova", d.h. ich bin, der ich bin. Die Juden verstanden es nicht und wollten ihn daher steinigen. Ach, wie viele wenn sie die Wahrheit nicht widerlegen können, nehmen gegen ihre Verkünder zu Gewalttätigkeiten oder Beschimpfungen ihre Zuflucht!

Warum verbarg sich Christus?

Weil die Zeit seines Todes noch nicht gekommen war, und um uns zu lehren 1. dass Gott jenen, welche die Wahrheit nicht erkennen wollen, die Erkenntnis derselben entziehe, um sie für ihre Verblendung zu bestrafen; 2. dass wir zanksüchtige Menschen meiden, und 3. unsern Feinden vielmehr ausweichen als uns an ihnen rächen oder uns in Zank und Streit einlassen sollen.
Der hl. Augustinus gibt zum Toste bei Beschimpfungen die schöne Lehre: "O Mensch! was kann dir noch Schmählicheres widerfahren, was dein Erlöser nicht zuerst gelitten hat? Est es ein Schmähwort? Er hat es zuerst gehört, indem er bald ein Fresser und Säufer, bald ein Ketzer und Aufrührer, bald ein Mitgenosse der Sünder, bald ein Besessner genannt wurde; ja, er mußte sogar hören, da er die Teufel austrieb, er tue es durch den Beelzebub, und er habe den Teufel." Darum tröstete er auch seine Jünger, indem er zu ihnen sagte: "Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wieviel mehr werden sie seine Hausgenossen also nennen!" (Matth 10,25). "O ihr Christen", sagt der hl. Paulus (Hebr. 12,3), "gedenket an ihn, der solchen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet, damit ihr nicht ermüdet und euren Mut nicht sinket lasset," wenn man verachtet, beschimpft oder sonst widerspricht.


Betrachtung über die unwürdige Kommunion

Gute kommen, Böse kommen,
Gleiches haben sie genommen,
doch wie ungleich wirkt dies Brot!
Bösen wird es Straf und Hölle,
Guten ihres Lebens Quelle;
diesen Leben, jenen Tod.

Damit Jesus im heiligen Sakramente für dich sei und bleibe die Wonne und der Trost deines Herzens, so betrachte öfter auch das schreckliche Wesen der unwürdigen Kommunion; die Größe des Verbrechens und die unseligen Folgen.

1. Unwürdig kommunizieren heißt einen Gottesraub begehen. Eine Art Gottesraub begeht schon jeder, der irgendeine Gabe Gottes mißbraucht und ein Gebot Gottes übertritt; jede Sünde ist ein Angriff auf die Ehre, die wir Gott schuldig sind, und die er verlangen muß.
Im engeren Sinne versteht man unter Gottesraub einen Mißbrauch, eine Schändung heiliger, gottgeweihter Dinge. Dadurch vergreift man sich direkt an Gott und schändet seine Ehre im höchsten Maße. Arger Gottesraub ist es, wenn man sich vergreift an gottgeweihten Sachen, Orten, Personen, Sakramenten, diese beschimpft und entehrt. Das ärgste Sakrileg aber ist die unwürdige Kommunion. Denn was gibt es auf Erden, was so heilig, so hochgeweiht ist wie das Brot des Lebens, der Leib des Herrn? Wer den Kaiser beschimpft, etwa dessen Bild verunehrt, ist ein Majestätsverbrecher; in weit höherem Grade begeht ein Majestätsverbrechen, wer den Kaiser persönlich angreift. - So frevelt der unwürdig Kommunizierende nicht bloß gegen gottgeweihte Dinge; er erhebt seine Hand gegen Gott selbst. Schrecklicher als alle anderen Sakrilegien zusammen ist die unwürdige Kommunion. "Wer unwürdig dieses Brot issset, ist schuldig des Leibes und Blutes des Herrn," sagt der Apostel. Er erhebt seine Hand, um sich zu vergreifen am Leibe und Blute des Herrn. Wer könnte das Schreckliche dieses Frevels schildern, der Sünde desjenigen, der mit Absicht und Überlegung in schweren Sünden den Leib des Herrn empfängt? Das könnte nur der, welcher imstande wäre, die ganze Größe und Majestät Gottes zu erklären, die unergründliche Liebe Jesu im heiligen Sakrament und seinen Abscheu gegen eine Seele im Zustande schwerer Sünde.
Ein Bild von diesem Verbrecher haben wir in dem Verräter Judas. Judas, so hoch erhoben, geehrt und geliebt von seinem göttlichen Meister, unter dessen Vertraute und Freunde aufgenommen, ging hin und verkaufte den Herrn an dessen Todfeinde um 30 Silberlinge. Auch der unwürdig Kommunizierende ist hochgeehrt von Christus und innig verbunden mit ihm; schon durch die Taufe und so viele Gnaden. Nicht Knechte nenne ich euch, sondern Freunde, spricht der Herr auch zu ihm. Er hat gleich dem Verräter die Wunder des Herrn gesehen und so oft sein Wort gehört; er ist ein Tischgenosse des Herrn geworden. Und nun geht er zum Widersacher Christi, dem Teufel, und fragt: Was willst du mir geben, wenn ich ihn dir überliefere? Du brauchst diese Sünde nicht zu beichten, kannst in deinen Lastern fortleben, das ist der Preis für die Auslieferung. Er empfängt den Leib Christi. Christus lebt unter der Hostie, allein er hat sich gebunden und hilflos gemacht mit Banden der Liebe, und wird hineingezogen in ein Herz, worin durch Todsünden der unreine Geist regiert. Wie wäre dir zumute, wenn man dich einsperrte in eine Grabhöhle, zu einem verfaulenden, abscheulichen Leichnam? Noch unendlich größeren Abscheu hat der Heiland gegen die Todsünde und eine Seele in Todsünden. Und da wird er hineingezwungen.
Beim letzten Abendmahle, bevor er das heilige Sakrament einsetzte, warnte Jesus den unglücklichen Apostel; zeigte ihm, dass er um sein schwarzes Vorhaben wußte; sagte öffentlich: Einer von euch wird mich verraten; und da Judas die Frechheit hatte, zu fragen: Herr, bin ich es? sagte er ihm ins Gesicht und ins Gewissen: Ja, du hast es gesagt. Er will ihn noch erschüttern mit der Drohung: Wehe dem Menschen, durch den des Menschen Sohn verraten wird; es wäre besser, dass er nie geboren wäre! - Aber Judas verstockte sich - gleich dem Gottesräuber an der Kommunionbank, den weder die Stimme des Gewissens, noch die Drohungen des göttlichen Wortes erschüttern können. Und er verrät den Herrn mit einem Kusse. Freund, wozu bist du gekommen? Mit einem Kusse verrätst du den Menschensohn? So fragt Christus auch den Frevler an seinem heiligen Tische. Vor den Augen des heiligen Gottes tritt der Sünder ungescheut hinzu; vor den Augen der Engel, die trauernd ihr Antlitz verhüllen, im Angesichte der ganzen Gemeinde; er wirft sich nieder, schlägt an seine Brust, heuchelt Glauben, Reue, Liebe, die größte Ehrfurcht, berührt mit den Lippen den heiligen Fronleichnam und zwingt ihn in ein Herz, worin der Teufel regiert. Wehe dir, es wäre besser, dass du nie geboren wärest! - Doch es ist unmöglich, die Verruchtheit zu schildern, die in der unwürdigen Kommunion liegt. So wenig wie das Geheimnis des heiligen Sakramentes, so wenig läßt sich auch der furchtbare Frevel dieses Mißbrauchs begreifen.

2. Welche Strafe trifft dieses Verbrechen? Ich will nicht sagen von dem Gerichte in der Ewigkeit. Schon in dieser Welt trifft den Sakramentsschänder der Fluch an Leib und Seele.
Wie die Feuersäule, in welcher der Herr einst seinem Volke in der Wüste voranging, auf der einen Seite Strahlen des Lichtes für die Israeliten aussandte, auf der andern Seite aber die Ägypter in Nacht und Finsternis hüllte, so geht Segen und Unsegen, Gnade und Verderben von diesem heiligen Sakramente aus. Für den Unwürdigen wirkt das Brot des Lebens als Gift.
Krankheit und plötzlicher Tod ist häufig die Folge der unwürdigen Kommunion. Das erklärt Paulus im ersten Briefe an die Korinther ausdrücklich: Deshalb sind unter euch viele Kranke und Kraftlose, und viele sterben. - Gewiß, wir können nicht urteilen und behaupten: diese Krankheit, dieser Todesfall ist eine Strafe unwürdiger Kommunion. Allein es gibt Fälle, wo dieser Zusammenhang zwischen Frevel und Strafe offenbar und klar ist. Schon in den Schriften des hl. Cyprian wird erzählt von einer Frau, die unwürdig den Leib des Herrn empfing und darauf augenblicklich zu Boden stürzte und unter fürchterlichen Zuckungen den Geist aufgab. Cyprian lebte im dritten Jahrhundert in Afrika. Chrysostomus, der im folgenden Jahrhundert in Konstantinopel lebte, erzählt ebenfalls solche Beispiele, und es hat nie daran gefehlt bis auf unsere Tage. Wie könnte es anders sein? Die Arznei des Lebens, wodurch auch der Leib Unsterblichkeit empfangen soll, muß auch für das Leibesleben Verderben bringen, wenn sie mißbraucht wird.
Die schlimmste zeitliche Folge ist die Verstockung. St. Laurentius Justinianus sagt: Jene Menschen, die dieses Sakrament mißbrauchen, sind fähig, alles zu mißbrauchen. Sie begehen rücksichtslos die schwersten Sünden und mit mehr Ärgernis; sind verstockter im Bösen, lässiger in der Besserung desselben. Gewiß, die Sünde des Sakrilegischen kann Vergebung finden; allein es bedarf außerordentlicher Anstrengung der Gnade, um ihn wieder aus dem tiefen Abgrunde zu ziehen. Der Mißbrauch des Allerheiligsten stumpft das Gefühl der Ehrfurcht für das Heilige ab und erstickt mit der Zeit den Glauben. Wie ein betäubender Trank wirkt das entheiligte Blut Christi in einer solchen Seele und schläfert sie ein in ihrer Gottlosigkeit. Selten vermag etwas sie aufzurütteln. Der Unglückliche erkennt nicht mehr die Gefahr, worin er lebt. Gottes Stimme mag noch so mächtig an sein Herz schlagen, er hört nicht darauf; er macht selbst Jubiläen und Missionen mit und bekehrt sich nicht. Er mißbraucht beständig die Sakramente und verstockt sich immer mehr, und Verstockung endet mit der Verzweiflung.
So endete Judas, der Verräter. Die Schrift sagt: Nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Wer weiß, welcher Kampf anfangs in seiner Seele tobte, als sein göttlicher Meister vor ihm kniete und ihm die Füße wusch und voll Erbarmen zu ihm aufschaute. Aber als der den Bissen genommen hat, da fuhr der Satan in ihn, da war es entschieden. Betäubt und verblendet geht er hinaus und holt sich das Blutgeld. Da stellt er sich an die Spitze der Henker; da hat er Mut zum Allerschlimmsten. Als dann sein göttlicher Meister so schrecklich mißhandelt wird, da man ihn hinausschleppen will zum Kreuzesgalgen, da regt sich nochmals das Gewissen des Verräters. Allein es treibt ihn nicht zu den Füßen des Heilandes, wo auch für ihn noch Heil gewesen wäre, sondern in die Verzweiflung. Vorher hatte er dem Heiland gegenüber nicht gestehen wollen; jetzt läuft er wie wahnsinnig in den Tempel, wirft den Hohenpriestern das Blutgeld vor die Füße und bekennt mit lautem Geschrei seine Sünde vor allem Volke: Ich habe unschuldiges Blut verraten! Allein es ist nicht das Bekenntnis eines reumütigen, bekehrten Herzens, sondern eines verstockten, verzweifelnden Herzens. Wie Kain, der Brudermörder, ruft er: Meine Sünde ist zu groß, als dass sie Verzeihung finde. Und er endet sein armseliges Leben durch schauerlichen Selbstmord. In jenen heiligen Augenblicken, in denen Heiden und Mörder Gnade fanden, ein Meer der Erbarmung von Golgatha sich ergoß über die ganze Welt, da hing Judas, der Gottesräuber, am Baum und hatte sich erhängt.
Was das Leben noch bringt, wissen wir nicht. Mag aber Gottes Vorsehung über uns kommen lassen, was sie immer will, alle Plagen und alles Leid, vor diesem einen Unglück nur soll sie uns bewahren, vor der unwürdigen Kommunion; dass wir uns niemals versündigen an dem Fleische und Blute Christi, auf dem alle unsere Hoffnung ruht. Und darauf soll unsere ganze Sorge gehen, dass wir uns selbst davor bewahren; dass wir also stets unser Bestes tun, um würdig zu beichten und unser Heil zu wirken "in Furcht und Zittern". Wenn du ohnehin dich schon ängstigst über deine Würdigkeit, ohne offenbaren Grund, so brauchst du keine Warnung: wohl aber, wenn du es bisher leicht nahmest mit der Religion und dem Seelenheil; wenn dein Glaube schon derart abgestorben ist, dass du für einen Judaslohn. einen elenden irdischen Gewinn dich leicht hinwegsetzest über Gottes und der Kirche Gebot, über lauter Erdensorgen Gott und Gebet und Gottesdienst vergissest; dann rufe dir die Osterzeit mal wieder ernstlich in die Seele: wache doch endlich auf und prüfe dich, wie es steht mit dir; prüfe dich, bevor du den Leib des Herrn empfängst; prüfe dich und bereite dich vor zur Osterkommunion wie zum Tod; denn es steht deine arme Seele, alles, auf dem Spiele! Auch dir ist in der heiligen Kommunion vorgelegt Leben und Tod, Segen und Fluch; was du wählst, wird dir gegeben werden.

Gebet. Auf deine Allmacht und Güte allein, o mein Gott! verlasse ich mich. Ich glaube fest, dass ich, wenn ich dich fürchte, das Böse meide und dir getreu diene, dennoch, wenn ich auch ein armes Leben führe, viel Gutes haben werde (Tob 4,23).


Unterricht für den Freitag nach dem fünften Fastensonntag
(Fest der Schmerzen der Mutter Gottes)

Der Anteil, den die seligste Jungfrau an den Leiden und an dem Tode ihres göttlichen Sohnes nahm, hat die Kirche bewogen, ihr den glorreichen Titel einer Königin der Märtyrer beizulegen. Das Fest der schmerzhaften Mutter ist zuerst um das Jahr 1423 von einer Kirchen-Versammlung zu Köln vorgeschrieben worden, um einigermaßen das, was die Hussiten wider die Verehrung der hochgebenedeiten Mutter Gottes unternommen hatten, wieder gut zu machen; die Hussiten stießen nämlich nach dem Beispiele aller Ketzer tausend Lästerungen gegen Maria aus, und verwarfen besonders die Abbildung der schmerzhaften Mutter mit ihrem im Schoße ruhenden toten Sohne. Man nannte es anfangs das Fest des Mitleidens der seligsten Jungfrau.
Bei der Aufopferung des Kindes im Tempel hatte der alte Simeon vorausgesagt, dass das Leiden des Sohnes das Leiden der Mutter sein werde. "Sieh, dieser ist zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird, gesetzt worden. Und das Schwert wird deine Seele durchdringen", d.h.: die Schmach, die Unbilden und Mißhandlungen werden so viele Dolchstiche sein, die dir das Herz durchbohren werden.
Erinnere dich daher an dem heutigen Tage der Schmerzen, welche die seligste Jungfrau bei dieser Weissagung Simeons, bei der Flucht nach Ägypten, bei dem Verluste Jesu im Tempel, bei der Begegnung Jesu mit dem Kreuze, bei dem Tode Jesu, bei seiner Abnahme vom Kreuze, endlich bei seinem Begräbnis empfangen hat. Erwecke Reue über deine Sünden, die zu Jesu Leiden und Tode beigetragen haben, und nimm dir ernstlich vor, die Herzen Jesu und Mariä durch die Sünde nicht mehr zu betrüben. Bitte Maria, dass sie dir in deiner Todesstunde durch ihre Fürbitte beistehe, dass sie sich dann dir als Mutter zeige und dir von Jesus Gnade erlange.

Eingang der heiligen Messe.

Es standen bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas, und Salome und Maria Magdalena (Joh 19,35). Weib! siehe deinen Sohn! sprach Jesus; hierauf sprach er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! (Joh 19,26-27). Ehre sei dem Vater usw.

Gebet der Kirche. O Gott! bei dessen Leiden nach der Weissagung Simeons die zarteste Seele der glorreichen Jungfrau und Mutter Maria von dem Schwerte des Schmerzes durchdrungen war, verleihe, dass wir, die wir dein Leiden mit Andacht verehren, durch die glorreichen Verdienste und Gebete aller Heiligen, die mit gläubiger Treue bei dem Kreuze standen, die selige Wirkung deines Leidens erlangen mögen. Der du lebest und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Lektion aus dem Buche Judith (XIII,22-25

Der Herr hat dich gesegnet in seiner Kraft: denn durch dich hat er unsere Feinde zunichte gemacht. Gesegnet bist du, o Tochter! von dem Herrn, dem höchsten Gott, vor allen Weibern auf Erden. Gebenedeit sei der Herr, der Himmel und Erde erschaffen hat; denn heute hat er deinen Namen also erhöht, dass dein Lob nimmer weichet aus dem Munde der Menschen, die der Kraft des Herrn eingedenk sein werden ewiglich. Für sie hast du nicht geschonet deines Lebens, um der Bedrängnis und Trübsal deines Volkes abzuhelfen, und hast vorgebeugt dem Untergange vor dem Angesicht unseres Gottes.

Erklärung

Die fromme Witwe Judith befreite ihre Vaterstadt Bethulia, die von den Ägyptern belagert wurde, durch die Ermordung des feindlichen Heerführers Holofernes. Darum ward sie hochgeehrt in Israel, und ihr Lob wird in der heutigen Lektion besungen mit solchen Worten, die noch weit mehr, als auf sie, auf die schmerzhafte Mutter Gottes Maria passen, weil sie durch ihren Sohn der höllischen Schlange den Kopf zertreten hat.

Evangelium Johannes XIX,25-27

In derselben Zeit standen bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas, und Maria Magdalena. Da nun Jesus seine Mutter und den Jünger, den er liebte, stehen sah, sprach er zu seiner Mutter: Weib, siehe da deinen Sohn! Hierauf sprach er zu dem Jünger: Siehe da deine Mutter! Und von derselben Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Was lehrt uns Jesus durch die Worte: "Weib, siehe deinen Sohn"?

Was während seines irdischen Lebens Jesus seiner Mutter und sie ihm war, sollte Johannes ihr und sie ihm sein. Dadurch lehrt er uns, auch für die Zeit nach unserm Tode für das Beste derjenigen zu sorgen, mit denen wir durch Gottes Ordnung enger verbunden sind, die wir aus heiligen Beweggründen vor andern lieben.

Was für einen Trost sollen wir aus den Worten Jesu: "Sohn, siehe da deine Mutter", schöpfen?

Jesus hinterläßt seiner Mutter den geliebten Jünger Johannes wie durch ein Testament. Die heiligen Väter, und besonders der hl. Augustinus, bemerken, dass durch den hl. Johannes hier alle Kinder der Kirche vorgebildet wurden, und dass Jesus in der Person des Apostels allen Gläubigen Maria zur Mutter gegeben hat. Welch ein Glück für uns! "Hochgebenedeite Mutter des Herrn," ruft der hl. Bonaventura aus, "gleichwie alle die, die sich von dir ab- und von denen du deinen mütterlichen Blick wegwendest, unfehlbar zugrunde gehen werden, so können auch im Gegenteile jene nicht verderben, die sich an dich halten und von dir in Gnaden angesehen werden!"


Betrachtung über das siebenfache Schmerzensschwert im Herzen der Gottesmutter

Das erste Schmerzenschwert durchdrang das Herz Mariä bei der Weissagung Simeons: "Dieses Kind ist gesetzt zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird."
Da zerteilte sich der Schleier, der über der Zukunft ihres Kindes lag. Es standen vor ihrem Blicke plötzlich die herzzerreißenden Tatsachen seiner Verkennung von seiten ihres Volkes, seiner grausamen Verfolgung, seiner langen Martern, seiner furchtbaren Kreuzigung und seines bitteren Todes. Dieser Blick in die Zukunft machte sie im voraus und für alle Zeit ihres Lebens zur schmerzhaften Mutter. - Was litt nicht Abraham die drei Tage, die der Aufopferung seines Sohnes vorausgingen! Ach, sein eigenes Herz durchschnitt diese ganze Zeit hindurch das Messer, das seinen Sohn töten sollte. - Ähnliches und Ärgeres litt Maria die 33 Jahre hindurch, die der Erlöser auf Erden zubrachte. Sooft sie ihr göttliches Kind erblickte, traten seine bevorstehenden Schicksale schon vor ihre Seele. Wenn sie ihn mit ehrfürchtiger Liebe bediente, mußte sie an die blutigen Hände der Henkersknechte denken, die ihn mißhandeln und martern sollten. Welch ein bitteres Weh zog jedesmal durch ihr zartes Herz! Erfüllte die Stimme Jesu sie mit Entzücken, so tönten alsbald von ferne schon die Jammerrufe in ihren Ohren, die er am Marterpfahl des Kreuzes ausstoßen wird. Wer beschreibt deinen Schmerz, arme Mutter! Wenn sie seine Hände und Füße betrachtete, so erblickte sie schon daran die furchtbaren Wundmale. Die weiße Stirne des Knaben erschien ihr bereits mit einem Kranz von roten Punkten, gezeichnet von der Dornenkrone. Wie oft schrak sie von jähem Weh zusammen, wenn sie in der Zimmermannswerkstatt erinnert wurde an die Kreuzesbalken, den Hammer, Schwamm, die Stricke und Nägel. Gethsemane und Golgotha schwammen auf dem Strom der Zeit langsam, aber sicher heran. Die gewöhnlichen Umstände des täglichen Lebens stellten sie beständig mitten ins bittere Leiden. Sie war in einem beständigen Vorgesicht. Groß wie ein Meer war ihr Schmerz.
Dabei ging das tägliche Leben seinen gewöhnlichen Gang. Niemand konnte sie ihr Leid klagen. Ihr freundliches Antlitz verriet nichts von dem Schwerte in ihrem Herzen; sie schloß sich nicht menschenfeindlich ab, ging sogar zur Hochzeit, wenn die Nächstenliebe es gebot, und von den Geschäften ihres Haushaltes wurde nichts vernachlässigt, während bei jedem, Schritt und Tritt sich Simeons Schwert in ihrem Herzen bewegte und jeden Nerv ihres Wesens mit unsäglichem Schmerze durchdrang.
O Herz der betrübten, schmerzhaften Mutter, ruft St. Rupertus aus, nun verstehe ich, warum die Propheten deine Betrübnis mit einem Ozean von Bitterkeit verglichen haben. Denn gleichwie die süßen Gewässer der Flüsse ihren Geschmack verlieren und bitter werden, wenn sie ins Meer kommen, so wurden auch alle Gedanken, alle freudenvollen und trostreichen Vorstellungen durch den Eintritt in deine schmerzerfüllte Seele verändert und umgewandelt in Gedanken und Gefühle der bittersten Traurigkeit!

Das zweite Schmerzensschwert traf das Herz Mariä bei der Flucht nach Ägypten, das dritte bei dem dreitägigen Suchen des zwölfjährigen Jesus.
Kaum war die göttliche Liebe leibhaft in Bethlehem erschienen, da kehrte sich die menschliche Bosheit schon gegen das göttliche Kind und drohte ihm mit dem Tode. In aller Eile mußte die heilige Familie fliehen. Welch ein schreckliches Los, im Dunkel der Nacht vertrieben zu werden aus der Heimat, durch wilde, wüste Einöden voll Mühen und Gefahren, unter wochenlangen Strapazen und Entbehrungen in ein wildfremdes Land zu fliehen, wo sie keine Menschenseele kennen, und es ihnen gewiß oft an einem Stück Brot gebricht. Welch vielfältiges Weh zerriß auf dieser Flucht und in dieser Verbannung das heiligste Herz Mariä: der Schrecken über den Mordanschlag, das Gefühl des schwarzen Undanks der Menschen, das blutige Ende der unschuldigen Kinder, die Entbehrungen ihres Kindes, dem sie oft das Stück Brot nicht geben konnte, um das es bat, die Leiden ihres jungfräulichen Gemahles, dass sie endlich jahrelang nicht den Tempel kommen konnte, dagegen aber die Greuel des Götzendienstes sehen mußte.
Zwar ging nach einigen Jahren diese Prüfung vorüber. Zagenden Herzens zogen sie in ihre Heimat zurück und begannen das verborgene Leben in der Zimmermannswerkstatt zu Nazareth, eine Zeit der äußeren Ruhe, in der es jedoch ebenfalls an schweren Prüfungen nicht fehlte. Die Geschichte erzählt uns von dem Verluste des zwölfjährigen Jesus. Auf der Rückreise von Jerusalem war er auf einmal verschwunden. Wer könnte das namenlose Weh begreifen, das in den folgenden drei Tagen ihr Herz zerriß! Tag und Nacht finden sie keine Ruhe. Sie suchen auf allen Wegen in allen Herbergen. Mit wunden Füßen und blutendem Herzen wankt Maria durch die Straßen der Heiligen Stadt, klopft bald hier an, bald dort: "Habt ihr ihn nicht gesehen, wo der ruhet, den meine Seele liebt?" Immer umsonst. Welch tödliche Finsternis lagert sich auf ihrer Seele! Was soll sie denken? Hat des Herodes Sohn ihn heimlich ergreifen und beiseite schaffen lassen? Leidet er vielleicht nicht schon Todesmartern? Oder hat er sie verlassen, weil sie seiner nicht mehr würdig waren? Solche Gedanken marterten ihr Herz mit jeder Stunde grausamer, und dieses Weh macht sich Luft, als sie ihn wiederfindet im Tempel, in der Klage: Mein Sohn, warum hast du uns das getan?!

Es verging wieder eine Reihe von Jahren. Da suchte sie ihn, das Licht ihrer Augen, das Leben ihrer Seele, wiederum. Und sie findet ihn auf dem Kreuzweg. Menschliche, nein, teuflische Bosheit hat ihn hinweggerissen von ihrem Herzen. Angebrochen ist nun wirklich sein Todestag. Seit gestern leidet ihr Jesus die furchtbarsten Martern. Maria weiß darum und leidet alles in ihrem Herzen mit. Denke dir den Zustand einer Mutter, deren Sohn soeben als Missetäter hingerichtet werden soll. Das ist der Zustand der göttlichen Mutter. Eine Trauerbotschaft drängt die andere. Jetzt, berichtet man ihr, hat der Hohe Rat ihn verurteilt, jetzt wird er zum Landpfleger geführt; der will ihn freigeben - ein Hoffnungsstrahl! aber nur für einen Augenblick. Sie geißeln ihn, krönen ihn mit Dornen. Wieder eine Pause. Da kommt Johannes mit der Nachricht: Arme Mutter, Pilatus hat das Todesurteil bestätigt. Wenn du ihn noch einmal sehen willst, so laß uns versuchen, ihm auf seinem Leidenswege zu begegnen. Maria zögert keinen Augenblick. Vom treuen Apostel und einigen frommen Frauen begleitet, begibt sie sich in die Straßen hinaus und bleibt an einer Stelle stehen, wo der Zug vorbeikommen muß. Schon hört sie das Getöse des nahenden Zuges. Voraus ziehen die Gerichtsdiener mit Posaunenschall das ungerechte Urteil verkündend; Gesindel aller Art drängt sich nach und wirft höhnische Blicke auf die Trauergruppe. Reiter sprengen mit blanker Waffe einher; es kommen die Henkersknechte mit den Leidenswerkzeugen: Leitern, Nägeln, Stricken, dem Kreuzestitel; dann folgen gebunden zwei gebundene Straßenräuber; und da kommt er, Jesus, mühselig einherwankend unter der Kreuzeslast. O Maria, ist das dein Sohn?! Mein Gott, wie haben sie ihn zugerichtet! Wie ist er entstellt, wie blaß, geschwollen, beschmutzt, blutüberronnen sein Antlitz! Maria sieht ihn an - o Mutter der Schmerzen! Jesus wischt sich das Blut aus den Augen und sieht seine Mutter an - welche Schmerzensblicke! Sie sprechen nicht, aber ihre Blicke sagen, klagen sich so unaussprechlich vieles! Welche Zunge vermöchte es auszusprechen! Warum sank Maria nicht zusammen und wurde getötet von herzzerreißenden Jammer? Gottes Gnade war es, die sie aufrecht hielt, und auch die Liebe zu unserm Heile.
Die Begegnung mit dem kreuztragenden Heiland konnte nicht lange dauern; einige Augenblicke mochte es eine Stockung geben, dann trieben die Schergen ihn mit Stößen und Schlägen voran. Maria folgte jetzt mit einer kleinen Schar Getreuer dem Kreuzträger auf seinem Kreuzwege nach. Ach, sie hatte keine Mühe, die Stellen zu finden, wo er seine Füße hingesetzt, wo er in schwerem Falle seine Knie verwundet hatte. Die Fußtapfen waren mit Blut gezeichnet. Marie ehrte in scheuer Ehrfurcht jeden Tropfen dieses kostbaren Blutes und betete es an, überall, wo er gesunken und gefallen war, sie küßte und umarmte die Steine, über die er gewandelt war. Ihre Gefährten ahmten ihr nach, und so hat die schmerzhafte Mutter den heiligen Kreuzweg eröffnet und eingeweiht unmittelbar nach dem göttlichen Kreuzträger. Sie hat den Kreuzweg der Tränen und Andacht mit dem Kreuzweg des Blutes und der Sühne verbunden. Das ist das vierte Schmerzensschwert im Herzen der Gottesmutter. Wer den Heiland liebt, wer seine Mutter liebt, der muß auch ihren Kreuzweg lieben; denn dort möchten sie sich am liebsten von uns suchen und finden lassen.

Das fünfte, sechste und siebente Schmerzensschwert durchdrang das Herz Mariä auf dem Kalvarienberge, bei der Kreuzigung, Kreuzabnahme und Grablegung des Herrn.
Auf der Richtstätte angekommen, war Maria Zeuge der schrecklichen Kreuzigung. Sehen mußte sie, wie man dem Herrn die Kleider vom Leibe riß und ihn auf das harte Kreuzbett war. Hören mußte sie die Hammerschläge, welche die Nägel durch Hände und Füße trieben; hören mußte sie das Wimmern des göttlichen Opferlammes, als man das Kreuz aufrecht stellte. Sie flieht nicht, sie sinkt auch nicht zusammen - Stabat mater, sie stand aufrecht unter seinem Kreuze. O ja, seht neben dem Manne der Schmerzen die Mutter der Schmerzen; seht, wie das qualvolle Feuer der Leiden hinüberschlägt von seinem gemarterten Leibe zu ihrem gemarterten Herzen; wie sie mit ihm in dieser feierlichen Stunde darbringt dieses Opfer für die Sünden der Welt. Drei Stunden lang - o, welch traurige, trostlose Stunden! steht sie neben ihm und zählt die grausamen Wunden und Striemen an seinem Leibe, zählt die Tropfen seines Blutes, das langsam zur Erde rieselt, hört die Lästerungen und das Gespötte der Feinde, hört seine sieben Worte, sein Gebet und seine Klagen, und kann nicht helfen, kann ihm nicht einmal seine verdorrte Zunge laben. So geht es drei Stunden lang. Sie wünscht den Augenblick herbei, der sein Leiden enden soll, und schreckt doch davor zurück. Endlich ist er da. Es ist vollbracht. Er neigt Haupt und gibt seinen Geist in die Hände seines Vaters zurück. Er ist tot, flüstert man in der Umgebung des Kreuzes. Man sagt es lauter: er ist tot. Er ist tot, schluchzt Johannes; er ist tot, jammert Magdalena; ja, heiligte Mutter, weine nicht, er ist tot, dein Jesus ist tot.... Der Lanzenstich durch die bebende Leiche schmerzt nicht mehr den verschieden Erlöser, aber mit gräßlichem Weh schneidet er durch das Herz der heiligen hilflosen Mutter.
Und als sie ihn dann herabnahmen und auf ihren Schoß legten, als sie unter dem Kreuze saß mit dem gemarterten Erlöser auf den Knien, da galten auch von ihr die Worte des Propheten: O ihr alle, die ihr vorübergeht, merket auf und sehet, ob ein Schmerz gleich sei meinem Schmerz!

Kein Kind so lieb, kein Schmerz so groß,
Als Jesus auf der Mutter Schoß!

Mit ehrerbietiger Gewalt nahmen ihr die Jünger den Fronleichnam, bereiteten ihn zum Begräbnis und betteten ihn in das Felsengrab. Welch furchtbarer Gang für die schmerzhafte Mutter! Welch trostlose Heimkehr! Jetzt war sie allein. Das Licht ihrer Augen, der Trost ihres Herzens, das Leben ihrer Seele hat sie jetzt verlassen. Anstatt Jesus hat sie den Johannes. Welch ein Tausch! - Was sie aufrecht hält, ist Gottes Gnade und die Liebe zu uns. Sie weiß, dass alles dieses notwendig ist für unser Heil, für die Tilgung unserer Sünden. Dafür ist sie bereit, alles zu leiden, alles zu opfern. Wie muß sie uns lieben, dass sie bereitwillig, alles für uns hingibt, selbst Jesus, ihren Sohn! Welche Macht muß sie, die so unschuldig, so unsäglich litt, auch dadurch gewonnen haben, über das Herz ihres göttlichen Sohnes! Eilen wir denn mit Vertrauen zu ihr, und erflehen uns von der schmerzhaften Mutter, was uns vor allem not tut: wahre Reue über unsere Sünden, damit das Leiden Christi und ihr Mitleiden an uns nicht verloren sei.

Heilge Mutter, drück die Wunden,
Die dein Sohn für mich empfunden,
Tief in meine Seele ein!

(N. Faber u. Touissaint.)

Gebet. Gib, o Mutter! Quell der Liebe, dass ich mich mit dir betrübe; bring mir deine Schmerzen bei; Schmerzen, die die Lieb entzünden, die mich stets mit Gott verbinden, dass ich ihm gefällig sei.


Unterricht für den Palmsonntag

Am Morgen dieses Tages verläßt Jesus in Bethanien seine heilige Mutter und die frommen Schwestern, deren geliebten Bruder Lazarus er auferweckt hatte. Liebe Christenseele, stelle dir vor, mit welchen Blicken die treue Mutter dem liebsten Sohne nachgeschaut haben mag! Jesus geht seinem Triumphe entgegen..., mit Palmzweigen erwartet Israel seinen König, mit Ruten die Henkersknechte. Es tönt ihm entgegen der Ruf Hosanna und das schreckliche Geschrei: Ans Kreuz! ans Kreuz mit ihm, sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Jesus triumphiert in der herrlichen Prozession, die ihn heute in die Stadt einführt, und auf dem Kreuzwege, auf dem sein Volk ihn aus seiner Stadt weist. Auch du wirst heute Hosanna rufen und mit dem Palmzweig deinen König und Herrn ehren. Tue das fortan immer und verspotte ihn nicht auf dem Kreuzwege; siehe, er ist ja dein König, sanftmütig, gütig und treu.

Warum werden Palmen geweiht und in der Prozession herumgetragen?

Durch die Palmenweihe und die darauffolgende Prozession will uns die Kirche an den feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem erinnern, durch ihr Gebet uns neue Gaben erflehen und die heilsamsten Lehren erteilen. Sie segnet die Palmen, damit Gott diejenigen, die sie mit Andacht tragen, an Leib und Seele beschirme, und uns die Wohnungen, in die sie gebracht werden, segne, von allen Widerwärtigkeiten befreie und durch seine Hand beschütze. Sie stellt uns in dieser Segnung vor, wie Gott, auch durch leblose Dinge die Spendung des Heils bezeichnend, beim Einzuge Jesu in Jerusalem durch die Palmen den Sieg Jesu über den Fürsten der Finsternis, und durch die Ölzweige die Fülle der Erbarmungen vorbedeutet habe, damit wir im Hinblick auf diesen geheimnisvollen Sinn Gott um Gnade bitten, durch Jesus über das Reich des Todes zu siegen und einst, mit der Siegespalme geziert, an seiner glorreichen Auferstehung teilzunehmen. Sie bittet endlich Gott, in uns den Glauben zu vermehren und seine Gnade uns zu geben, auf daß wir, wie wir Palmen und Ölzweige in den Händen tragen, auch die Früchte der Gerechtigkeit tragend, mit guten Werken Jesus entgegengehen, auf daß wir ferner, dem Volke Israel geistigerweise nachfolgend, durch lebendigen Glauben und Hinwegräumung aller Steine des Anstoßes und Ärgernisses Jesus den Weg bereiten, ihn offen bekennen, und so endlich mit ihm in das himmlische Jerusalem eingehen mögen. (Aus dem römischen Meßbuche.) Die Palmen soll man während der Prozession und der Passion ehrfurchtsvoll in der Hand tragen und als ein Zeichen seines Glaubens und der Hoffnung auf die göttliche Hilfe im Hause aufbewahren.

Wie soll man also der Prozession beiwohnen?

In der Meinung, in der sie eingesetzt ist. Man stelle sich demnach 1. den Einzug Jesu in Jerusalem vor, gehe ihm geistigerweise entgegen und bete ihn an als den König und Heiland der Welt; 2. man preise mit dem Volke Jesus als den Sohn Davids, als Gott und Erlöser: Hosanna, hochgelobt sei er in Ewigkeit; 3. man bitte endlich demütig um oben bezeichnete Gnaden, nämlich um Schutz und Segen für sich und das Seinige, um Sieg über das Böse, um Früchte der Gerechtigkeit und um Aufnahme ins himmlische Jerusalem.

Warum klopft der Priester am Ende der Prozession dreimal an die Kirchentüre?

Um anzudeuten, daß der Himmel, der bis auf Jesus Christus allen verschlossen war, durch den dreieinigen Gott, durch den Vater, der Jesum gesandt hat, durch Jesus, der für die Sünder gestorben ist und ihnen die Gnade des Heiles erworben hat, durch den Heiligen Geist, der die Heilung vollbringt, geöffnet worden sei.

Wie die Kirche durch die Palmenweihe und Prozession an den Eingang in Jerusalem und die letzten Tage Jesu erinnert, so erinnert sie durch die heutige Messe an sein Leiden, um uns zum Mitleiden und zur Reue über unsere Sünden aufzufordern, deswegen fleht sie im Eingange derselben mit klagender Stimme:

Herr! entferne deine Hilfe nicht von mir: schaue her zu meinem Schutze. Rette mich aus dem Rachen des Löwen, und vor den Hörnern der Einhörner erhöre mich Erniedrigten. Gott, mein Gott, schau auf mich; warum hast du mich verlassen? Das Geschrei meiner Sünden (d.h. der Sünden der Menschen, die ich zu den meinigen gemacht habe) entfernt mein Heil (Ps 21).

Gebet der Kirche. Allmächtiger, ewiger Gott! der du unsern Heiland, um dem Menschengeschlechte ein Beispiel der Demut zur Nachahmung aufzustellen, Fleisch annehmen und den Tod des Kreuzes erdulden ließest; verleihe gnädiglich, daß wir, gleichwie wir die Lehren seines geduldigen Leidens besitzen, also auch der Teilnahme an seiner Auferstehung gewürdigt werden. Durch denselben Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.

Lektion aus dem ersten Briefe an die Philipper II,5-11

Brüder! ihr sollet gesinnt sein, wie auch Jesus Christus gesinnt war, der, da er göttlicher Wesenheit war, es nicht für Raub hielt, Gott gleich zu sein; sondern sich selbst entäußerte, Knechtesgestalt annahm, den Menschen gleich und im Äußern wie ein Mensch befunden ward. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Darum hat ihn Gott auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen alle Knie derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind, und daß alle Zungen bekennen, daß der Herr Jesus Christus in der Herrlichkeit Gottes des Vaters ist.

Erklärung

Scharf und bestimmt spricht sich der Apostel hier aus über die Person Christi, über sein Werk und dessen Folgen.

Jesus ist wahrer Gott. Daß er sich dem Vater gleichstellte und göttliche Ehre verlangte, war kein Gottesraub, keine gotteslästerliche Anmaßung. Da er Menschennatur annahm, hörte er nicht auf, Gott zu sein. Er hat Anteil an der göttlichen Herrlichkeit, wie an der menschlichen Niedrigkeit.

Jesus hat einen wahren Menschenleib; nur so konnte er für uns leiden. Er hat eine wahre menschliche Seele; nur so konnte er dem Vater gehorsam werden. Die beiden Naturen sind vereinigt in der göttlichen Person; nur so konnte sein Gehorsam unendliches Verdienst wirken; und man kann mit Recht sagen: Der Sohn Gottes ist für uns gestorben , dem Menschensohn gebührt Anbetung.

Das Werk Christi war ein freies, heilendes, sühnendes. - Aber hat es auch Erfolg gehabt? Sehen wir nicht noch immer die Menschen im Aufruhr stehen gegen Gott, gegen sein Wort und sein Gebot? Nein, sagt der Apostel, zweifelt nicht an Jesus als Erlöser von der Sünde. Vor diesem Namen muß jetzt schon alles sich beugen. Selbst die Hölle zittert vor ihm. Das Reich, das er sich auf Erden erworben hat, kann sich zwar nur in beständigem, mühsamen Kampfe gegen die feindlichen Mächte behaupten und ausbreiten. Aber eben dieser Kampf offenbart immer wieder herrlich seine Macht. Christliche Anschauungen haben die Herrschaft in der Welt, und auch die Ungläubigen können sich ihnen nie ganz entziehen.
Im vollen Sinne werden die Knie aller Freunde und Feinde des Namens Jesu an jenem Tage sich vor ihm beugen, da er wiederkommt, als Richter der Lebendigen und Toten in all seiner Macht und Herrlichkeit.
Wollen wir mit ihm verherrlicht werden, so müssen wir mit ihm leiden; insbesondere auch jede Verdemütigung, die Gott über uns kommen läßt, und der wir uns unterziehen sollen nach seinem Willen.

(Das Leiden unseres Herrn Jesus Christi nach Matthäus.)

Gebet. Wäre ich doch gesinnt, so demütig und gehorsam wie du, o mein Jesu! Wie strafbar und boshaft ist es nicht, daß ich, ein Sünder, immer nur meinen Willen erfüllen will, während du, die unendliche Majestät, dich im Gehorsam bis zum Tode am Kreuze erniedrigt hast! Um dieses deines Todes willen bitte ich dich, du wollest mir die Gnade geben, fortan in Demut und Gehorsam treu dir nachzufolgen.

Evangelium Matthäus XXI,1-9

In jener Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern sich Jerusalem näherte und nach Betphage am Ölberge kam, sandte er zwei seiner Jünger ab und sprach zu ihnen: Gehet in den Flecken, der vor euch liegt, und alsbald werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr: machet sie los und führet sie zu mir. Und wenn euch jemand etwas sagt, so sprechet: Der Herr bedarf ihrer, und sogleich wird er sie euch überlassen. Dies alles aber ist geschehen, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Saget der Tochter Sion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig auf einer Eselin, und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttieres. Die Jünger gingen nun hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte. Und sie brachten die Eselin mit dem Füllen, legten ihre Kleider auf dieselben und setzten ihr darauf. Sehr viel Volk aber breitete seine Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Scharen aber, die vorausgingen und nachfolgten, schrieen und sprachen: Hosanna, dem Sohne Davids; hochgelobt, der da kommt im Namen des Herrn.

Warum ist Jesus so feierlich in Jerusalem eingezogen?

1. Um zu zeigen, daß er der Messias und der König der Juden sei, von dem der Prophet Zacharias einen so feierlichen Einzug in Jerusalem vorausgesagt hatte; 2. um sich als denjenigen darzustellen, der den Satan besiegen und uns mit Gott wieder versöhnen werde, weshalb er auch nicht auf einem Schlachtrosse, sonder auf dem Füllen einer Eselin sitzend, in Demut und Niedrigkeit in Jerusalem einzieht, und sich so als den Fürsten des Friedens zu erkennen gibt; 3. um die Schriftgelehrten und Pharisäer und das ganze jüdische Volk aufs feierlichste und unverkennbarste zum Glauben an ihn aufzufordern, damit sie, wenn sie jetzt nicht glaubten, sich mit nichts mehr entschuldigen könnten.

Warum ist das Volk Christo mit Palmzweigen entgegengegangen?

Dies ist aus Eingebung Gottes geschehen, um dadurch anzudeuten, daß Christus als ein Besieger des Todes, des Teufels und der Hölle den Menschen Frieden mit Gott, mit sich selbst und mit ihren Mitmenschen verschaffen und ihnen das himmlische Jerusalem öffnen werde; denn die Palme ist ein Zeichen des Sieges und des Friedens. Hierbei kann man aber die Unbeständigkeit und Veränderlichkeit der Welt recht kennen lernen; denn eben jene, die Christo mit Palmen entgegengingen und "Hosanna dem Sohne Davids!" riefen, haben wenige Tage nachher geschrien: "Ans Kreuz mit ihm!" Lerne hieraus, dein Vertrauen allein auf Gott und nicht auf die Menschen setzten; hüte dich auch, diesem Volke in seiner Unbeständigkeit dadurch nachzufolgen, daß du um Ostern den Heiland mit Freuden empfängst, bald darauf aber ihn durch deine Sünden aufs neue kreuzigest (Hebr 6,9).

Gebet. O Jesus! du immer grünender und fruchttragender Baum des Lebens, an dem sich die Bewohner des himmlischen Paradieses ewiglich ergötzen, gib, daß wir gleich den Palmen durch die Liebe immer grünen und durch Ausübung guter Werke allezeit blühen und Frucht bringen mögen.

In der Messe wird statt des Evangeliums die sogenannte Passion oder Leidernsgeschichte des Heilandes nach Matthäus (Kap 26 und 27) gelesen. Hierbei werden weder Weihrauch noch Lichter gebraucht, und auch das Dominus vobiscum wird nicht gesprochen, zum Zeichen, daß Jesus, das Licht der Welt, durch seinen Tod hingenommen worden, und daß bei seinem Leiden der Glaube, die Liebe und Andacht der Apostel und Jünger wankend wurde und fast erloschen ist. Wenn man beim Lesen der Leidensgeschichte zu den Worten kommt: "Er neigte sein Haupt und gab den Geist auf!" fällt der Priester mit der ganzen Gemeinde auf die Knie nieder, um das große Geheimnis des Todes Jesu, wodurch unsere Erlösung vollbracht wurde, zu beherzigen und Gott aus ganzem Herzen dafür zu danken.


Die Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christi (Aus den vier Evangelien zusammengetragen.)

Deutlich hatte Jesus seinen Jüngern sein Leiden vorhergesagt. Diese Vorhersagung ging wirklich in Erfüllung. Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten des Volkes versammelten sich in dem Vorhofe des Hohenpriester Kaiphas und hielten Rat, wie sie Jesum mit List ergreifen und töten könnten. Sie sagten aber: nur nicht am Festtage, damit nicht etwa ein Aufruhr unter dem Volke entstehe.

Sechs Tage vor Ostern kam Jesus nach Bethanien, wo Lazarus kurz zuvor gestorben und durch ihn von den Toten auferweckt worden war. Hier wurde ihm in dem Hause Simons, mit dem Zunamen des Aussätzigen, ein Mahlzubereitet. Maria aber nahm ein Pfund kostbarer Salbe von echten Narden in einem alabasternen Gefäße, trat zu ihm hin, zerbrach das Gefäß und goß Salbe über sein Haupt aus; sie salbte ihm auch die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren, und das Haupt ward voll von dem Geruche der Salbe.

Da sprach einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn verriet: Warum hat man die Salbe nicht um dreihundert Zehner verkauft und das Geld den Armen gegeben? Dies aber sagte er nicht, als wäre ihm etwas an den Armen gelegen gewesen, sondern weil er ein Dieb war und den Geldbeutel trug. Auch einige andere Jünger wurden darüber unwillig und sprachen: Wozu diese Verschwendung? Denn man hätte diese Salbe um mehr als dreihundert Zehner verkaufen und den Erlös davon den Armen geben können; und sie murrten über Maria. Jesus aber, der dieses wußte, sprach zu ihnen: Warum kränket ihr dieses Weib? Lasset sie nur! sie hat ein gutes Werk an mit getan. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch und könnet ihnen, wenn ihr wollt, Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Diese tat, was sie konnte; denn da sie diese Salbe über meinen Leib ausgoß, salbte sie schon zum voraus meinen Leib zum Begräbnisse ein. Wahrlich, ich sage euch, wo man immer in der ganzen Welt dieses Evangelium verkünden wird, da wird man auch zu ihrem Andenken sagen, was sie getan hat.

Einem aber von den Zwölfen, dem Judas, mit dem Zunamen Iskariot, gab der Teufel ein, daß er Jesus verraten sollte. Judas ging daher zu den Hohepriestern und den Hauptleuten und sprach zu ihnen: Was wollet ihr mir geben, so will ich ihn euch verraten? Als sie dieses hörten, freuten sie sich, versprachen ihm Geld zu geben und bestimmtem ihm dreißig Silberlinge. Er sagte zu, und von der Zeit an suchte er eine Gelegenheit, ihn ohne Volksauflauf zu überliefern.

Am ersten Tage der ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wo willst du, daß wir hingehen und dir das Osterlamm bereiten? Da sandte er zwei seiner Jünger, Petrus und Johannes, und sprach zu ihnen: Gehet in die Stadt, und sehet, wenn ihr in die Stadt kommt, so wird euch ein Mensch begegnen, der einen Wasserkrug trägt; folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht, und sagt dem Hausvater: Der Meister läßt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; bei dir will ich mit meinen Jüngern Ostern halten. Wo ist mein Speisezimmer, in dem ich das Osterlamm mit meinen Jüngern essen kann? Und er wird euch einen großen, mit Polstern belegten Speisesaal zeigen; daselbst richtet für uns zu. Und seine Jünger gingen hin und kamen in die Stadt: Sie fanden es, wie Jesus ihnen gesagt hatte, vollzogen seinen Befehl und bereiteten das Osterlamm. Als es nun Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölfen, und da es Zeit war, setzte er sich zu Tische, und die zwölf Apostel mit ihm. Und als sie zu Tische saßen und aßen, ward Jesus im Geiste betrübt und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, sehet, die Hand meines Verräters ist mit mir auf dem Tische; denn einer aus euch, der mit mir ißt, wird mich verraten. Die Jünger aber betrübten sich sehr darüber, sahen einander an und waren ungewiß, von wem er redete. Endlich fing einer um den andern an, ihn zu fragen: Bin ich es, Herr? - Er aber antwortete und sprach: Einer von den Zwölfen, der mit mir die Hand in die Schüssel tunket, der wird mich verraten. Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben ist; wehe aber jenem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird: besser wäre es ihm, wenn derselbe Mensch nicht geboren wäre. Und sie fingen an, unter sich zu fragen, wer aus ihnen es wäre, der es tun werde. Auch der Verräter Judas redete und sprach: Bin ich es, Meister? Und er antwortete ihm und sprach: Du hast´s gesagt. Einer aber von seinen Jüngern, den Jesus lieb hatte, lag zu Tische im Schoße Jesu. Diesem nun winkte Simon Petrus zu und sprach zu ihm: Wer ist´s, von dem er redet? Da lehnte sich dieser an die Brust Jesu und sprach zu ihm: Herr, wer ist´s? Jesus antwortete: Der ist´s, dem ich das Brot, das ich eintunke, reichen werde. Und er tunkte das Brot ein und gab es dem Judas Iskariot, dem Sohne Simons. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Und Jesus sprach zu ihm: Was du tun willst, das tue bald; und Judas ging sogleich hinaus. Es war aber Nacht. Da sie nun zu Nacht aßen, nahm Jesus das Brot, segnete es, dankte, brach es, gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird; dieses tut zu meinem Andenken. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahle, dankte, gab ihnen denselben und sprach: Nehmet hin und trinket alle daraus! denn dies ist der Kelch meines Blutes im Neuen Bunde, das für euch und für viele vergossen werden wird zu Vergebung der Sünden.

Als nun Jesus die letzten Reden gesprochen und sie den Lobgesang vollendet hatten, begab er sich mit seinen Jüngern hinaus über den Bach Cedron und ging nach seiner Gewohnheit an den Ölberg, wohin seine Jünger ihm folgten. Herr, sprach Simon Petrus auf dem Wege zu ihm, wohin gehst du? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dahin kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen. Warum, erwiderte Petrus, kann ich dir jetzt nicht folgen? Herr! Ich bin bereit, mit dir in den Kerker und in den Tod zu gehen, ich will mein Leben für dich geben. Jesus antwortete ihm: Du willst dein Leben für mich hingeben? Darauf sprach er zu ihnen: In dieser Nacht werdet ihr alle euch an mir ärgern; denn es steht geschrieben: Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden (Zach 13,7). Nach meiner Auferstehung aber werde ich euch vorausgehen nach Galiläa. Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Sollten sich auch alle an dir ärgern, so werde ich doch niemals mich an dir ärgern. Wahrlich, sprach Jesus zu ihm, wahrlich, sage ich dir, heute, noch in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen, gleich als ob du mich nicht kenntest. Petrus aber sprach: Wenn ich auch mit sterben müßte, so würde ich dich doch nicht verleugnen. Desgleichen sagten auch alle Jünger.

Hierauf kam er mit ihnen in den Meierhof, Gethsemane genannt, wo ein Garten war; in diesen trat er mit seinen Jüngern ein. Es wußte aber auch Judas, der ihn verriet, den Ort; denn Jesus war oft mit seinen Jüngern dahingekommen. Und er sprach zu seinen Jüngern: Setzet euch hier, während ich dorthin gehe und bete. Betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet! Und er nahm den Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und fing an zu zittern und sich zu entsetzen, sich zu betrüben und traurig zu sein. Dann sprach er zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod; bleibet hier und wachet mit mir! Und er ging ein wenig vorwärts, einen Steinwurf weit, kniete nieder, betete und sprach: Vater! wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte. Und er fiel nieder auf sein Angesicht zur Erde und betete; und als ihn Todesangst befiel, betete er noch mehr uns sprach: Abba, Vater, dir ist alles möglich, nimm diesen Kelch weg von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst. Und sein Schweiß ward wie Tropfen Blutes, das auf die Erde rann. Und er stand auf vom Gebete, kam zu seinen Jüngern und fand sie vor Traurigkeit schlafend. Und er sprach zu ihnen: Warum schlafet ihr? Stehet auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach. Und er ging wieder hin zu beten, und sprach dieselben Worte: Mein Vater, ist es nicht möglich, daß dieser Kelch an mir vorübergehe, ohne daß ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam abermals und fand sie schlafend; denn ihre Augen waren beschwert. Und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. Da verließ er sie, ging wieder hin und betete zum dritten Male. Dann ging er zu seinen Jüngern zurück und sprach zu ihnen: Ihr schlafet und ruhet! Es ist genug, die Stunde ist gekommen. Siehe, der Menschensohn wird in die Hände seiner Feinde überliefert. Stehet auf, lasset uns gehen! Siehe, der mich verraten wird, nahet sich!

Und da er noch redete, siehe, da kam Judas Iskariot, einer von den Zwölfen. Er hatte die (römische) Wache und Diener von den Hohenpriesern und Pharisäern zu sich genommen, und kam nun dahin nebst einer großen Schar mit Schwertern und Prügeln, mit Laternen, Fackeln und Waffen, abgeschickt von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und Ältesten des Volkes. Es hatte ihnen aber der Verräter ein Zeichen gegeben und gesagt: Den ich küssen werde, der ist es, den ergreifet und führet ihn behutsam. Und als er herbeigekommen war, ging er vor ihnen her, trat rasch zu Jesus, um ihn zu küssen und sprach: Sei gegrüßt, Meister! Und er küßte ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Freund, wozu bist du gekommen? Judas, mit einem Kusse verrätst du den Menschensohn? Und Jesus, der alles wußte, was über ihn kommen sollte, trat hervor und sprach zu ihnen: Wen suchet ihr? Sie antworteten ihm: Jesum von Nazareth! Jesus sprach zu ihnen: Ich bin es! Als er nun zu ihnen sprach: Ich bin es! da wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie wiederum: Wen suchet ihr? Sie aber sprachen: Jesum von Nazareth! Jesus antwortete: Ich habe es euch gesagt, daß ich es bin; wenn ihr also mich suchet, so lasset diese gehen. Damit das Wort erfüllt würde, das er (Joh 17,12) gesprochen hatte: Keinen von denen, die du mir gegeben hattest, habe ich verloren! Dann traten sie hinzu, legten Hand an Jesum und ergriffen ihn.

Als aber die, die um ihn waren, sahen, was geschehen sollte, sprachen sie zu ihm: Herr, sollen wir mit dem Schwert dareinschlagen? Und Simon Petrus, einer von denen, die mit Jesus waren, streckte die Hand aus, zog sein Schwert, schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Der Name des Knechtes war Malchus. Da entgegnete Jesus und sprach: Lasset ab, nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. Und zu Petrus sprach Jesus: Stecke dein Schwert in die Scheide! denn alle, die das Schwert ergreifen, werden durch das Schwert umkommen. Soll ich den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, nicht trinken? Oder meinst du, daß ich meinen Vater nicht bitten könnte? Er würde mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel zuschicken. Wie würde dann aber die Schrift erfüllt werden, daß es geschehen müsse? Darauf sagte Jesus zu denen, die gekommen waren, zu den Hohenpriestern, zu den Tempelhauptleuten und Ältesten: Wie zu einem Mörder seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Prügeln, um mich zu fangen. Täglich war ich bei euch im Tempel, und ihr habt die Hände nicht gegen mich ausgestreckt; aber das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis. Dies alles aber ist geschehen, damit die Schriften erfüllet würden. Die Wache, der Oberhauptmann und die Diener der Juden ergriffen nun Jesum und banden ihn. Da verließen ihn alle seine Jünger und flohen. Ein gewisser Jüngling aber, angetan mit einer Leinwand auf dem bloßen Leibe, folgte ihm, und sie ergriffen denselben. Dieser aber warf die Leinwand von sich und floh.

Und sie führten ihn zuerst zu Annas; denn dieser war der Schwiegervater des Kaiphas, der in diesem Jahre Hoherpriester war, desselben, der den Juden den Rat gegeben hatte: Es ist gut, wenn ein Mensch für das Volk stirbt. Petrus aber war Jesus nachgefolgt von weitem, und auch ein anderer Jünger folgte ihm. Dieser Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus in den Vorhof des Hohenpriesters. Petrus aber stand draußen vor der Türe. Da ging der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, hinaus, redete mit der Türhüterin und führte den Petrus hinein. Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: Bist auch du etwa einer der Jünger dieses Menschen? Er sprach: Ich bin es nicht! Es standen aber die Diener und die Knechte am Kohlenfeuer im Hofe und wärmten sich am Feuer, um den Ausgang zu sehen.

Der Hohepriester frage Jesum über seine Jünger und seine Lehre. Jesus antwortete ihm: Ich habe öffentlich vor der Welt geredet! Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammengekommen, und ich habe nichts im verborgenen geredet! Was fragst du mich? Frage diejenigen, die gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe; siehe, diese wissen, was ich gesagt habe. Als er aber dieses gesprochen hatte, gab einer von den Dienern, der dabei stand, Jesus einen Backenstreich und sprach: Antwortest du so dem Hohenpriester? Jesus antwortete: Habe ich unrecht geredet, so beweise, daß es unrecht sei; habe ich aber recht geredet, warum schlägst du mich? Und sie führten ihn zu Kaiphas, wo alle Priester und Schriftgelehrten zusammengekommen waren. Der Hohepriester aber und der ganze Hohe Rat suchten Zeugnis wider Jesum, daß sie ihn zum Tode überlieferten könnten. Aber sie fanden keines, obwohl viele falsche Zeugen aufgetreten waren. Denn viele gaben zwar falsches Zeugnis wider ihn, aber ihre Zeugnisse stimmten nicht überien. Zuletzt kamen zwei falsche Zeugen und sprachen: Wir haben ihn sagen gehört: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und nach drei Tagen ihn wieder aufbauen. Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern, der nicht mit Händen gemacht ist, aufbauen. Und ihr Zeugnis war nicht übereinstimmend.

Da stand der Hohepriester auf, trat in die Mitte, fragte Jesum und sprach: Antwortest du nichts auf das, was diese dir vorwerfen? Er aber schwieg still und antwortete nichts. Abermals fragte ihn der Hohepriester und sprach zu ihm: Bist du Christus, der Sohn des Hochgelobten? Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du uns sagest, ob du Christus, der Sohn Gottes bist. Jesus sprach zu ihm: Du hast es gesagt! Ich bin es! Ich aber sage euch: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Da zerriß der Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat Gott gelästert, was haben wir noch Zeugen nötig? Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was dünket euch? Sie aber antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig! Dann spien sie ihm in sein Angesicht. Und die Männer, die ihn festhielten, verspotteten ihn und schlugen ihn mit Fäusten; andere aber gaben ihm Backenstreiche ins Angesicht und fragten ihn und sprachen: Weissage uns, Christus! wer ist´s, der dich geschlagen hat? Und viele andere Lästerungen redeten sie wider ihn.

Petrus aber war noch draußen im Hofe und wärmte sich. Und eine von den Mägden des Hohenpriesters trat wieder zu ihm, und da sie ihn beim Feuer sitzen und sich wärmen sah, sprach sie, nachdem sie ihn betrachtet hatte: Auch du warst bei Jesus dem Nazarener. Er aber verleugnete ihn vor allen und sprach; Weib, ich kenne ihn nicht! Ich weiß nicht, was du sagst. Und er ging hinaus zu dem Vorhofe. Da krähte der Hahn. Als er aber zur Türe hinausging, sah ihn eine andere Magd, und sprach zu denen, die da waren: Auch dieser war bei Jesus, dem Nazarener! Da sprachen diese zu ihm: Bist etwas auch du einer von seinen Jüngern? Und er leugnete abermals mit einem Schwure: Ich bin es nicht! Ich kenne diesen Menschen nicht! Und über eine Weile, ungefähr nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer, einer von den Knechten des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte und sprach: Wahrlich! auch dieser war bei ihm; denn auch er ist ein Galiläer. Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen? Und die Umstehenden traten hin und sprache zu Petrus: Wahrlich, du bist auch einer von denen; denn auch du bist ein Galiläer, und deine Sprache macht dich kennbar. Da leugnete Petrus wieder und sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Darauf fing er an zu fluchen, zu verwünschen und zu schwören, daß er diesen Menschen nicht kenne. Und alsbald, da er noch redete, krähte zum zweiten Male der Hahn. Da wandte sich der Herr um und sah Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort, das Jesus ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und fing an zu weinen und weinte bitterlich.

Als es nun Tag geworden war, kamen die Ältesten des Volkes, die Hohenpriester und die Schriftgelehrten zusammen wider Jesum, um ihn zum Tode zu überliefern. Und sie führten ihn in ihren Rat und sprachen: Bist du Christus, so sage es uns! Und er sprach zu ihnen: Wenn ich es euch sage, so glaubet ihr mir nicht. Wenn ich aber euch frage, so antwortet ihr mir nicht, noch lasset ihr mich los. Aber von nun an wird der Menschensohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen. Da sprachen alle: Du bist also der Sohn Gottes? Er sprach: Ihr saget es; denn ich bin es! Sie aber sprachen: Was begehren wir noch Zeugnis? Wir haben es selbst aus seinem Munde gehört. Und sie führten ihn gebunden und übergaben ihn dem Landpfleger Pontius Pilatus.

Da nun Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß er zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück und sprach: Ich habe gesündigt, daß ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht das uns an? Sieh du zu! Da warf er die Silberlinge in den Tempel, entwich, ging hin und erhenkte sich mit einem Stricke. Die Hohenpriester aber nahmen die Silberlinge und sprachen: Es ist nicht erlaubt, sie in den Tempelschatz zu werfen; denn es ist Blutgeld. Als sie nun darüber Rat gehalten hatten, kauften sie den Acker eines Töpfers zu Begräbnisse für die Fremdlinge. Darum heißt dieser Acker Hakeldama, das ist der Blutacker, bis auf den heutigen Tag. Da ist erfüllt worden, was durch den Propheten Jeremias gesagt worden war, da er sprach: Sie nahmen die dreißig Silberlinge, den Preis des Geschätzten, den sie gekauft hatten von den Söhnen Israels, und gaben sie für den Acker eines Töpfers, wie der Herr angeordnet hatte.

Sie hatten nun Jesus in das Gerichtshaus des Pilatus geführt. Es war frühmorgens. Sie gingen nicht in das Gerichtshaus hinein, damit sie nicht verunreinigt würden, sondern die Ostermahlzeit essen könnten. Pilatus ging also zu ihnen hinaus und sprach zu ihnen: Welche Anklage habt ihr wider diesen Menschen? Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wenn dieser kein Missetäter wäre, so würden wir ihn dir nicht überliefert haben. Da sprach Pilatus zu ihnen: Nehmet ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetze. Die Juden aber sagten zu ihm: Uns ist es nicht erlaubt, jemand zu töten. Damit das das Wort Gottes erfüllt würde, das er gesagt hat, um anzudeuten, welches Todes er sterben würde. Nun aber fingen sie an, ihn zu verklagen und sagten: Diesen haben wir befunden als Aufwiegler unseres Volkes und als einen, der verbietet, dem Kaiser Zins zu geben, indem er sagt, er sei Christus, der König. Da ging Pilatus wieder in das Gerichtshaus hinein und rief Jesus. Jesus stellte sich vor den Landpfleger und dieser fragte ihn und sprach: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du dieses von dir selbst oder haben es dir andere von mir gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überliefert; was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so würden wohl meine Diener streiten, daß ich den Juden nicht überliefert würde. Nun aber ist mein Reich nicht von hier. Da sprach Pilatus zu ihm: Also du bist ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich der Wahrheit Zeugnis gebe. Wer immer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme. Pilatus sprach zu ihm: Was ist Wahrheit? Und da er dies gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden, zu den Hohenpriestern und Scharen und sprach zu ihnen: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen! Und da er von den Hohenpriestern und Ältesten über vieles angeklagt wurde, antwortete er nichts. Pilatus fragte ihn abermals und sprach: Hörst du nicht, welch schwere Dinge sie wider dich vorbringen? Antwortest du nichts? Sieh, welch schwere Dinge sie wider dich bezeugen! Jesus aber antwortete nichts mehr, so daß der Landpfleger sich sehr verwunderte. Jene aber drängten und sprachen: Er wiegelt das Volk auf, indem er in ganz Judäa lehrt, von Galiläa anfangend bis hierher. Da nun Pilatus von Galiläa hörte, fragte er, ob der Mensch ein Galiläer wäre. Und nachdem er erfahren hatte, daß er aus dem Gebiet des Herodes sei, sandte er ihn zu Herodes, der in jenen Tagen ebenfalls zu Jerusalem war.

Als aber Herodes Jesum sah, freute er sich sehr; denn er hatte seit langer Zeit gewünscht, ihn zu sehen. Er stellte nun viele Fragen an ihn; allein er antwortete ihm nichts. Die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten standen da und verklagte ihn unaufhörlich. Da verachtete ihn Herodes mit seinen Hofleuten, ließ ihm zum Spotte ein weißes Kleid anziehen und schickte ihn zu Pilatus zurück. An demselben Tage wurden Pilatus und Herodes Freunde; denn vorher waren sie Feinde gegeneinander.

Pilatus aber rief die Hohenpriester und die Vorsteher und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mit gebracht als einen Volksaufwiegler, und siehe, ich habe ihn in eurer Gegenwart verhört und an ihm nichts gefunden, weswegen ihr ihn anklagt. Aber auch Herodes nicht; denn ich habe euch zu ihm gesendet, und siehe, es geschah nichts mit ihm, was ihn des Todes schuldig zeigte. Ich will ihn also züchtigen und losgeben. Nun hatte er damals einen berüchtigten Gefangenen, der Barabbas hieß, der mit den Aufrührern gefangen worden war und in dem Aufruhr einen Mord begangen hatte. Und als das Volk herankam, fing es an zu bitten, er möchte ihnen tun, wie er es immer getan hätte. Da sie also versammelt waren, sprach Pilatus: Wollt ihr nun, daß ich euch Jesus, den König der Juden, der Christus genannt wird, oder den Barabbas losgebe? Denn er wußte, daß die Hohenpriester ihn aus Neid überantwortet hatten. Als er aber zu Gerichte saß, schickte sein Weib zu ihm und ließ sagen: Mache dir nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute seinetwegen im Traume viel gelitten. Allein die Hohenpriester und Ältesten wiegelten das Volk auf und beredeten es, daß sie den Barabbas begehren, Jesum aber töten lassen sollten. Da nahm der Landpfleger das Wort und sprach zu ihnen: Welchen von beiden wollet ihr frei für euch haben? Da schrie der ganze Haufen zusammen und sprach: Hinweg mit diesem, und gib uns den Barabbas los. Pilatus redete nun abermals ihnen zu, indem er Jesum losgeben wollte. Was wollt ihr denn, daß ich mit dem Könige der Juden tue, mit Jesus, der genannt wird Christus? Sie aber schrien wieder und sprachen: Kreuzige ihn, kreuzige ihn! Und er sprach zu ihnen zum dritten Male: Was hat denn dieser Böses getan? Ich finde keine Todesschuld an ihm: darum will ich ihn züchtigen und losgeben. Sie aber hielten an mit großem Geschrei und forderten, daß er gekreuziget werde, und ihr Geschrei nahm immer zu, und sie sprachen: Er soll gekreuziget werden! Kreuzige ihn! Als nun Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, sondern der Lärm größer wurde, nahm er Wasser, wusch seine Hände vor dem Volke und sprach: Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten: sehet ihr zu! Und das ganze Volk antwortete und sprach: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder! Da nun Pilatus dem Volke willfahren wollte, gab er ihnen den Barabbas los, der des Totschlages und Aufruhrs wegen in den Kerker gesetzt worden war; Jesum aber übergab er ihrem Willen, daß er gekreuziget würde. Da ließ Pilatus Jesum nehmen und geißeln.

Und die Soldaten des Landpflegers nahmen Jesum zu sich, führten ihn in den Hof des Richthauses, riefen die ganze Schar zusammen und zogen ihm seine Kleider aus; dann legten sie ihm eine Purpurmantel um, flochten eine Krone von Dornen, setzten sie auf sein Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand. Und sie traten zu ihm, bogen das Knie vor ihm und verspotteten ihn und fingen an, ihn zu begrüßen, indem sie sprachen: Sei gegrüßt, du König der Juden! Und sie gaben ihm Backenstreiche und spien ihn an, nahmen das Rohr, schlugen damit auf sein Haupt und beugten spottend die Knie vor ihm.

Da ging Pilatus wieder hinaus und sprach zu den Juden: Sehet, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennet, daß ich keine Schuld an ihm finde. Jesus also ging hinaus, die Dornenkrone und den Purpurmantel tragend. Und Pilatus sprach zu ihnen: Sehet einen Menschen! Als ihn aber die Hohenpriester und Diener sahen, schrien sie und sprachen: Kreuzige, kreuzige ihn! Pilatus sprach zu ihnen: Nehmet ihr ihn hin und kreuziget ihn; denn ich finde keine Schuld an ihm. Die Juden antworteten: Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetze muß er sterben; denn er hat sich selbst zum Sohne Gottes gemacht. Als nun Pilatus diese Reden hörte, fürchtete er sich noch mehr. Und er ging wieder in das Gerichtshaus und sprach zu Jesus: Woher bist du? Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Da sprach Pilatus zu ihm: Mit mir redest du nicht? Weißt du nicht, daß ich Macht habe, dich zu kreuzigen, und Macht habe, dich loszugeben? Jesus sprach: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben herab gegeben wäre; doch hat der, der mich dir überlieferte, eine größere Sünde. Von nun an suchte Pilatus ihn loszugeben. Die Juden aber schrien und sprachen: Wenn du diesen loslässest, so bist du des Kaisers Freund nicht; denn jeder, der sich zum Könige macht, widersetzt sich dem Kaiser. Als aber Pilatus diese Worte hörte, führte er Jesum hinaus und setzte sich auf den Richterstuhl am Orte, der Lithostroton, auf hebräisch Gabatha, genannt wird. Es war aber der Rüsttag des Osterfestes, ungefähr die sechste Stunde, und er sprach zu den Juden: Sehet euern König! Sie aber schrien: Hinweg! Hinweg! Kreuzige ihn! Pilatus sprach zu ihnen: Euern König soll ich kreuzigen? Die Hohenpriester aber antworteten: Wir haben keinen König, als den Kaiser. Da übergab er ihnen denselben, daß er gekreuziget würde. Sie übernahmen also Jesum. Und nachdem sie ihn verspottet hatten, nahmen sie ihm das Purpurkleid und das Rohr ab, zogen ihm seine Kleider an und führten ihn fort, um ihn zu kreuzigen.

Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zu dem Ort, den man Kalvaria (Schädelstätte) nennt, auf hebräisch aber Golgatha. Und da sie ihn hinausführten, trafen sie einen Mann von Cyrene, mit Namen Simon, der vom Meierhofe kam und vorüberging, den Vater des Alexander und Rufus; diesen nötigten sie und legten ihm das Kreuz auf, daß er es Jesus nachträge. Es folgte ihm aber eine große Menge Volkes und Weiber,die beklagten und beweinten. Jesus aber wandte sich zu ihnen und sprach: Ihr Töchter Jerusalems! weinet nicht über mich, sondern weinet über euch und über eure Kinder. Denn siehe, es werden Tage kommen, an denen man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht gesäugt haben! Dann werden sie anfangen zu den Bergen zu sagen: Fallet über uns, und zu den Hügeln: Bedecket uns! Denn wenn man das am grünen Holze tut, was wird mit dem dürren geschehen? Man führte auch zwei andere, die Missetäter waren, mit ihm hinaus, daß sie getötet würden. Und man kam an den Ort, der Golgatha, d.i. Schädelstätte, genannt wird. Da gab man ihm Wein, mit Myrrhe und Galle gemischt, zu trinken. Und als er ihn gekostet hatte, wollte er nicht trinken und nahm ihn nicht. Es war aber die dritte Stunde (gegen zwölf Uhr). Und man kreuzigte ihn und zwei andere, die Straßenräuber waren, einen zur Rechten, den andern zur Linken, zu beiden Seiten, Jesum aber in der Mitte. Da ward die Schrift erfüllt, die da spricht: Er ist unter die Übeltäter gerechnet worden. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.

Pilatus aber hatte eine Überschrift geschrieben und sie auf das Kreuz gesetzt. Er hatte nämlich geschrieben: Dieser ist Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Überschrift lasen viele von den Juden; denn der Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und sie war geschrieben auf hebräisch, griechisch und lateinisch. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: der König der Juden, sondern daß er gesagt habe: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, bleibt geschrieben. Nachdem nun die Soldaten Jesum gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider samt dem Rocke und machten aus jenen vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, und warfen das Los darüber, was jeder nehmen sollte. Der Rock aber war ohne Naht von obenan, durchaus gewebt; darum sprachen sie zueinander: Wir wollen diesen nicht zerschneiden, sondern das Los darüber werfen, wessen er sein soll; damit die Schrift erfüllt würde, die sagt; Sie teilten meine Kleider unter sich, und über mein Gewand warfen sie das Los. Und die Soldaten taten dies, und sie setzten sich und bewachten ihn.

Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ei du, der du den Tempel Gottes zerstörest und in drei Tagen ihn wieder aufbauest, hilf dir selbst; wenn du der Sohn Gottes bist, steige herab vom Kreuze. Und da Volk stand und schaute, und sie, sowie auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten und Ältesten verlachten und verspotteten ihn und sprachen: Andern hat er geholfen, sich selbst aber kann er nicht helfen. Ist er König von Israel, so steige er nun herab vom Kreuze, und wir wollen an ihn glauben. Er helfe sich selbst, wenn er Christus, der Auserwählte Gottes ist. Christus, der König von Israel, steige nun herab vom Kreuze, daß wir es sehen und glauben. Er hat auf Gott vertraut, der erlöse ihn nun, wenn er ein Wohlgefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Er verspottete ihn aber auch die Soldaten; sie traten hin, reichten ihm Essig und sprachen: Bist du der König der Juden, so hilf dir!

Einer aber von den Straßenräubern, die da hingen, lästerte ihn und sprach: Wenn du Christus bist, so hilf dir selbst und uns. Da antwortete der andere, verwies es ihm und sprach: Fürchtest auch du Gott nicht, da du doch dieselbe Strafe erleidest? Wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdient haben; dieser aber hat nichts Böses getan. Und er sprach zu Jesus: Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, sage ich dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Es standen aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas, und Maria Magdalena. Da nun Jesus seine Mutter und den Jünger, den er liebte, stehen sah, sprach er zu seiner Mutter: Weib, siehe deinen Sohn! Hierauf sprach er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von derselben Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Als aber die sechste Stunden gekommen war, ward eine Finsternis auf der ganzen Erde bis zur neunten Stunde (von zwölf Uhr mittags bis drei Uhr nachmittags), und die Sonne ward verfinstert.

Und um die neunte Stunde (drei Uhr nachmittags) rief Jesus mit lauter Stimme und sprach: Eli, Eli, lamma sabacthani?, d.i. Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen? Und einige der Umstehenden, als sie es hörten, sagten: Siehe, er ruft den Elias. Danach, da Jeus wußte, daß alles vollbracht sei, damit die Schrift erfüllt würde, sprach er: Mich dürstet! Es stand aber ein Gefäß von Essig da. Und alsbald lief einer von jenen, nahm einen Schwamm, füllte ihn mit Essig, steckte ihn an ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die übrigen aber sprachen: Halt, wir wollen sehen, ob Elias komme, ihn zu erretten. Da nun Jeus den Essig genommen hatte, sprach er: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Als er dies gesagt hatte, neigte er sein Haupt und gab den Geist auf. -

Und siehe, der Vorhang des Tempels zerriß von oben bis unten in zwei Stücke, die Erde bebte, die Felsen spalteten sich, die Gräber öffneten sich, und viele Leiber der Heiligen, die entschlafen waren, standen auf. Und sie gingen nach seiner Auferstehung aus den Gräbern, kamen in die Heilige Stadt (d.i. Jerusalem) und erschienen vielen. Als aber der Hauptmann, der gegenüberstand, sah, was geschehen war, daß er laut rufend seinen Geist aufgab, pries er Gott und sprach: Wahrlich, dieser Mensch war der Sohn Gottes! Und da die, die bei ihm waren, das Erdbeben und das, was geschehen war, sahen, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! Und alles Volk, das bei diesem Vorgange zugegen war und sah, was geschah, schlug an seine Brust und kehrte zurück. Es standen auch alle seine Bekannten von ferne, und die Frauen, die ihm, um ihm zu dienen, aus Galiläa gefolgt waren, und sie sahen es. Unter diesen waren Magdalena, Maria, des Jakobus des Jüngern und Josephs Mutter, und Salome, die Mutter der Söhne des Zebedäus, die ihm auch nachgefolgt waren und gedient hatten, da er in Galiläa war, und viele andere, die mit ihm nach Jerusalem gegangen waren.

Die Juden aber, damit die Körper nicht am Sabbate am Kreuze blieben, weil es der Rüsttag war (denn jener Sabbat war groß), baten den Pilatus, daß ihre Beine gebrochen und abgenommen werden möchten. Da kamen die Soldaten und zerbrachen die Beine des einen und des andern, die mit ihm gekreuzigt worden waren; als sie aber zu Jesus kamen und sahen, daß er schon gestorben war, zerbrachen sie nicht seine Beine; sondern einer von den Soldaten öffnete seine Seite mit einem Speere, und sogleich kam Blut und Wasser heraus. Und der dies gesehen hat, legt Zeugnis davon ab, und sein Zeugnis ist wahrhaftig. Und er weiß, daß er Wahres sagt, damit auch ihr glaubet; denn dies ist geschehen, damit die Schrift erfüllt würde: Ihr sollet an ihm kein Bein zerbrechen. Und wiederum eine andere Schriftstelle spricht: Sie werden sehen, wen sie durchbohrt haben.

Nach diesem aber, als es bereits Abend geworden war, kam ein reicher Mann, namens Joseph, ein angesehener Ratsherr, ein guter und gerechter Mann, der in ihren Rat und in ihr Tun nicht einstimmte, aus Arimathäa, einer Stadt in Judäa, der ebenfalls das Reich Gottes erwartete. Er kam herbei und ging herzhaft zu Pilatus hinein und begehrte den Leichnam Jesu, weil er ein Jünger Jesu war, freilich ein heimlicher, aus Furcht vor den Juden. Pilatus aber wunderte sich, daß er schon verschieden sei. Und er ließ den Hauptmann kommen und fragte ihn, ob er schon gestorben sei. Und da er dies vom Hauptmanne erfahren hatte, schenkte er dem Joseph den Leichnam. Dieser kam also und nahm den Leichnam Jesu ab. Es kam aber auch Nikodemus, der vormals in der Nacht zu Jesus gekommen war, und brachte eine Mischung von Myrrhe und Aloe, gegen hundert Pfund. Joseph aber kaufte Leinwand, nahm den Leichnahm ab und wickelte ihn darin ein. So nahmen sie den Leichnam Jesu und wickelten ihn samt den Spezereien in leinene Tücher ein, wie es die Sitte der Juden beim Begräbnisse ist.

Es war an dem Orte, wo er gekreuzigt ward, ein Garten, und in dem Garten ein neues Grab, in das noch niemand gelegt worden war. Dorthin legten sie Jesum wegen des Rüsttages der Juden; denn das Grab war in der Nähe. Joseph legte in in das neue Grab, das er in einem Felsen hatte aushauen lassen, wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes und ging weg. Die Weiber aber, Maria Magdalena und die andere Maria und des Josephs Mutter, die mit ihm aus Galiläa gekommen waren, folgten nach, setzten sich dem Grabe gegenüber, und betrachteten, wie sein Leichnam hingelegt ward. Und sie kehrten zurück und bereiteten Spezereien und Salben; am Sabbate aber ruhten sie nach dem Gesetze. Des andern Tags nun, der auf den Rüsttag folgt, versammelten sich die Hohenpriester und Pharisäer bei Pilatus und sprachen: Herr, wir haben uns erinnert, daß jener Verführer, als er noch lebte, gesagt hat: Nach drei Tagen werde ich wieder auferstehen! Befiehl also, daß man das Grab bis auf den dritten Tage bewache, damit nicht etwa seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volke sagen: Er ist von den Toten auferstanden! und so der letzte Irrtum ärger werde als der erste. Pilatus sprach zu ihnen: Ihr sollet eine Wache haben, gehet, haltet Wache, wie es euch dünktet. Sie aber gingen hin, verwahrten das Grab mit Wächtern und versiegelten den Stein.


Unterricht für die Karwoche

Warum wird diese Woche Karwoche genannt?

Das Wort Kar bedeutet nach einigen Trauer, Buße, Strafe usw., nach andern Zurüstung oder Gnade. Wie immer dies sein mag, jedenfalls wissen wir, daß wir in dieser Woche, in der Christus die Strafe der Sünden auf sich genommen hat, besondere Buße wirken sollen; daß eben diese Zeit der Vorbereitung zum geistigen Sterben und zur geistigen Auferstehung eines jeden Menschen zu widmen ist; daß endlich durch das Leiden und durch den Tod Jesus uns die Fülle der göttlichen Gnade geworden ist. Wegen dieser Beziehungen zum Tode Jesu und zu dem dadurch vollbrachten großen und heiligen Erlösungswerke heißt diese Woche auch die große und heilige Woche.

Wie sollen wir also diese Woche zubringen?

Um diese Woche heilig zuzubringen, beobachte das Fastengebot strenger als sonst. Viele der ersten Christen begnügten sich diese Woche mit Wasser und ungekochten Speisen. Bete öfter und andächtiger; gehe nicht ohne Not unter die Menschen; bereite dich, die heiligen Sakramente der Buße und des Altars würdig zu empfangen, und wohne dem Gottesdienste bei, sooft du kannst.

Was hat Christus während der ersten vier Tage dieser Woche getan?

Nachdem er am Palmsonntag unter dem größten Jubel des Volkes zu Jerusalem in den Tempel eingezogen und daselbst sogar von Kindern mit dem Freudenrufe. "Hosanna, dem Sohne Davids!" begrüßt worden war, jagte er die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel (Matth 21,12), brachte hierauf den ganzen Tag mit Predigen und Heilen der Kranken zu, und kehrte abends mit seinen Jüngern nach Bethanien, einem Dorfe am Ölberg, das etwa eine Stunde Weges von Jerusalem entfernt war, zurück (Mark 11,11). An den folgenden drei Tagen ging er ebenfalls nach Jerusalem und lehrte bei Tage in dem Tempel, die Nacht aber brachte er jedesmal am Ölberge zu (Luk 21,37). In den Predigten dieser Tage suchte er besonders die jüdischen Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer zu überzeugen, daß er wahrhaft der Messias sei (Matth 22,42), und daß sie durch seinen Tod, den er bestimmt vorhersagte (Matth 21), sich schwer versündigen würden. Zugleich gab er ihnen durch das auf seinen Fluch (Mark 11) erfolgte Verdorren eines Feigenbaumes und durch die Vorhersagung der Zerstörung Jerusalems und des Tempels (Luk 21) deutlich zu verstehen, daß sie sich selbst und dem ganzen jüdischen Volke den Untergang zuziehen würden. Sodann bestritt und beschämte er sie sowohl in offenen Worten (Matth 23), als durch Gleichnisse (Matth 21., 22., 25. Kap.) so sehr, daß sie aus Zorn und Haß gegen ihn einmütig und fest beschlossen, ihn umzubringen (Matth 26). Zur Ausführung ihres Entschlusses trug der gottlose Judas am meisten bei, da er Jesum durch seinen Verrat aus Geiz um dreißig Silberlinge den Hohenpriestern verkaufte, und den Tag darauf, am Donnerstag nämlich, seinen Meister in ihr Hände lieferte.
So weit konnte den Judas der Geiz verleiten. Dahin führt Habsucht und jede andere Leidenschaft. Also bekämpfe jede Leidenschaft, insbesondere den Geiz, damit dir nichts Ähnliches begegne.

Gebet. O Jesu! ich danke dir für alles, was du für mich getan und gelitten hast! O, gib mir um deines Blutes willen die Gnade, meine Leidenschaften zu besiegen und durch keine Sünde Verrat an die zu begehen. Amen.


Unterricht für den Gründonnerstag

Was für ein Fest begeht heute die Kirche?

Das Fest der Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes und des heiligen Meßopfers.

Warum wird dieser Tag "Gründonnerstag" genannt?

Darüber herrscht verschiedene Ansicht. Die Juden pflegten das Osterlamm und das vorgeschriebene ungesäuerte Brot mit einem Salat aus grünen, bittern Kräutern zu genießen. Dieser Sitte mögen die Christen vieler Gegenden gefolgt sein, und am Tage, wo das neutestamentliche Ostermahl eingesetzt wurde, und wo in alter Zeit alle ihre Osterkommunion empfingen, den Genuß junger Kräuter, wie der Frühling in den südlichen Gegenden sie um diese Zeit liefert, vorgezogen haben. Daher hätte dann der Tag selber nach der Meinung einiger seinen Namen, gerade wie der Aschermittwoch und der Palmsonntag von der Asche und den Palmen, die da ausgeteilt werden, ihren Namen haben.
Andere finden darin eine Hinweisung auf den Erlöser, der in dem allerheiligsten Altarsakramente der ewig grünende Weinstock und der fruchtbare Ölbaum in seiner Kirche geworden ist.
Wieder andere meinen, unsere Voreltern hätten diesen Tag so genannt, weil an ihm mit dem Leiden Christi unser Heil zu grünen angefangen hat.
Im Lateinischen heißt er gewöhnlich "Abendmahlstag des Herrn", außerdem noch der "Geburtstag des heiligen Altarsakramentes", der "Tag der Geheimnisse", die "Todesangst des Herrn".

Was hat Christus an diesem Tage Merkwürdiges getan?

Jesus unterredete sich an diesem Tage mit seinen Jüngern über die Offenbarungen seiner Würde, er ermunterte sie zur Liebe und zum Vertrauen auf Gott und befahl die Zubereitung zum Genusse des Osterlammes, das er dann auch abends in einem Speisesaale zu Jerusalem nach dem Gesetze (2 Mos 18) mit seinen Jüngern aß. Hierauf wusch er ihnen aus unendlicher Demut als Vorbereitung zu dem folgenden Geheimnisse die Füße, verwandelte Brot und Wein in sein heiligstes Fleisch und Blut, und gab es ihnen zu ihrer heilsamsten Seelennahrung. An diesem Tage setzte er also das heiligste Sakrament des Altares und das heilige Meßopfer ein, und weihte die Apostel, indem er ihnen befahl, dasselbe zu seinem Andenken zu tun, zu Priestern. Nachdem dieses geschehen war, hielt er seine Abschiedsrede an sie (Joh 13-19), worin er ihnen vorzüglich die Liebe empfahl, verrichtete das schöne hohepriesterliche Gebet, und beschloß die ganze Feier mit einem Lobgesange. Dann ging er mit ihnen wie gewöhnlich auf den Ölberg, wo er sein Leiden mit dreimaligem Gebete, mit Ergebung in den Willen Gottes, mit einer großen Todesangst und blutigem Schweiße anfing, und endlich von dem Judas mit einem Kusse den Juden verraten wurde. Sogleich führten sie ihn gebunden zu dem Palast des Hohenpriesters Kaiphas, wo er sich als den Sohn Gottes bekannte, deshalb vom Hohen Rate der Juden des Todes schuldig erklärt und den Gerichtsdienern die Nacht hindurch zur Verwahrung überlassen wurde. Inzwischen verleugnete ihn Petrus dreimal.
Die heilige Messe feiert die vollkommene Hingabe Christi für das Heil der Menschen. Darum gedenkt sie nicht nur der Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes, sondern auch des Verrates durch Judas, dem Jesus in doppelt schmerzlicher Weise sich zweimal für unser Heil überliefern wollte, sowie der Fußwaschung, jenes so rührenden Beweises einer zum Dienste zur Reinigung aller sich hingebenden demütigen Liebe. Diese drei Arten der Hingabe Christi ziehen sich durch die ganze heilige Messe und in wahrhaft ergreifender Weise bis hinein in die innerste Mitte, gleichsam in das Herz des hochheiligen Sakramentes vor; aber kaum will sie sich höher schwingen, so fallen wieder die Klänge des Schmerzes und der Trauer ein. Hierdurch erklären sich die außergewöhnlichen Gebräuche der Messe des Gründonnerstages.

Welche besonderen Gebräuche werden heute bei der heiligen Messe beobachtet?

1. Nur eine heilige Messe darf gelesen werden, weil Christus an diesem Tage das unblutige Opfer selbst und allein verrichtete. 2. Der Priester erscheint in weißem Meßgewande am Altare, auf dem das Kruzifix ebenfall mit einem weißen Tuche bedeckt ist, zum Andenken an die freudenreiche Einsetzung des heiligsten Altarsakramentes. 3. Das längst verstummte Gloria wird feierlich gesungen und dabei mit allen Glocken geläutet. Das ist gleichsam ein Ausdruck der Freude der Kirche ob der Einsetzung des wunderbaren Mahles der Liebe, und der letzte Gruß der Kirche, den sie ihrem scheidenden Heilande nachruft.
4. Nach dem Gloria verstummen die Glocken, auch die Meß- und Sakristeiglöckchen, bis zum Gloria der Auferstehungsnacht. Durch die hierdurch eintretende Stille will die Kirche auch a.) ihre tiefe Trauer wegen des Leidens und Todes Christi an den Tag legen und uns zu noch größerer Trauer bewegen. Denn wenn mehrere Tage hindurch alles so öde und still um uns her ist, und wir keinen Glockenton, nicht einmal den Ton einer Schelle hören, so stimmt das, bei der sonstigen traurigen Feier dieser Tage, unsere Seele zur stillen, tiefsten Wehmut, und so will gerade die katholische Kirche, daß wir die Zeit des Leidens und Todes Christi begehen sollen. In der Stille sollen wir den Tod unseres Erlösers betrachten, mit ihm geistigerweise gleichsam begraben sein, wie der Apostel sagt: "O, ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen." b.) Will die Kirche damit das Stillschweigen der Apostel andeuten, die im 18. Psalm mit Glocken, deren Schall über die Erde ausgeht, verglichen werden, die beim Tode Jesu aber verstummten, eine schmähliche Flucht ergriffen und sich vor den Juden verbargen. Erst am Samstage werden die Glocken wieder geläutet, weil die Jünger nach der Auferstehung, die wir in der heiligen Messe des Tages feiern, wieder herbeikamen, sich die Auferstehung des Herrn erzählten und diese frohe Botschaft weiter verkündeten. Während dieser Zeit wird das Volk durch ein hölzernes Instrument zum Gottesdienste berufen, dessen man sich auch bedient, um das Zeichen zum Englischen Gruße, zur Wandlung usw. zu geben. Dieses geschieht erstens, um durch das tonlose, einförmige Geräusch dieser Rasseln die Trauer in uns zu verstärken; zweitens ist das auch eine besondere Weise der Abtötung in diesen Tagen des strengen Fastens, wenn wir auf den freundlichen Schall der Glocken und Schellen verzichten und uns dafür mit dem klappernden Tone des Holzes zufriedengeben, und zugleich eine Übung der Demut, wenn wir uns den Gebrauch besserer Geräte versagen, und mit dem ärmlichsten Instrumente, das gedacht werden kann, die Stunden des Gottesdienstes anfangen. Drittens soll uns der Ton des Holzes daran erinnern, wie auch einstens in diesen Tagen durch das Kreuzholz alle Völker der Erde zur Erkenntnis Gottes und zur ewigen Seligkeit berufen wurden.
5. Der Priester konsekriert zwei große Hostien, von denen er eine bei der Kommunion genießt, die andere aber im Kelche für den folgenden Tag aufbewahrt, weil am Karfreitage keine Konsekration oder Wandlung vorgenommen werden darf.
6. Vor der Kommunion wird der Friedenskuß nicht gegeben, teils weil er ein Zeichen der Freude ist, teils weil die Kirche ihren Abscheu an dem verräterischen Kusse des Judas ausdrücken will.
7. Alle Priester sind gehalten, in der Kirche, zu der sie gehören, aus der Hand des Zelebranten die heilige Kommunion zu empfangen. Der Zelebrant stellt hier die Person Christi vor, der am heutigen Tage zum ersten Male seinen Jüngern sein eigenes Fleisch und Blut zur Speise und zum Tranke gegeben hat. Die Priester erscheinen hierbei mit der Stola, dem Zeichen ihrer priesterlichen Würde.
8. Nach der heiligen Messe wird die zweite verwandelte Hostie in einem verhüllten Kelche in feierlicher Prozession von dem Hauptaltare zu einem schön verzierten Nebenaltare oder zu dem eigens hierzu hergerichteten sogenannten Grabe getragen und die übrigen Lichter in der Kirche sämtlich ausgelöscht Wie rührend ist diese Hinweisung auf die Verlassenheit, in der sich die heiligste Menschheit Christi befand, als die Gottheit sie mehr und mehr den einsamsten Leiden überließ.
9. Dann folgt sogleich die Vesper ohne Gesang, ein herzbewegendes Gebet des Gottmenschen selbst, der nun den Kelch des Leidens willig annimmt, in Wehmut den Undank der geliebten Menschen beklagt, und umringt von seinen Feinden und in allseitiger Verlassenheit zum Vater um Beistand ruft.
10. Zum Schlusse werden die Altäre entblößt und all ihres Schmuckes beraubt. Dieses soll vorerst andeuten, daß von jetzt an bis zur Feier der Auferstehung das heiligste Meßopfer nicht mehr dargebracht werde; darum wird das Geräte des Altares als überflüssig weggeräumt. Nebstdem wollen wir hiermit abermals unsere schmerzvolle Trauer bezeichnen. Wer sehr traurig ist, vernachlässigt seine Wohnung und seine eigene Kleidung sogar; es liegt ihm nichts mehr an allem, und er mag keine Mühe anwenden, um es in Ordnung zu erhalten. Sodann wird dadurch auch angedeutet: erstlich, wie Christus der Herr aller seiner Kleider beraubt wurde. Der Priester, der die Altäre abdeckt, betet deshalb den 21. Psalm dabei, der eine genaue Prophezeiung des Leidens Christi enthält, und in dem besonders die Worte vorkommen: "Meine Kleider haben sie unter sich geteilt." Der entblößte Altar soll ferner das Bild des aller Schönheit, ja, alles menschlichen Aussehens entblößten, in den bittersten Tod hingegeben Erlösers sein. "Weder Schönheit noch Gestalt wurde an ihm gefunden" (Is 53,2). Möchten wir doch in Jesus uns selbst erkennen, die wir durch die Sünde alles inneren Schmuckes und des übernatürlichen Lebens beraubt werden.

Der Eingang der heiligen Messe lautet:

Wir aber sollen uns rühmen in dem Kreuze unsers Herrn Jesu Christi, in dem unser Heil, Leben und Auferstehung ist, durch den wir erlöst worden sind (Gal 6,14). Gott erbarme sich unser und segne uns; lasse leuchten sein Angesicht über uns und erbarme sich unser (Ps 66,2).

Gebet der Kirche. Siehe am Karfreitage.

Lektion aus dem ersten Briefe an die Korinther XI,22-32

Brüder! euer Zusammenkommen, heißt es nicht des Herrn Abendmahl halten? Denn ein jeder nimmt vorher sein Nachtmahl, um zu essen; und der eine hungert, der andere aber trinkt in Fülle. Habet ihr nicht Häuser zum Essen und zum Trinken? Oder mißachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, welche nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht. Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch auch überliefert habe, daß der Herr Jesus in der Nacht, in der er verraten wurde, das Brot nahm und dankte, es brach und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird; dieses tut zu meinem Andenken. Desgleichen (nahm er) nach dem Nachtmahle auch den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute; tuet dies, sooft ihr trinket, zu meinem Andenken. Denn sooft ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, sollet ihr den Tod des Herrn verkündigen, bis er kommt. Wer nun unwürdig dieses Brot ißt oder den Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig des Leibes und des Blutes des Herrn. Der Mensch aber prüfe sich selbst, und so esse er von diesem Brote und trinke aus diesem Kelche. Denn wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht, indem er den Leib des Herrn nicht unterscheidet. Darum sind unter euch viele Schwache und Kranke und schlafen (entschlafen) viele. Denn wenn wir uns selbst richten, so würden wir nicht gerichtet werden Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht mit dieser Welt verdammt werden.

Erklärung

Die gottesdienstlichen Versammlungen der ersten Christen begannen gewöhnlich mit der Lesung der heiligen Schriften, Gebet und Gesang, dann brachten sie das heilige Opfer dar und empfingen die heilige Kommunion und schlossen mit einem gemeinschaftlichen Mahle, an dem Arme und Reiche, Vornehme und Geringe zusammensaßen, zum Zeichen brüderlicher Liebe und Einheit. Diese Mahle nannten "Agapen" oder Liebesmahle. Um die heiligen Geheimnisse feiern zu können, brachten die Vermögenden Brot und Wein mit, sowie auch andere Speisen, um damit das Liebesmahl halten und die Ärmeren speisen zu können. In Korinth riß nun der Mißbrauch ein, daß einige ihr Mitgebrachtes vor dem Abendmahle zum Teile oder ganz verzehrten und unmäßig tranken, so daß bei dem Liebesmahle öfter nicht mehr so viel vorhanden war, daß alle satt werden konnten. Diesen Unfug von Unmäßigkeit und erkalteter Liebe rügt hier der Apostel als unwürdige Vorbereitung zum Empfange der heiligen Geheimnisse, und ruft deshalb den Korinthern die Einsetzung des heiligsten Altarsakramentes ins Gedächtnis zurück, worüber er eine besondere göttliche Offenbarung erhalten hatte, und belehrt sie, welch schreckliche Sünde es sei, das Fleisch und Blut des Herrn unwürdig zu genießen. Wer dieses tue, der mache sich des Leibes und Blutes Christi schuldig, d.h. er sei ebenso schuldig, als wenn er den Herrn getötet und sein Blut vergossen hätte, und er esse und trinke sich das Gericht, d.h. die ewige Verdammnis. Sie möchten sich daher wohl prüfen, ehe sie von diesem Brote äßen und aus diesem Kelche tränken, damit sie den göttlichen Heiland nicht unwürdig und zu ihrem Verderben in der heiligen Kommunion empfingen. O, daß doch alle, die sich zur heiligen österlichen Kommunion anschicken, diese Ermahnung des heiligen Apostels zu Herzen nehmen!

Evangelium Johannes VIII,1-15

Vor dem Festtage der Ostern, da Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen sei, um aus dieser Welt zum Vater zu gehen, und er die Seinigen, die in dieser Welt waren, lieb hatte; so liebte er sie bis ans Ende. Und nach gehaltenem Abendmahle, als schon der Teufel dem Judas Iskariot, Simons Sohne, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten, und obwohl er wußte, daß der Vater ihm alles in die Hände gegeben habe, daß er von Gott ausgegangen sei und zu Gott zurückkehre, stand er vom Mahle auf, legte seine Kleider ab, nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich damit. Dann goß er Wasser in ein Becken und fing an, die Füße seiner Jünger zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, womit er umgürtet war. Da kam er zu Simon Petrus. Petrus aber sprach zu ihm: Herr, du willst mir die Füße waschen? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen. Petrus sprach zu ihm: Du sollst mir die Füße in Ewigkeit nicht waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keinen Teil an mir! Simon Petrus sagte zu ihm: Herr, nicht allein meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. Jesus sprach zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nicht mehr, als daß er die Füße wasche, so ist er ganz rein. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er wußte, wer der wäre, der ihn verraten würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. Nachdem er nun ihre Füße gewaschen und und seine Kleider angetan hatte, setzte er sich wieder zu Tische uns sprach zu ihnen: Wisset ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennet mich Meister und Herr, und ihr sprechet recht; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollet auch ihr, einer dem andern, die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so tuet, wie ich euch getan habe.

Was bedeuten die Worte: "Da Jesus die Seinigen lieb hatte, so liebte er sie bis ans Ende"?

Das heißt nicht nur, daß Jesus die Seinigen bis ans Ende seines Lebens liebte, sondern auch, daß er sie bis zum Übermaße liebte, mit einer Liebe, die keine Schranken kennt, weder was den Ort, noch was die Dauer anbelangt, mit einer Liebe, die sich bis zu den äußersten Enden der Welt, bis an das Ende der Jahrhunderte erstreckt. Und den Beweis einer solchen maßlosen Liebe gab er in der Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes kurz vor seinem bittern Leiden und Sterben. Danken wir ihm für eine so unverdiente Liebe!

Warum wusch Jesus den Jüngern die Füße?

1. Um ihnen einen neuen Beweis seiner innigen Liebe und ein Beispiel der tiefsten Demut zu geben, und sie zu Gleichem zu ermuntern; 2. um sie zu belehren, daß man nicht nur von schweren Sünden und allen bösen Neigungen täglich das Herz, die es wie der Staub die Füße bedecken, sorgfältig reinigen soll, wenn wir die vollkommenen, fruchtbringenden Wirkungen der heiligen Kommunion an uns erfahren wollen. Zum Andenken an diese unendliche Demut Jesu ist es an vielen Orten Sitte, dieses wunderbare Beispiel, das uns der Erlöser gab, jährlich nachzuahmen. Im Meßbuche sind ausdrücklich Gebete vorgeschrieben, die dabei verrichtet werden sollen. In Rom wäscht der Heilige Vater zwölf Priestern kniend die Füße und küßt sie, nachdem er sie wieder abgetrocknet hat; sodann versammeln sich dieselben Priester zu einem Mittagsmahle und werden über Tisch von dem Papste selbst bedient. Auch an mehreren Höfen unterziehen sich die Fürsten einer solchen Verdemütigung. Sie waschen zwölf armen, greisen Männern die Füße, bewirten sie und entlassen sie nachher mit einem reichen Geldgeschenke. O, daß wir bei dem Anschauen der Selbsterniedrigung Christi uns ebenfalls in unser Nichts vor Gott und den Menschen erniedrigten, und zuwar aus Liebe, wie Jesus es getan hat. Darin besteht so recht unser Eingehen mit Christus in das äußerste Leiden, daß wir uns in Liebe für alle und unter alle erniedrigen und aller Diener zu werden bemühen. Darum bildet die Fußwaschung in ihrer geheimnisvollen Bedeutung den geeignetsten und gnadenvollsten Abschluß der Feier des Tages!

In den bischöflichen Kirchen weiht der Bischof am heutigen Tage während der Messe die heiligen Öle, nämlich das Krankenöl, den Chrisam und das Öl für die Täuflinge. Es umgeben ihn dabei zwölf Priester in weißen Meßgewändern, die uns an die zwölf Apostel erinnern sollen, die an diesem Tage um den Heiland versammelt waren. Der Bischof und die zwölf Priester hauchen das Öl dreimal in Kreuzesform an, um dadurch die Kraft des Heiligen Geistes zu versinnbilden, die durch die Weihe des Bischofs über dasselbe und durch die sakramentalische Ausspendung des Öles auch über die Gläubigen kommt. Nach den Weihegebeten wird sowohl der heilige Chrisam als auch das heilige Tauföl von dem Bischofe und jedem der zwölf Priester unter dreimaliger Kniebeugung dreimal mit den Worten begrüßt: "Sei gegrüßt, heiliges Öl", um dadurch einerseits den Heiligen Geist zu ehren, der seine göttliche Kraft diesen Ölen mitgeteilt hat, und andererseits die Freude der Kirche darüber auszudrücken, daß Christus zum Heile der Menschheit jene Sakramente eingesetzt hat, bei dem die heiligen Salbungen vorgenommen werden. Daß gerade am Gründonnerstage diese heilige Handlung stattfindet, mag daher kommen, weil in alter Zeit die damals meistens erwachsenen Täuflinge am Karsamstage die Taufe und zugleich die heilige Firmung empfingen. Da nun hierbei die heiligen Öle nötig waren, die Weihe aber nicht wohl am Karfreitage geschehen konnte, so wurde sie am Gründonnerstage vorgenommen. Kein Tag eignet sich auch wohl mehr hierzu, weil gerade an diesem Tage das Priestertum eingesetzt wurde und die Spendung der heiligen Sakramente und Segnungen von Christo verordnet worden sind.

Gebet am Gründonnerstage. O gütigster Herr Jesu Christi! an diesem liebreichen Tage grüße ich dich und begehre dir heute eine besondere Ehre und Freude zu erzeigen. Denn heute ist jener gnadenreiche Tag, an dem sich alle andächtigen Seelen erfreuen, und sich begleißen, denselben mit aller möglichen Andacht zu begehen, weil an demselben so hohe Geheimnisse vorgegangen sind, daß sie von der ganzen Christenheit nicht genug gepriesen werden können. Heute hast du ja deinen geliebten Freunden dein bitteres Leiden geoffenbart, von deiner teuren Mutter dich getrennt und mit deinen Jüngern das Osterlamm gegessen. Am heutigen Tage wuschest du ihnen so demütig die Füße, konsekriertest Brot und Wein, verwandeltest sie in deinen Leib und dein Blut, setztest so das allerheiligste Altarsakrament ein, reichtest es deinen Apostel, fingest so das Neue Testament an und schafftest das alte, schwere Gesetz ab. Heute hast du deine betrübten Jünger treuherzig getröstet und ganz betrübt von ihnen Abschied genommen. Aus dem Innersten meines Herzens danke ich dir für alle Geheimnisse, die du heute gewirkt, und für alle Gnaden, die du uns dadurch erzeigt hast! O, wäre ich damals zugegen gewesen und hätte die Gnade gehabt, mit dir das Osterlamm zu essen und das hochwürdigste Sakrament aus deiner eigenen Hand zu empfangen: wie würde dies meine Seele getröstet und mein Herz mit Freuden erfüllt haben! Weil ich dieses aber nicht leiblicherweise habe tun können, so will ich es jetzt geistigerweise verrichten. Deshalb bitte ich dich durch die Liebe, mit der du heute deinen Jüngern die Füße gewaschen und sie mit dem allerheiligsten Sakramente gespeiset hast, du wollest meine unreine Seele mit deinen bitteren Zähren abwaschen und mit deinem Fleische und Blute geistigerweise speisen, damit ich gleichwie deine lieben Jünger gereinigt, gespeiset und getränkt werde und deine göttliche Gnade überreich erlange. Amen.


Unterricht für den Karfreitag

Der Karfreitag ist der Todestag des Herrn, und somit der größte Tag vom Anfange bis zum Ende der Welt, der Tag, an dem die geheimnisvollsten Ratschlüsse der Ewigkeit in Erfüllung gegangen sind. Durch ein ungerechtes Urteil zum Tode verurteilt, das heilige Haupt mit einer Dornenkrone umflochten, das Antlitz mit Strömen Blutes übergossen, wollte heute das unschuldige Opferlamm das Kreuz auf Golgatha tragen, daran erhöht werden, unter dem grausamsten Spotte seiner Feinde die furchtbarsten Qualen erdulden, und endlich sein Haupt neigen und sterben. Das Weltall wird von dem tiefsten Schmerze ob dieser schwarzen Tat ergriffen. Denn die Sonne verfinstert sich, die Felsen spalten sich, die Gräber öffnen sich, der Vorhang im Tempel reißt mitten entzwei.

Wie könnte darum das Herz der Gläubigen sich einer Freude öffnen, wie unschuldig sie auch sein möchte? Da der Bräutigam hinweggenommen ist, so kann die Kirche nichts anderes, als dem Schmerze sich hingeben und trauern. Mit Recht wird dieser Tag daher auch ein "Tag des Schmerzes und der Trauer" genannt. Der Schmerz ist zu groß, als daß die Glieder der Kirche an den gewöhnlichen Arbeiten Gefallen finden könnten. Darum ruhten von jeher alle Arbeiten an diesem Tage, was ihm den Namen "stiller Freitag" verschaffte.

Bei alle Schmerzlichen hat er jedoch auch eine erhebende Seite. In dem blutenden und sterbenden Heilande erblickt das Auge des Glaubens das Opferlamm für die Sünden der Welt, die unendliche Liebe des Vaters, der seinen Eingebornen in den Tod des Kreuzes dahingegeben, des Sohnes, der nicht etwa um Gold und Silber, sondern um den teuren Preis seines kostbaren Blutes uns losgekauft hat. Darum nannte man ihn auch den "lieben Freitag, den Tag des Heiles oder der Sündenvergebung". Nach der jüdischen Sprachweise, die auch in den Evangelien beibehalten ist, heißt er "Parasceve", d.i. Rüsttag; denn den Juden war dieser Tag der Vorbereitungs- oder Rüsttag zum Osterfeste.

Der tiefe Schmerz der Kirche über den Tod Jesu muß sich natürlich auch in dem Gottesdienste dieses Tages ausprägen. Daher tritt der Priester mit den Dienern in schwarzen Gewändern und ohne Licht zum Altare, der in seiner Entblößung den Kalvarienberg vorstellt, fällt, von Schmerz, Trauer, Reue, Staunen und Anbetung erfüllt, vor ihm auf sein Angesicht nieder, und verharrt so eine Zeitlang in demütigem Gebete. Dieses bildet gewissermaßen das Staffelgebet. Die Kirche hat dafür kein eigenes Gebet vorgeschrieben, als könnte sie keine Worte finden, mit denen sie ihre Trauer und Reue heute auszudrücken vermöchte. Mittlerweile wird ein einfaches Leintuch auf dem Altare ausgebreitet, gleichsam das Grabtuch Christi. Hierauf erhabt sich der Priester, steigt zum Altare empor, küßt ihn und liest eine Stelle aus dem Propheten Oseas (6,1-6), worin Israel zur Buße aufgefordert wird und Gott seinem Volke Erlösung verspricht. Nach dieser Lesung bittet er, Gott möge uns das Leiden Christi nicht zum Fluche, wie dem Judas, sondern wie dem bekehrten Schächer zum Heile gereichen lassen, er möge uns von unseren Sünden reinigen und uns die Gnade der Auferstehung schenken. Jetzt folgt eine Lektion aus dem zweiten Buche Moses (12, 1-11), worin die Art und Weise beschrieben wird, wie die Juden das Osterlamm schlachten und essen sollen. Dieses Osterlamm der Juden war ja eine Vorbedeutung des Erlösungstodes Christi. In der Passion, die darauf gesungen wird, erzählt uns der heilige Evangelist Johannes (Kap 18 und 19), wie die Juden das göttliche Osterlamm heute am Kreuze geschlachtet haben. Das nachfolgende Evangelium handelt von dem Begräbnisse Jesu. Rührend ist es, daß weder am Schlusse dieses Evangeliums "Lob sei dir, Christe", noch am Schlusse der Lektionen "Gott sei Dank", un d später beim "Orate fratres", d.h. "Betet, Brüder" und "Nimm an" usw. geantwortet wird. Das gläubige Volk steht verstummt vor Schmerz und Reue da, horcht und betet schweigend. Nur durch da "Amen" schließt es sich den Gebeten des Priesters an.

Weil am heutigen Tage Jesus durch sein blutiges Opfer den Zorn des himmlischen Vaters besänftigt und für die Sünden der ganzen Welt genuggetan hat, so benutzt die katholische Kirche diesen Tag der Gnade und bringt, mit ihren Gläubigen am Opferaltare des Kreuzes stehend, dem versöhnten Vater in mehreren aufeinanderfolgenden Gebeten ihre angelegentlichsten Bitten für das Heil der gesamten Menschheit dar, auf daß allen die segensvollen Wirkungen des Kreuzesopfers zukommen mögen, wie der Erlöser für alle sein Leiden und seinen Tod dem Vater aufgeopfert und gesprochen hat: "Wenn ich erhöht sein werde, will ich alles an mich ziehen." Sie betet für die ganze Kirche, daß sie in Frieden und Ruhe Gott auf Erden verherrlichen möge: für den Palst, daß ihn Gott unversehrt erhalte zur Regierung des geheiligten Volkes Gottes; für die Bischöfe, Priester, die übrige Geistlichkeit und das Volk, daß alle Gott in heiliger Treue dienen; für jene, die morgen getauft werden wollen, damit sie durch das Bad der Wiedergeburt die Nachlassung aller ihrer Sünden erlangen und mit Christo vereinigt werden; für verschiedene Anliegen, daß Gott die Welt von allen Irrtümern reinige, die Krankheiten hinwegnehme, den Hunger vertreibe, die Kerker öffne, die Banden zerreiße, den Wanderern die Heimkehr, den Kranken die Gesundheit, den Schiffern den Hafen der Rettung verleihe; für die Irrgläubigen und Abtrünnigen, daß Gott sie von allen Irrtümern erlöse und zur heiligen Mutter, der katholischen apostolischen Kirche zurückführe; für die Juden, damit Gott den Schleier von ihren Herzen hinwegnehme und auch sie erkennen unsern Herrn Jesum Christum; für die Heiden, damit sie sich zum Glauben an den einen wahren Gott und seinen Sohn Jesum bekehren. Vor jedem Gebete spricht der Priester: "Oremus" (Lasset uns beten(, "Flectamus genua" (Beugen wir die Knie). Man kniet nieder, so wie man vor jemand niederfällt, bei dem man eine recht dringende, demütige Bitte vorzubringen hat, antwortet "Amen", und auf den Ruf "Levate" (Erhebet sie wieder" steht man auf. Nur bei dem Gebete für die Juden beugt der Priester die Knie nicht, weil die Juden durch Kniebeugen Christum verspottet haben. Stimmen wir mit ein in das Gebet der Kirche für die genannten Zwecke.

Nach diesen Gebeten steigt der Priester auf der Epistelseite vom Altare herab, legt das Meßgewand ab, nimmt das mit einer schwarzen Hülle überdeckte Kreuz und hält es gegen das anwesende Volk. Es folgt nun der ernste Augenblick, in dem die Kirche uns den am Kreuze für uns blutenden Gottmenschen zeigen und zur heilsamen Betrachtung uns hinaufversetzen will unter das Kreuz Christi auf den Kalvarienberg. Der Priester, gleichsam als entsetze er sich, auf einmal dem Volke den blutenden, mit dem Tode ringenden Heiland zu zeigen, entblößt das Kreuz allmählich. An der hinteren Ecke des Altares auf der Epistelseite stehend, enthüllt er den oberen Teil des Kreuzes, so daß das Haupt des Bildes zu sehen ist, und singt mit tiefer Stimme: "Ecce lignum Crucis", d.h. "Sehet das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen." Der Chor antwortet: "Venite adoremus", d.h. "Kommet, lasset uns anbeten." Bei deisen Worten fallen alle vor dem Kreuze nieder, um Jesum anzubeten, der für uns am Kreuze starb, mit Ausnahme des Zelebranten. Dieser schreitet auf der Epistelseite ein wenig vor, entblößt den rechten Arm des Kreuzes, singt mit etwas erhöhter Stimme zum zweiten Male dieselben Worte und hebt das Kreuz höher empor. Beim dritten Male begibt er sich vor die Mitte des Altares, entblößt vor den Augen der ganzen Gemeinde nun vollständig das Kruzifix, hebt es noch mehr empor, mit abermals erhöhter Stimme singend: "Seht das Holz des Kreuzes" usw. Zugleich wird dann auch von den übrigen Kreuzen in der Kirche die Hülle abgenommen, womit sie seit dem Passionssonntage bedeckt gewesen sind. Diese Entblößung der Kruzifixe soll uns den Augenblick versinnbilden, in dem einst Christus bei der Kreuzigung seiner Kleider beraubt und sodann am Kreuze erhöht und den Augen der Umstehenden sichtbar wurde. Die dreimalige allmähliche Enthüllung des Kreuzes soll die allmähliche Offenbarung des Kreuzesopfers darstellen. Im Alten Bunde war die Offenbarung noch nicht deutlich; auf Golgatha ward das Opfer gefeiert, doch wenige nur erkennen es; aber das Kreuz ward mitten in der Kirche aufgepflanzt, damit alle Völker es schauten, und Licht und Gnade ging aus und gehet aus von ihm in alle Welt. Und so nimmt die Kirche am Karfeitage stets wieder das Kreuz vom Kalvarienberge, um es in alle Länder hinauszutragen, um es allen zu zeigen, um dringender und immer dringender alle zur Teilnahme an dem Kreuzesopfer zu rufen. Man fällt dreimal vor dem Kreuze auf die Knie zur Anbetung Christi nieder; weil er dreimal sit verspottet worden, im Vorhofe des Hohenpriesters, im Hause des Pilatus und auf dem Kalvarienberge.

Der Priester trägt darauf das enthüllte Kreuz an den vor dem Altare bereiteten Ort und legt es kniend mitten im Chore nieder, zur Erinnerung, daß der Heiland auch nach seinem Tode noch bei seiner Kirche ist und bei ihr bleiben wird bis zum Ende der Welt. Beiseite gehend, zieht er die Schuhe aus, wie einst Moses, als der den heiligen Ort betrat, wo Gott ihm erschien, und um anzudeuten, daß man alle sündhaften Neigungen (den alten Menschen) ausziehen muß, falls man den Herrn würdig anbeten und der Frucht des Kreuzes teilhaftig werden will, kniet hierauf dreimal in verschiedener Entfernung vor dem Kruzifixe nieder und legt sich dann auf die Erde, um die Füße des Gekreuzigten zu küssen. Dasselbe tun die übrigen Altardiener zum Zeichen ihrer tiefsten Verehrung. Während dem Gekreuzigten diese Huldigung erwiesen wird, werden die sogenannten Improperien, d.h. die Vorwürfe oder Strafreden gesungen, in denen Gott seinem Volke Israel in unendlicher Wehmut den grenzenlosen Undank für seine zahllosen Wohltaten vorwirft. "Mein Volk", so beginnen sie, "was habe ich dir getan, oder worin habe ich dich betrübt? antworte mir. Vierzig Jahre habe ich in der Wüste dich geführt, habe dich mit Manna gespeiset und in ein gutes Land geführt; und du hast deinem Erretter ein Kreuz bereitet. Was konnte ich dir noch tun, das ich nicht getan hätte? Ich habe dich als meinen kostbaren Weinberg gepflegt, und du bist mir so bitter geworden. Mit Essig hast du meinen Durst getränkt, mit einer Lanze deinem Erlöser die Seite durchstochen. Ich habe um deinetwillen Ägypten gegeißelt samt seiner Erstgeburt, und du hast mich dafür gegeißelt. Aus Ägypten habe ich dich geführt, den Pharao ins Rote Meer versenkt, und du hast mich den Hohenpriestern übergeben. Das Meer habe ich vor dir geöffnet, und du öffnetest mit einer Lanze meine Seite; ich bin vor dir hingegangen in der Wolkensäule, und du fährtest mich zum Gerichtsstuhle des Pilatus; mit Manna habe ich dich in der Wüste genährt, und mit Backenstreichen und Schlägen hast du mich gezüchtigt; ich habe dich mit heilsamen Wasser aus dem Felsen getränkt, und du hast mich mit Galle und Essig getränkt. Ich habe deinetwegen die Könige der Kanaanäer geschlagen, und du schlugest mir das Haupt mit einem Rohre. Ich habe dir das Königszepter gegeben, und du hast auf mein Haupt eine Dornenkrone gesetzt. Ich habe dich mit großer Macht erhöht, und du hast mich an dem Kreuzbalken aufgehängt." Anschaulicher kann wohl die Undankbarkeit der Juden nicht dargestellt werden. Aber ach, jene bitteren Klagen treffen nicht nur die Juden, sondern eigentlich uns selbst. Wie viel größer sind die Gnaden und Wohltaten, die wir von Gott empfangen haben, im Vergleiche zu jenen des Alten Bundes! Nicht durch das Rote Meer hat uns Gott geführt, um uns aus der Gewalt des Pharao zu erretten, sondern durch die Taufe hat er uns in sein Reich geführt und von der Herrschaft des Satans freigemacht; nicht mit dem Fleische des alten Osterlammes, mit seinem eigenem Fleische, mit dem Brot der Engel hat er uns gespeiset: nicht zu dem irdischen Lande Kannen, gleich den Juden, sondern zu dem ewigen Vaterlande des Himmels hat uns Gott berufen und erwählt. Indem wir uns daher vor dem Kreuze niederwerfen, sollen wir unsere zahllosen Vergehen und unsere grenzenlose Undankbarkeit uns vorhalten, und zugleich betrachten, was der Herr für uns getan hat, auf daß eine tiefe Reue und ein kräftiger Vorsatz sich in unserer Seele befestige. Zwischen diesen Improperien wird abwechselnd in griechischer und lateinischer Sprache gesungen: "Heiliger Gott! Heiliger starker Gott! Heiliger unsterblicher Gott! Erbarme dich unser!" Das soll eine Mahnung für uns sein, daß wir, vor dem Bilde des Erlösers kniend und sein Leiden und seinen Tod betrachtend, ihn auch um Erbarmen anflehen mögen wegen unserer Sünden. Diese Worte haben auch noch eine andere Bedeutung. Jesus Christus hing nämlich am Kreuze zwischen Missetätern, er selbst wurde unter sie gezählt, litt und starb verlassen und hilflos, als ein schwacher und sterblicher Mensch. Seine Heiligkeit, Allmacht und ganze Gottheit war gleichsam vor den Augen der Welt vernichtet. Was nun die Juden in ihrer Verblendung und Verstocktheit nicht erkennen wollten, das bekennt an diesem Tage die dankbare Christenheit zur Verherrlichung des Erlösers. Mitten in seiner tiefsten Erniedrigung singt sie ihm das dreimal Heilig, betet ihn an als Gott, rühmt die Stärke und Allmacht seiner Gottheit, seine Unsterblichkeit und Ewigkeit. Der abwechselnde griechische und lateinische Gesang ist ein Bild, wie das Geheimnis des Kreuzes das Mittel geworden ist, durch das jetzt die Völker aller Zungen in das gleiche Lob des einigen Gottes einstimmen. - Endlich, nachdem die Küsse der Liebe den anklagenden Mund des Erlösers gleichsam verstummen gemacht haben, bricht das Herz aus in jenen so zarten, erhabenen, schmerzvoll jubelnden Preisgesang auf das heilige Kreuz:

Treues Kreuz! an Ehr und Würde
Ist kein Baum des Walds dir gleich!
Laub- und Blüt- und Samenzierde
Trägt kein Baum wie du so reich.
Welche süße, teure Bürde,
Holz und Eisen; hängt an euch!

Nach vollendeter Anbetung des Gekreuzigten wird in feierlicher Prozession die am Gründonnerstage konsekrierte heilige Hostie von jenem Altar geholt, wo sie aufbewahrt worden ist, und zum Hochaltar gebracht. Dann beginnen jene Zeremonien, die heute die Stelle der heiligen Messe vertreten. Während derselben erscheint der Priester in der schwarzen, tiefen Trauerfarbe. Er schenkt Wein in den Kelch nebst etwas Wasser, segnet und opfert ihn aber nicht auf, sondern stellt ihn einfach auf en Altar. Nach der Räucherung folgt die Händewaschung, das "Betet, Brüder", das "Vaterunser" und das Gebet um Erlösung von allen Übeln. Der Priester habt die Hostie mit der rechten Hand in die Höhe und zeigt sie dem Volke, und teilt sie über dem Kelche in drei Teile, von denen er einen in den Kelch fallen läßt. Nach einem Vorbereitungsgebete folgt das "Herr, ich bin nicht würdig" usw. und die Kommunion des Priesters, nach der er ohne Gebete den Wein des Kelches genießt, und dann sogleich, fast in Eile, den Altar verläßt, wie einst die Juden nach dem ersten Opfermahle vor den Ägyptern. oder wie die Jünger vor den Feinden Christi flohen.

Der eben beschriebene Gottesdienst mit der Kommunion ohne Wandlung heißt gewöhnlich Misse praesanctificatorum, d.i. Opfer der schon vorher konsekrierten Opfergabe Auch nennt man ihn wohl die verstörte Messe, wahrscheinlich, um dadurch auszudrücken, daß er keine Messe sei. Die Wesenheit und Hauptsache der heiligen Messe besteht in der Konsekration oder Verwandlung des Brotes und Weines in den Leib und das Blut Jesu Christi. Am Karfreitag aber findet keine Wandlung statt. Aus zwei Gründen wird an diesem Tage keine heilige Messe dargebracht: 1. Weil die heilige Messe ein unblutiges Opfer und ein Denkmal des blutigen Opfers am Kreuze ist. Da wir nun am Karfreitage das blutige Opfer selbst vor Augen haben, so wird da unblutige Opfer, das Denkmal jenes andern, unterlassen, und wir beschäftigen uns allen mit der Betrachtung jenes Opfers, von dem der Apostel sagt: "Nachdem Jesus ein einziges Sühneopfer gebracht hat, sitzet er auf ewig zur Rechten Gottes" (Hebr 10,12). 2. Weil diese heilige Opfer von der Kirche allezeit als eine freud- und trostvolle Handlung angesehen wurde. Es wird demnach an diesem Tage der tiefsten Trauer, wo einst sogar die ganze Natur den Tod ihres Schöpfers betrauerte, unterlassen.

In vielen Kirchen wird auch die Grablegung gefeiert und das Bild des entschlafene Heilandes in das sogenannte Heilige Grab gelegt. In diesem Heiligen Grabe pflegt man in machen Gegenden gleich nach der obernerwähnten verstörten Messe das Allerheiligste zur Anbetung auszusetzen. O daß doch diese Heiligen Gräber nicht nur des Scheines wegen besucht würden, sondern daß die Herzen aller Gläubigen in Demut und Innigkeit den dort anbeten möchten, der sich heute am Kreuze geopfert hat, und bis zum Ende der Zeiten sich in der Kirche opfert, der heute gestorben ist und doch in der Kirche lebt, heute und gestern und in Ewigkeit; daß sie ihm doch heute besonders für sein bitteres Leiden und Sterben danken, ihm für alle Schmach und Beleidigung, die ihm bis zur Stunde ist angetan worden und noch fortwährend angetan wird, Abbitte leisten und ihn anflehen möchten, er möge sie und alle Menschen mit seinem Lichte erleuchten, damit sie nicht in der Finsternis der Sünde wandeln, sondern, ihm nachfolgend, seiner ewigen lichtvollen Herrlichkeit im Himmel teilhaftig werden. Außer der Anbetung Jesu im Heiligen Grabe kann man den Kreuzweg besuchen, das Leiden des Herrn betrachten und andächtig zu Gemüte führen, wozu der hl. Augustinus in den schönen Worten ermuntert: "Schaue an die Wunden des am Kreuze hangenden Jesus, das Blut des Sterbenden, den Wert des Erlösers! Das Haupt hat er geneigt zum Küssen, die Seite eröffnet zum Lieben, seine Arme ausgestreckt zum Umfangen, den ganzen Leib dargegeben zum Erlösen. Was dieses nun sei, betrachte, damit der ganz in deinem Herzen sei, der für dich am Kreuze abgeheftet ist."


Betrachtung über die sieben Worte Jesu am Kreuze

1. "Vater, verzeihe ihnen, sie wissen nicht, was sie tun." -
Welch unbegreifliche Güte; wie strömt das Herz Jesu über von Liebe zu uns armen Sündern! In Todesqual noch vergißt er sich selbst, um nur an uns zu denken. Ja, er denkt vorerst, was doch am nächsten lag, nicht an seine Mutter und Freunde. Das erste Wort, das nach der Aufrichtung des Kreuzes aus seinem Munde kommt, ist ein Gebet für seine Feinde. Er wendet zuerst den mitleidenden Blick dorthin, wo die Not am größten ist, sorgt zuerst für diejenigen, die seiner Sorge zwar am unwürdigsten, aber am bedürftigsten sind. Man sagt, daß seine Mutter gewöhnlich ein unglückliches, elendes, selbst ungeratenes Kind mehr liebe als die anderen. Ähnlich der Heiland. Vor sich sieht er die höhnenden Verfolger und grausamen Peiniger; hinter diesen erblickt er im Geiste die unzählbare Schar aller, die jemals durch schwere Sünde ihn aufs neue kreuzigen und verspotten werden. Inniges Mitleid mit diesen Unglücklichen läßt ihn einen Augenblick seine Schmerzen vergessen, und bei dem kostbaren Blute, das zur Erde strömt, fleht er seinen Vater an: Verzeihe ihnen, führe sie zur Einsicht und Buße, damit du ihnen verzeihen könnest. - Liebet eure Feinde, hat er gesagt; tuet Gutes denen, die euch hassen, betet für eure Verfolger. Das ist gegen die Natur, möchte mancher sagen, oder: Mein Feind hat es mir zu arg gemacht. Angesichts des Gekreuzigten muß jede Einwendung verstummen.

2. "Wahrlich, heute noch wirst du bei mir sein im Paradiese." -
Schon trägt sein Gebet die erste Frucht. Der Schächer hört es, und es rührt sein Herz und wirft die Erkenntnis hinein: Wer so betet, ist kein Mensch, sondern Gott, ein über allen Begriff guter Gott, der auch eines verruchten Mörders Hand nicht zurückstoßen wird. Herr, gedenke meiner, spricht er, wenn du in dein Reich kommst! Wohl weiß und bekenne ich, daß wir unser Kreuz verdient haben; nicht verlange ich, daß du mich erlösest von meinem Kreuz; gern will ich daran aushalten bis zum Ende und den Verbrechertod annehmen von der strafenden Gerechtigkeit Gottes; nur das eine begehre ich: Erlösung von meinen Sünden, daß du mich nicht gänzlich verstoßest. Auch in der anderen Welt verdiene ich nicht sogleich aufgenommen zu werden in dein Reich, auch da will ich gern noch büßen, nur vergiß und verstoße mich nicht völlig. Nur auf diesen Ausdruck des Schuldbewußtseins und der Bußfertigkeit hat der Herr gewartet. Wie der Vater den verlorenen Sohn, läßt der Heiligste den Mörder kaum aussprechen: "Heute noch wirst du mit mir sein im Paradiese." "O wundersame Gnade, Abraham ist noch nicht in Christi Reich eingezogen, und einem Mörder wird es schon aufgeschlossen: Moses und die Propheten sind noch nicht aufgenommen, und ein Bösewicht findet den Eingang offen; die den ganzen Tag gearbeitet haben, harren noch (in der Vorhölle), und dieser Mensch, der in der letzten Stunde kommt, wird gleich abgelohnt" (St. Cyrillus). Sieh, welche Freude ihm eine rasche, entschlossene Buße macht: wie man sich nicht bloß den Himmel verdienen, sondern selbst das Fegefeuer ersparen kann, wenn man in Bußfertigkeit leidet und den Tod willig annimmt von Gottes Hand.

3. "Weib, siehe da deinen Sohn; Sohn, siehe da deine Mutter." -
Nachdem er sein hohepriesterliches und Erlöseramt geübt hat durch das Gebet für die Sünder und die Absolution des Schächers, erinnert sich der Herr auch, was er seiner liebsten Mutter und dem treuen Jünger schuldig ist, die schon lange auf einen Blick aus seinen Augen und ein Wort aus seinem Mund gewartet haben. Was er jetzt der schmerzhaften Mutter sagt, ist im Grunde kein Trostwort für sie. Er mutet ihr ein neues Opfer zu, schenkt sie dem Johannes und in ihm uns. "Weib", nun will ich dich nicht mehr Mutter nennen, andere sollen dich von nun an so nennen. Ich habe die Menschen gelehrt zu beten: Vater unser; nun will ich ihnen auch eine barmherzige Mutter geben. Johannes durfte sie zu sich nehmen, weil er sich auszeichnete durch jungfräulichen, keuschen Sinn, dann durch treue Ausdauer bis zum Ende. Das sind Eigenschaften, die auch uns ein besonderes Anrecht geben auf Maria.

4. "Gott, mein Gott, wie hast du mich verlassen!" -
Nein, zu klagen ist uns nicht verboten, wenn wir traurig sind; selbst er, die Quelle alles Trostes, tut es; nur müssen wir uns nicht zu Menschen, zu den Geschöpfen wenden, nur dürfen wir dabei Gott nicht den Rücken kehren, sondern müssen den Klageruf zu ihm hinaufrichten. Weit ärger als die leibliche Not quälte den Herrn die innere Verlassenheit, das Dunkel der Seele, die Trostlosigkeit vom Beginn des Leidens an. Schon in Gethsemane hat er hierüber geklagt, jetzt hat es seinen Höhepunkt erreicht und preßt noch einmal seinem geängstigten Herzen diesen Klageruf aus. Die Umstehenden verstehen ihn nicht, die wenigsten Menschen verstehen ja die Sprache des Gekreuzigten.

5. "Mich dürstet!" -
Der leibliche Durst mußte überaus qualvoll sein wegen des Blutverlustes und der Wundfieberhitze. Darüber klagt schon der Prophet in seinem Namen: "Meine Zunge klebt an meinem Gaumen, wie eine Scherbe ist vertrocknet meine Kraft, ausgedorrt ist mein Gebein." Wegen der Sünde der Unmäßigkeit, wodurch die Gottesgabe zu schnöder Lust vergeudet wird, klebt ihm die Zunge am Gaumen; um uns zu retten vom verzehrenden Durste des Prassers in der Hölle, um uns die Armen lieb zu machen, die uns Gelegenheit geben, ihn zu tränken. - Auch geistigerweise ist dieser Ruf zu verstehen und bedeutet: Mich dürstet nach dem Heil der Seelen: o, wenn ich sie retten, wenn ich sie durstig machen könnte nach der Gerechtigkeit, nach mir, dem Quell lebendigen Wassers!

6. "Es ist vollbracht!" -
Nun ist´s zu Ende. Die Peiniger haben ihr Werk getan, alle Bosheit ist an mir versucht, keine Marter und kein Schimpf ist mir erspart; den bitteren Kelch habe ich nun bis zur Hefe ausgetrunken; von meinem Blute rinnt der letzte Tropfen auf die sündige Erde - nun ist´s vollbracht. Es ist schwer geworden, aber es ist zu Ende gegangen. Vater, was du mir aufgetragen hast, siehe, ich habe es ausgeführt; mein Lehr-, Priester- und Hirtenamt habe ich getreulich bis zu Ende geführt; ich habe nie etwas anderes erstrebt, als deine Willen zu erfüllen; meinen letzten Blutstropfen habe ich dir zurückgegeben: nun nimm auch meinen Geist zurück.

7. "Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!" -
Vater, dieses Wort hat er nun wiedergefunden. Mit starkem Schrei stößt er dies Wort aus. Etwas Unerhörtes, daß ein in unglaublicher Schwachheit Sterbender noch sprechen, ja, mit mächtiger Stimme rufen kann. Der wahre Samson hat eine Zeitlang in Schwachheit zugebracht, im letzten Augenblick findet er seine Stärke wieder. Er tat einen lauten Schrei, neigte sein Haupt und starb. Dieser Schrei schreckt die Wache auf; er erschüttert das heidnische Herz des Hauptmanns, der an seine Brust schlägt, und ruft: Wahrlich, so stirbt kein Mensch, Gottes Sohn war dieser! Dieser Schrei macht die Umstehenden erbeben; auch die Lästerer schlagen an die Brust und schleichen davon. Dieser Schrei macht die ganze Erde beben und spaltet harte Felsen, sprengt die Grabesdeckel und weckt die Toten auf; erschüttert den Tempel und zerreißt des Heiligtums Verhüllung. - Ach, möchte er auch uns aufwecken und die vielen vergessenen Vorsätze wieder aus dem Grabe rufen, den Felsen des Herzens sprengen und die Hand an die Brust führen und den Vorhang des Auges zerreißen, daß wir erkennen und begreifen lernen: auch ich werde einmal dem Vater meinen Geist zurückstellen müssen; wohl mir, wenn ich dann sagen kann: es ist vollbracht; was du mir aufgetragen hast, Vater, bis aufs kleinste ist es treulich erfüllt, meinen Leib gebe ich jetzt der Erde zurück, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.


Unterricht für den Karsamstag

Der Karsamstag, auch der heilige oder große Samstag genannt, ist der Ruhe Christi im Grabe und dem Andenken an die Botschaft der Erlösung, die er den Vätern in der Vorhölle brachte, gewidmet, und die Vorfeier der Auferstehung Jesu Christi. Noch liegt schwere Trauer auf dem Herzen der Kirche, weshalb sie in ihren priesterlichen Tageszeiten auch an diesem Tage vielfach bei den Leiden des Heilandes verweilt. Aber weil bald der erste Strahl der Glorie des Auferstandenen aus dem Grabe hervordringt, und die hervorgehende Sonne Sion und alle Völker der Erde beleuchtet, so läßt sie bereits die Osterfreude durchschimmern. Daher spiegelt sich in der Feier des Karsamstags bereits die volle Herrlichkeit des kommenden Festes ab.

Die Karsamstagsfeier beginnt mir der Feuerweihe und der Segnung der Osterkerze. Außerhalb der Kirche wird ein Feuer angezündet, aber nicht an einem andern Feuer, sondern es wird neu aus einem Kieselsteine geschlagen. Dann segnet der Priester dieses neue Feuer. Aus den Gebeten, die der Priester dabei verrichtet, geht hervor, daß unter dem Steine, aus dem das Feuer geschlagen wird, Jesus, der Eckstein der Kirche (Apstg 3,14), zu verstehen ist. Unansehnlich wie der Kiesel ruhet seine Menschheit im Felsengrabe; aber ein himmlischer Funke seiner Gottheit strahlet in ihr auf, und alles wird ringsums entzündet und erleuchtet und gnadenvoll durchdrungen. Es wird das Feuer geweiht, einesteils, weil die Kirche stets alles weiht und segnet, was zum Gottesdienste verwendet wird, aber besonders, damit es um so besser Christum, den unendlich Heiligen, der das Feuer der heiligen Liebe auf diese Erde gebracht, um alle Herzen damit zu entzünden, versinnbilde, und damit es uns zum Zeichen diene, daß auch in unseren Herzen nur ein heiliges, göttliches Feuer brennen solle. Darum muß es auch ein neues, nicht an einem andern angezündetes Feuer sein. Das erinnert uns nämlich, daß Jesus Christus, das Licht der Welt, zwar im Schatten des Todes erloschen und seine Herrlichkeit verdunkelt war, daß er aber bei seiner glorreichen Auferstehung mit neuem Glanze aus den Finsternissen des Grabes emporgestiegen und durch seine Auferstehung auch uns ein neues Licht geworden sei. Nach der Feuerweihe werden fünf Weihrauchkörner als Sinnbild der fünf Wunden Christi gesegnet, die in die Osterkerze zu stecken sind. Wenn das Licht der Osterkerze andeutet, daß der Auferstandene das Licht der Welt, so der Weihrauch, daß er das Leben der Welt sei; das Licht und der Weihrauch deuten an, daß er Licht und Leben sei, indem er sich in der Kirche alle Tage bis zum Ende der Zeiten darbringt. Seine heiligen fünf Wunden sind die Quelle des Lichtes und Lebens; aus ihnen entquillt uns Licht und Kraft, einzugehen in die Geheimnisse der Erlösung und einst mit dem Auferstandenen in die Herrlichkeit. Von dem geweihten Feuer werden allmählich alle übrigen Lichter der Kirche angezündet, zum Zeichen, daß wir von Christus allein Erleuchtung und Wärme für unsere Seelen hoffen können, und daß wir alles, was uns zuteil wird, nur von ihm haben. Auch werden von diesem neuen Feuer geweihte Kohlen ins Rauchfaß gelegt, damit wir an diesem Tage, wo wir die Auferstehung des Heilandes begehen, in unseren Kirchen nichts gebrauchen, was nicht neu und durch Gebet und Segnungen geheiligt werde, und uns zur Lehre, daß wir nach den Worten des Apostels (1 Kor 5,7.8) auch aus unseren Herzen den alten Sauerteig der Sünde entfernen, als neue Menschen in Heiligkeit vor Gott wandeln und das Feuer göttlicher Liebe und glühender Andacht in uns neu entzünden sollen. Jetzt zieht man in Prozession in die Kirche. Der Diakon trägt die Dreizackkerze. Kaum ist er in die Kirche eingetreten, so zündet einer der Dienenden die erste Kerze an. Der Diakon kniet nieder und singt: "Das Licht Christi." Es wird geantwortet: "Gott sei Dank!" In der Mitte der Kirche wird in ähnlicher Weise die zweite, und vor dem Altare die dritte Kerze des Dreizacks angezündet, und jedesmal erhebt der Diakon höher seine Stimme. Durch diesen schönen Brauch soll dargestellt werden, wie die Auferstehung des Herrn immer mehr und mehr offenbar wurde. Die drei Lichter des Dreizacks bedeuten das Licht des Glaubens an die allerheiligste Dreifaltigkeit, das durch Christus auf Erden ist angezündet worden und bis ans Ende der Welt leuchten wird. Für die Gnade dieses allbeseligenden Glaubens spricht die Kirche in den Worten "Gott sei Dank!" ihren Dank aus.- Hierauf geht der Diakon zur Weihe der Osterkerze über. Er fordert zuerst in einem herrlichen, feierlichen Gesange Himmel und Erde und die ganze katholische Kirche auf, den glorreichen Sieg des Erlösers zu feiern und sich darüber zu freuen, daß in dieser Nacht das Licht des neuen himmlischen Lebens der Welt durch die Auferstehung Christi aufgegangen ist. Der Diakon steckt dann in Kreuzesform die fünf Weihrauchkörner in die Kerze. Nachdem er Gott gebeten hat, er möge dieses Opfer des Weihrauches und Wachses, das zur Erleuchtung der heutigen Nacht dargebracht wird, gnädig annehmen, zündet er die Osterkerze an einer der drei Kerzen des Dreizacks an . Dann werden auch die übrigen Lichter der Kirche angezündet, und der Diakon bittet, daß das Licht dieser Kerze Gott wohlgefällig sei, und daß Gott die ganze Geistlichkeit und das Volk, den Papst und den Bischof bewahren, beschützen und zum Heile führen wolle. Beim Beginne der Weihe brennt die Osterkerze noch nicht. In diesem Zustande ist sie ein Bild des noch im Grabe ruhenden Herrn. Sie muß ganz von weißem Wachse sein, als Sinnbild der heiligsten Menschheit Christi, die ohne Makel im jungfräulichen Schoße der allzeit reinen Gottesmutter gebildet war. Sie ist groß, um die Größe des Auferstandenen zu bezeichnen, und hat die Form einer Säule, weshalb sie auch mit jener feurigen Säule, wodurch die Israeliten aus Ägypten geführt wurden, verglichen wird, weil der Auferstandene dem Volke, das von der Knechtschaft des Teufels befreit wird und durch das Rote Meer der Taufe schreitet, als Wegweiser vorangeht, um es in das wahre Land der Verheißungen, in das Land der Lebendigen einzuführen, das er Tag und Nacht beschützt, und bald mit seinen himmlischen Lehren überregnet als eine wahre Wolkensäule, bald mit dem Feuer seines Atems entzündet als eine wahre Feuersäule. Die fünf Öffnungen in der Osterkerze deuten auf die fünf Wunden des Erlösers hin, die er auch nach seiner Auferstehung beibehielt, und die der Opferduft sind, der fort und fort uns dem Vater wieder versöhnt und die ganze Welt belebt. Der Weihrauch erinnert zugleich an die Spezereien, mit denen Nikodemus und Joseph von Arimathäa den Leib Jesu salbten. Das Anzünden der Osterkerze ist ein Sinnbild der Auferstehung des Herrn. Sie wird an dem Lichte des vorhin erwähnten Dreizacks angezündet, um anzuzeigen, daß Christus vom Vater des Lichtes von Ewigkeit her erzeugt ist, also Gott von Gott, Licht vom Licht sei. Alle übrigen Kerzen der Kirche werden dann an der Osterkerze angezündet, um anzudeuten, daß alles, was Licht auf Erden ist, in diesem göttlichen Lichte seinen Ursprung hat, und nur insofern wahres Licht ist, als es von jenem seinen Ausgang nimmt und an ihm teil hat.

Der zweite Teil der Karsamstagsfeier besteht aus der Weihe des Taufwassers und der Erteilung der Taufe selbst, welcher der Gedanke zugrunde liegt: Mit Christus dem Auferstanden sollen alle zu neuem Leben aufstehen. Vorher werden noch zwölf Prophezien gelesen, welche die Schöpfungsgeschichte und die Vorbilder der heiligen Taufe im Alten Testament enthalten, und daher sämtlich auf die geistige Auferstehung der in Sünde dem Tode verfallenen Menschheit, wie sie durch Christus in seiner Kirche sich vollzieht, hinweisen. Die Zwölfzahl dürfte darauf hindeuten, daß das Reich der neuen Schöpfung sich über dem Gebäude der Apostel aufbaut, während Jesus Christus der höchste Eckstein ist. Die geistige Auferstehung, die in den Prophezien verkündet worden ist, wird in der Taufe vollzogen; daher folgt nun die Taufwasserweihe und dann die Taufe. Die Weihe geschieht auf folgende Weise: Der Priester tritt zu dem Taufbrunnen mit den Worten des Psalmisten: "Wie der Hirsch nach der Wasserquelle verlangt, so verlangt meine Seele nach dir, o Gott!" usw. (Ps 41,1). Das soll uns erinnern, mit welcher Sehnsucht wir nach der Gnade des Erlösers streben sollen, und insbesondere, welch kostbares Geschenk uns der Heiland im Sakrament der Taufe hinterlassen hat. In einem feierlichen Gesange ruft er den Geist Gottes auf das zu weihende Wasser herab, der schon beim Anbeginne der Schöpfung über den Gewässern schwebte. So wie Gott die Erde durch die Wasser der Sündflut erneuerte, so möge er jetzt die Menschheit durch das Wasser der Taufe im Heiligen Geiste durch die Gnade Jesu erneuern. Der Priester segnet während der Gebete, die er verrichtet, das Wasser mit dem heiligen Kreuzzeichen, teils auch die Oberfläche desselben in Gestalt eines Kreuzes, um anzudeuten, daß Gott durch Jesum, der am Kreuze starb, diesem Wasser die geheime Kraft mitteile, alle in der Erbsünde Geborenen in heilige Menschen umzuwandeln. Er berührt es mit flacher Hand, zum Zeichen, daß der eist Gottes, wie einstens bei der Schöpfung, so auch über diesem Wasser schwebe und die Täuflinge mit seiner Gnade reichlich begabe. Er segnet das Wasser mit dem dreifachen Kreuzzeichen, weil das Wasser die Kraft von Sünden zu reinigen nur durch das Leiden und die Verdienste Jesu vom Vater in der Mitwirkung des Heiligen Geistes erhält. Er teilt das Wasser mit der Hand in vier Teile und sprengt es nach den vier Weltgegenden, zum Zeichen, daß jetzt durch das Taufwasser die Völker aller Weltgegenden mit den Strömen der göttlichen Gnade getränkt werden, wie einst das Paradies von vier Strömen bewässert wurde. Dreimal haucht er in Kreuzesform das Wasser an. Denn durch die Taufe soll dem Menschen das geistliche Leben der Seele gegeben werden, wie einstens der Schöpfer durch Anhauchen den Heiligen Geist mitteilte. Auf daß nun das Wasser geheiliget, d.i. erfüllt werde mit der Kraft, den Menschen in der Taufe zu reinigen und zu heiligen, muß ihm, wie einst dem Jordan, in geheimnisvoller Weise Jesus Christus, d.i. seines Geistes Wirkung eingesenkt werden, wie diese von ihm, dem Auferstehenden ausgeht. Daher wird die brennende Osterkerze dreimal, und jedesmal tiefer eingesenkt, und es werden dabei die Worte gesungen: "Es steige herab in diese Quelle des Wassers die Kraft des Heiligen Geistes und gebe ihm die wirkende Kraft zur Wiedergeburt der Seele." Mit dem so gesegneten und geheiligten Wasser werden nun die Gläubigen besprengt zur Erinnerung an ihre Taufe, und damit sie im Geiste erneuert werden mögen. Auch wir ihnen davon in die Häuser zum heiligen Gebrauche mitgegeben, damit der Geist der Wiedererneuerung in ihnen bleibe und auch ihr Hab und Gut, ihr Haus und ihre ganze Umgebung durchdringe. Zum Schlusse wird noch das Taufwasser mit heiligem Öle und Chrisam begossen und damit vermengt, um nochmals die Fülle des göttlichen Geistes anzuzeigen, die bei der Ausspendung der Taufe in diesem Wasser wirksam ist. Nach der Weihe des Taufwassers wird die Taufe gespendet, wenn Täuflinge zugegen sind. In den ersten christlichen Jahrhunderten wurde nur an diesem Tage und am Samstage vor Pfingsten den Erwachsenen und Neubekehrten die Taufe feierlich erteilt. Daß man den Karsamstag hierzu auserwählte, geschah erstlich, weil in dieser Woche einst unser Heil und unsere Erlösung durch Christus ist gewirkt worden, weil der auferstandene Heiland das Vorbild einer durch die Taufe geheiligten Seele ist. Das Pfingstfest wurde zur Erteilung desselben Sakramentes bestimmt, weil dieses Fest als der Schluß der Osterzeit angesehen wurde, weil der Heilige Geist an diesem Tage einst über die Jünger kam und sie mit Feuer taufte, weil der Heilige Geist der Urheber der Heiligkeit und die wahre Quelle der Taufgnade ist; sodann auch, weil nach der Herabkunft des Heiligen Geistes und der Predigt der Apostelfürsten einst so viele Menschen getauft wurden. Daher rührt denn auch der Gebrauch, daß nur heute und am Pfingstsamstage Taufwasser geweiht wird. Nach dieser Weihe kehren alle zum Altare zurück, während die Allerheiligen-Litanei gesungen wird. Am Altare angelangt, fallen sie zum Zeichen ihres demütigen und dringenden Bittens auf das Angesicht nieder. Die Litanei hat eine doppelte Bedeutung: sie weiset uns alle, die wir in Christus Jesus getauft sind, hin auf das letzte Ziel, das wir von jetzt an erstreben müssen, nämlich durch ein Leben nach dem Geiste Christi und seiner Kirche zur ewigen Vereinigung mit Jesus und seinen Heiligen zu gelangen; dann aber rufen wir durch sie auch die Fürbitte seiner Heiligen an, damit wir Sünder von Gottes Erbarmen dieses erhalten mögen.

Das Ende der Litanei ist der Anfang der heiligen Messe, die den dritten Teil der Karsamstagsfeier bildet. Außer dieser einen feierlichen Messe darf heute keine andere gelesen werden. Ihr liegt der Gedanke zugrunde: Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, so suchet, was oben ist; Christus sei euer Leben, und ihr werdet mit ihm in Herrlichkeit erscheinen. Zum Zeichen der geistlichen Freude und des Jubels über die Auferstehung Christi, und zur Erinnerung, wie sich der Erlöser mit einem verherrlichten und verklärten Leibe aus dem Grabe erhob, sind die Altäre wieder geschmückt. Die Messe hat mache Eigentümlichkeiten, die sich schon in den ersten christlichen Jahrhunderten gebildet haben. Damals begann nämlich der Gottesdienst des Karsamstags um drei Uhr nachmittags und endete erst nach Mitternacht. Und um die Kräfte des Volkes, die durch die lange Dauer des Gottesdienstes erschöpft waren, zu schonen, und ihm Zeit zum Ausruhen zu lassen, da es sich morgens sehr frühe wieder in der Kirche einzufinden hatte, so suchte man die heilige Messe soviel als möglich abzukürzen. Daher fängt die heilige Messe ohne den Eingang oder den sogenannten Introitus an; die ganze vorhergegangene Feier, besonders aber die Litanei, ist ja ein herrlicher Eingang dazu. Das Gloria wird wieder feierlich gesungen; es soll ein Jubellied sein auf die zweite Geburt Christi aus dem Schoße der Erde, auf seine siegreiche Auferstehung aus dem Grabe, und darin sollte früher zugleich den Neugetauften der Friede mit Gott um der heiligmachenden Gnade willen, die sie empfangen hatten, angekündigt werden. Beim Gloria werden die Glocken geläutet und die Orgel wieder laut; denn nun ist die Trauerzeit zu Ende, schon nahe ist der Augenblick der Auferstehung, der die ganz Erde mit Freude erfüllt, den Glocken kehrt die Sprache zurück, sie erklingen dem Auferstehenden entgegen.

HARTMUT GEISLER
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